" Quit to Pay" – die neue Art des Mitarbeiterwechsels?

Der Online Schuhhändler Zappo hat es vorgemacht, Amazon als Übernehmer von Zappo hat das System in den USA verfeinert und nennt es „Quit to Pay“. Mitarbeiter einzelner Bereiche erhalten, wenn sie kündigen, eine Prämie von 2000 Dollar, jährlich steigend um 1000 Dollar bis maximal 5000 Dollar. Diese Aktion wird einmal jährlich initiiert und soll Mitarbeitern das Gehen versüssen, die sich im Unternehmen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht wohlfühlen. Was hinter dem System steckt und ob es Sinn ergibt, dieses Vorgehen zu kopieren, untersucht dieser Beitrag.

Wer freiwillig geht, wird belohnt

Motivierte und fleissige Mitarbeiter sind die wünschenswerte Klientel bei der Bewerberauswahl für jedes Unternehmen. Was sich zu Beginn einer beruflichen Laufbahn oft als passend und verlockend präsentiert, erweist sich nicht selten schon nach kurzer Zeit als weniger attraktiv und manchmal gar nicht passend. Das geht neu eingestellten Mitarbeitern genauso wie den Unternehmen selbst. Mit dem System „Quit to Pay“ hat Amazon den Mitarbeitern in den Warenlagern eine Möglichkeit geschaffen, den Arbeitsplatz gegen Geld aufzugeben, wenn er persönlich aus irgendwelchen Gründen nicht passt.

Besonders angesprochen von diesem Programm fühlen sich Mitarbeiter, die mit den unterschiedlichen Bedingungen ihrer Arbeit nicht zurechtkommen. Dabei kann es um Arbeitszeiten und Arbeitsinhalte genauso gehen wie um Löhne, das Verhältnis zum Vorgesetzten und den Kollegen oder um das Betriebsklima allgemein. Auf diese Weise will Amazon nörgelnde und wenig motivierte Arbeitnehmer initiieren, das Unternehmen aus freien Stücken zu verlassen. Eine Rechnung, die nicht selten aufgeht.

Platz schaffen für besser motivierte Mitarbeiter

Im Endeffekt soll mit „Quit to Pay“ in den Abteilungen Platz geschaffen werden für augenscheinlich besser motivierte Mitarbeiter. Ob das so wirklich funktioniert, ist eine Frage, deren Beantwortung vorerst offen bleibt.


Platz schaffen für besser motivierte Mitarbeiter. (Bild: alexandrovskyi / Shutterstock.com)
Platz schaffen für besser motivierte Mitarbeiter. (Bild: alexandrovskyi / Shutterstock.com)


Viel interessanter erscheint mir da der Verdacht, dass auf diese Weise ein kritischer Teil der Arbeitnehmer auf „freiwilliger“ und zugleich prämierter Basis aus dem Unternehmen gedrängt werden soll. Wenn die eigene Unzufriedenheit nicht gross genug ist, um den Arbeitsplatz aufzugeben, kann nötigenfalls auch noch ein wenig Druck von Vorgesetzten ausgeübt werden, um betreffende Mitarbeiter zur eigenen Kündigung mit Prämie zu bewegen. Notfalls lässt sich da auch noch organisiertes Mobbing auftischen, um den Abschied vom hinterfragten Unternehmen noch einfacher zu machen.

Auch wenn Amazon versichert, dass es mit „Quit to Pay“ nicht um ein solches „Aussortieren“ unbequemer Mitarbeiter geht, bleibt ein solcher Verdacht dennoch offen und teilweise berechtigt. Gerade die Unzufriedenheit in vielen ostdeutschen Unternehmensbereichen offenbart, dass es die Mitarbeiter bei Amazon nicht immer leicht haben.

Auch wenn auf diese Weise ein Mitarbeitertausch quasi im Selbstlauf stattfinden könnte, erinnert ein solches System doch eher an das Entfernen unbequemer Beschäftigter, hier eben mit einer Prämie auf eine mehr oder minder freiwillige Basis gestellt.

Nachahmung gewünscht oder eher verpönt

Hinter vorgehaltener Hand äussern viele Führungskräfte, dass sie den einen oder anderen Mitarbeiter aus ihrem Bereich gerne nicht mehr sehen würden, jener aber einfach nicht gehen wolle. Nachvollziehbare Gründe für eine leistungs- oder verhaltensbedingte Kündigung gibt es nicht, aber dennoch wäre es schön, wenn der betroffene Mitarbeiter lieber heute als morgen gehen würde. Da liegt oftmals auch der Gedanke nahe, das Amazon-System „Quit to Pay“ zu kopieren. Vielleicht könnte man sich dann von dem einen oder anderen kritischen oder unzufriedenen Kollegen trennen.

Vor einer Nachahmung sei dennoch gewarnt. Gerade die scheinbar ständig nörgelnden Mitarbeiter sind oftmals genau die, die den Finger in die Wunde legen und bei richtiger Wahrnehmung der Probleme in die Lösung der Herausforderungen einbezogen werden könnten. Bequemer ist es sicherlich, wenn Ruhe im Unternehmen herrscht und jeder zufrieden mit seiner Arbeit und den Umgebungsvariablen ist. Eine solche Ruhe ist aber in der Regel eher trügerisch und verdeckt nur die unter der scheinbar harmonischen Oberfläche brodelnden Konflikte.

Unzufriedene Mitarbeiter legen solche Konflikte offen auf den Tisch und sind auf diese Weise gewissermassen das Frühwarnsystem für die Unternehmenskultur. Sich dieser Mitarbeiter „sanft“ zu entledigen, birgt echte Gefahren für die Zukunftsgestaltung im Unternehmen und raubt den Betrieben jede Menge innovativer Kraft. Innovation heisst nicht zuletzt Abweichung vom Althergebrachten und ist eine wichtige Triebfeder für die Ausbildung von Zukunftssicherheit im Unternehmen.

„Quit to Pay“ für Krisenzeiten und Umstrukturierungen

Viel interessanter scheint das System „Quit to Pay“ für Zeiten unternehmerischer Krisen oder für Umstrukturierungen zu sein. Dann kann nämlich für jeden freiwillig kündigenden Mitarbeiter eine Prämie ausgesetzt werden, wenn er im Rahmen der Auflösung von Betriebsteilen oder einzelner Arbeitsplätze seine Stelle freiwillig aufgibt. Dann ist „Quit to Pay“ eine durchaus soziale Massnahme, die auch dafür geeignet ist, den unweigerlichen Verlust von Arbeitsplätzen sozial zu vereinfachen.

In diesem Fall werden vom System „Quit to Pay“ zuerst Arbeitnehmer Gebrauch machen, die sich das finanziell leisten können oder gute Aussichten auf einen anderen Arbeitsplatz haben. Andere Arbeitnehmer können hingegen ihre Stelle behalten oder müssen sie erst am endgültigen Schlusstermin aufgeben.

Hier bringt „Quit to Pay“ deutlich mehr Sinn, als wenn dieses System dafür verwendet wird, unzufriedene Mitarbeiter, die oftmals eben auch die kritischen sind, gegen scheinbar motiviertere, weil weniger hinterfragende auszutauschen.

 

Oberstes Bild: © Pressmaster – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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