Alstom, General Electric, Siemens - Wird aus dem Übernahmeangebot eine Übernahmeschlacht?

Dass es mit Frankreichs Wirtschaft seit Jahren nicht zum Besten steht, dürfte allgemein bekannt sein. Vor allem die grossen Konzerne, die „nationalen Champions“, mussten zuletzt arg Federn lassen. Bei Peugeot beispielsweise ist ein neuer Grossaktionär aus China eingestiegen, dessen Ziele bisher unklar sind.

Der Zementkonzern Lafarge fusioniert mit dem Schweizer Konkurrenzunternehmen Holcim und wird in die Schweiz abwandern. Die Publicis Gruppe, die weltweit zu den Top 3 der grössten Werbedienstleister gehört, geht mit dem amerikanischen Konkurrenten Omnicom zusammen. Das neue Unternehmen will sich in den Niederlanden ansiedeln und in Grossbritannien Steuern zahlen.

Neben den Schäden für die Wirtschaft beleidigt dies vor allem auch den französischen Nationalstolz. So mancher Franzose ist besorgt, es stehe ein kompletter Ausverkauf der heimischen Wirtschaft bevor. Nun also auch Alstom. Der US-amerikanische Mischkonzern General Electric ist mit der Offerte an Alstom herangetreten, die Sparte Energietechnik, die etwa drei Viertel des Umsatzes ausmacht, für rund 10 Milliarden Euro zu übernehmen.

Alstom gilt als Ikone industrieller Kraft und Ingenieurskunst in Frankreich, stand aber bereits vor zehn Jahren kurz vor der Pleite. Damals sprang der französische Staat ein, um einen Einstieg von Siemens zu blockieren. Der Konzern beschäftigt 18’000 Mitarbeiter. Die wichtigsten Geschäftszweige sind die Energiesparte – Alstom ist Weltspitze bei Kraftwerks- und Wasserturbinen – sowie die Produktion von Eisenbahnzügen. Das Vorzeige- und Prestigeprojekt des Konzerns in diesem Bereich ist der Hochgeschwindigkeitszug TGV.

Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, der auch lieber Siemens statt General Electric als Partner wünscht, sagte, mit dieser Verbindung sei es möglich, zwei europäische und globale Champions in den Bereichen Verkehr und Energie zu schaffen. Die deutsch-französische Variante scheint der Regierung in Paris insgesamt wesentlich schmackhafter zu sein. Schliesslich trägt Präsident François Hollande schon länger die Idee vor sich her, eine Art „Airbus für Energie“ ins Leben zu rufen. Alstoms Konzernchef Patrick Kron möchte lieber mit General Electric zusammengehen. Er hat Siemens den Übernahmeversuch von damals bis heute nicht verziehen.

Bei dem jetzigen Gezerre gewinnt man leicht den Eindruck, dass persönliche und politische Befindlichkeiten eine weitaus grössere Rolle spielen als ökonomische Fakten und Erfordernisse. Das war vor zehn Jahren auch schon so, aber diesmal hat die Regierung Partei für Siemens ergriffen und sie hat mit Sicherheit grossen Einfluss auf die endgültige Entscheidung, denn Alstom lebt nicht zuletzt von vielen lukrativen Staatsaufträgen.

Der ganze Vorgang riecht nach zielgerichteter Industriepolitik wie in früheren Zeiten und ignoriert die Entwicklung der Globalisierung. Eigentlich sollte die Regierung gewarnt sein. Frankreich ist schon öfter in der Vergangenheit damit gescheitert, die bereits erwähnten „nationalen Champions“ zu erschaffen. Pikant ist zudem, dass Frankreich den Einstieg der Amerikaner unbedingt vermeiden will, während gerade die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen laufen.

Siemens hat jedenfalls seine Bereitschaft an Sondierungsgesprächen signalisiert. Die Übernahme von Alstom durch die Amerikaner wäre eine deutliche Kampfansage gegen den deutschen Konzern. General Electric liegt in einigen Geschäftsbereichen vor Siemens und verdient – gemessen am Umsatz – mehr Geld. Zudem soll das Unternehmen im Ausland rund 60 Milliarden Dollar Gewinne „geparkt“ haben, die bei einer Rückführung in die Heimat versteuert werden müssten. Die „Kriegskasse“ ist also gut gefüllt.


ICE 3 Oberhaider Wald Tunnel. (Bild: Sese_Ingolstadt / wikimedia.org)


Siemens wiederum ist Marktführer in Deutschland und Europa und bietet General Electric auch in den USA die Stirn bei milliardenschweren Aufträgen für Windkraftanlagen und Züge. Immerhin arbeiten rund 60’000 Menschen in den Vereinigten Staaten für Siemens. Sollte Alstom an die Amerikaner fallen, kaufen diese auch einen beträchtlichen Teil technologischen Know-hows ein, über das sie bisher nicht im gleichen Masse verfügen wie Siemens.

Der deutsche und der französische Konzern würden wegen ihres Portfolios – Energietechnik und Züge (TGV und ICE) gut zusammenpassen. Die Deutschen werden aber wohl darauf pochen, dass sich die französische Politik heraushält. Bei Airbus, dem gemeinsamen Luft- und Raumfahrtkonzern ist es zuletzt gelungen, die politischen Einflüsse deutlich zu reduzieren.

General Electric könnte mit der Übernahme von Alstom einige Lücken in seiner Produktpalette schliessen, z.B. bei Offshore Windparks. Bei Siemens sieht die Sache noch etwas anders aus. Das Unternehmen würde vor allem seine Marktmacht in den erwähnten Sparten stärken. Lücken wie bei General Electric gibt es so gut wie gar nicht. Aber genau diese Tatsache könnte die Kartellämter auf den Plan rufen. Kommt es zu einem Spartentausch – Siemens übernimmt Energie, Alstom Züge und Verkehr – hätte der französische Konzern in Europa praktisch das Monopol auf die Produktion von Hochgeschwindigkeitszügen.

Eine Anmerkung am Rande: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Vorgänger von Alstom im Jahr 1893 von einer US-amerikanischen Firma als Filiale gegründet wurde – ganz genau: von General Electric.

 

Oberstes Bild: © Sese Ingolstadt – wikimedia.org

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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