Ein Jobangebot der ganz besonderen Art - Solothurn sucht einen Einsiedler

Fachkräftemangel einmal ganz anders: Laut einer kürzlich erschienenen Stellenanzeige in der Reformierten Presse sucht die Bürgergemeinde Solothurn zum 1. Juli 2014 eine „idealistisch gesinnte, kirchennahe Person“. Sie soll viel Freude am Umgang mit Menschen haben, offen und kommunikativ sein.

Geboten wird ein Einkommen von 1’000 Schweizer Franken sowie eine freie Unterkunft. Die Ausschreibung könnte auf einen Public Relations Posten oder ähnliches passen, wenn da nicht die eindeutige Stellenbezeichnung wäre: Gesucht wird nämlich eine Einsiedlerin oder ein Einsiedler.

Die Einsiedelei Sankt Verena liegt in der Verenaschlucht bei Solothurn auf dem Gemeindegebiet von Rüttenen. Laut Legende liess sich im Jahr 300 n. Chr. die Heilige Verena aus Oberägypten in der Schlucht nieder, um kranke und gebrechliche Menschen zu pflegen sowie Mädchen und junge Frauen in christlicher Lebenskunde zu unterrichten. Das Ensemble der Einsiedelei besteht aus mehreren Gebäuden. Als gesichert gilt, dass eine der beiden Kapellen zum Teil aus dem 12. Jahrhundert stammt. Die Anwesenheit eines Einsiedlers ist urkundlich erstmals im Jahr 1442 bezeugt.


Verenakapelle. (Bild: ZorkNika (André Schild) / wikimedia.org)


Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gestaltete man die Anlage in der Schlucht zu einem romantischen Landschaftsgarten um, dadurch wurde sie zu einem beliebten Naherholungsziel. Weitere Sehenswürdigkeiten sind neben der Einsiedelei [http://reiseziele.ch/freiburg-fribourg-eine-region-viele-gesichter/] und den beiden Kapellen die Magdalenengrotte, eine frei stehende Skulpturengruppe mit einer Darstellung der Gethsemane-Szene sowie das Arsenius-Brünnchen. Die letzte Person, die den Posten von 2009 bis 2014 bekleidete, war Verena Dubacher, die erste Frau in der Einsiedelei nach über 600 Jahren. Sie hatte im März gekündigt, weil ihr der Trubel in der Schlucht zu viel geworden war und weil sie nicht zuletzt deshalb unter gesundheitlichen Problemen litt.

Das Aufgabengebiet ist recht umfangreich. Die Einsiedlerin bzw. der Einsiedler muss sich um die Instandhaltung und Betreuung der Kapelle kümmern, Kerzen auswechseln, Wachsreste entfernen sowie Sakristanendienste bei Hochzeiten und Taufen leisten. Ausserdem ist die Schlucht stets sauber zu halten und für ihre Begehbarkeit zu sorgen, also im Winter auch Schnee zu schippen. Der zweite Aufgabenbereich gilt den vielen Besuchern. Verena Dubacher hatte Kontakte [http://business24.ch/2014/01/15/10-eigenschaften-fuer-social-media-manager/] zu pflegen, die Geschichte der Verenaschlucht zu erklären, die oben erwähnte Legende, die dahinter steckt, aber sie musste auch viele Fragen der Touristen beantworten, die ihr eigenes Leben in der Eremitage betrafen.


Kapelle Sankt Martin. (Bild: IqRS / wikimedia.org)


Bis nun der nächste Bewerber seinen Posten antritt, werden die hauptsächlichen Aufgaben von der bisherigen Stellvertreterin und von Solodaris-Mitarbeitern ausgeführt. Zudem gibt es seit kurzem eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe der Stadt Solothurn, die die Kriterien für die Nachfolge bestimmen und über den geeigneten Kandidaten entscheiden soll.

Die Anforderungen an den neuen Einsiedler, nämlich die Bereitschaft, die meiste Zeit alleine in der Verenaschlucht zu leben und gleichzeitig auch die Besucher zu betreuen, klingt vielleicht widersprüchlich, aber der Ort ist ein beliebtes Ausflugsziel und die neue Einsiedlerin bzw. der neue Einsiedler muss beide Fähigkeiten mitbringen. Von Beten oder Freude an einem einsamen Leben ist im Inserat nichts zu lesen, dafür aber, dass die Bewerberinnen und Bewerber psychisch und physisch gut belastbar sein müssen.

Eventuell werden die Anforderungen noch durch die Arbeitsgruppe überarbeitet. So hat etwa der Vorgänger von Verena Dubacher, Br. Johannes Leutenegger, allzu kalte Wintermonate nicht in der Schlucht verbracht. Ähnlich wie seine Nachfolgerin hatte sich Leutenegger auch über den grossen Andrang und Rummel in der Klause aufgeregt, weil ihm das Beten nahezu unmöglich gemacht wurde. Er wollte keine Attraktion für Touristen sein und quittierte deshalb seinen Job.


Häuschen des Waldbruders. (Bild: IqRS (André Schild) / wikimedia.org)


Sergio Wyniger, der Bürgergemeindepräsident von Solothurn, betonte in einem Interview, dass es sich bei dem Einsiedler-Job nicht um eine Teilzeitstelle handelt. Im Frühling und im Sommer und auch in der übrigen Zeit, wenn die vielen Besucher kommen, soll die Einsiedelei durchgängig besetzt sein. Laut Wyniger gab es früher ausreichend Kandidaten unter pensionierten Geistlichen für den Posten, aber heute suchen selbst die Pfarreien Hände ringend nach Personal.

Auf die Frage nach Freizeit und Urlaub antwortete Wyniger, dass der Einsiedler ein normaler Angestellter der Bürgergemeinde sei und deshalb auch Anspruch auf Urlaub habe wie jeder andere. Darüber hinaus seien die Kapellen montags geschlossen und am Abend und in der Nacht herrsche kaum bzw. kein Besucherandrang, so dass dem Einsiedler genügend Freizeit bleibe. Das – wenn auch geringe – Einkommen wird übrigens nach Jahrhunderte altem Brauch von der Stadt Solothurn aufgebracht.

 

Oberstes Bild: © Bruno Moll – Ermitage de Ste Vérène près Soleure / wikimedia.org

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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