Geschlechterstereotype als Karrierehindernis

Frauen sind die humaneren Führungskräfte – soweit das öffentliche Bild. Sie gelten im Vergleich zu Männern als fürsorglicher, haben bei Entscheidungen nicht nur betriebswirtschaftliche Daten, sondern auch das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter im Blick und sind selbstverständlich auch weniger „gierig“.

Andrea Bührmann, Soziologieprofessorin und Direktorin des Instituts für Diversitätsforschung an der Göttinger Universität kommt in einer Studie jedoch zu dem Ergebnis, dass es solche geschlechtsspezifischen Führungsstile gar nicht gibt. Aus solchen Zuschreibungen resultiert jedoch oft subtile Diskriminierung.

Für die Studie haben die Professorin und ihr Team Medien-Porträts von Frauen in Führungspositionen ausgewertet. Ihr Fazit: Die Medien reproduzieren in ihrer Darstellung von Managerinnen vor allem Stereotype, die bei Männern nicht in dieser Form zum Tragen kommen. In der Berichterstattung geht es nicht zuletzt um ausführliche Beschreibungen des Kleidungsstils und des äusseren Erscheinungsbildes der Frauen.

Ausserdem unterscheiden die Medien sehr gern zwischen „Businessfrauen“ sowie „Powerfrauen„. Die ersten stehen für ein eher männliches Prinzip, tragen Kurzhaarschnitte und sprechen mit lauter und bestimmter Stimme. Ihr Auftreten wird als „bestimmt und forsch“ beschrieben.


„Powerfrauen“ haben sich dagegen – trotz Selbstbewusstseins, Präsenz und Souveränität – für ein weibliches Erscheinungsbild entschieden. (Bild: Sergey Nivens / shutterstock.com)


„Powerfrauen“ haben sich dagegen – trotz Selbstbewusstseins, Präsenz und Souveränität – für ein weibliches Erscheinungsbild entschieden. Die Öffentlichkeit liebt in der Regel diese zweite Gruppe, da deren Vertreterinnen überkommene feminine Rollenmuster mindestens äusserlich nicht ad acta legen. Gleichzeitig werden sie – Beispiel: Yahoo-Chefin Marissa Mayer – durch die öffentliche Meinung abgestraft, wenn sie ausserdem Führungsstärke und damit „männliches Verhalten“ zeigen.

Stereotype über die unterschiedlichen „Naturen“ der Geschlechter

Die Journalisten greifen in der Darstellung von Managerinnen – und auch Managern – sehr oft auf Stereotype über die „eigentliche Natur“ der Geschlechter zurück. Seit dem Beginn der bürgerlichen Aufklärung gingen europäische Denker davon aus, dass sich Männer und Frauen sowohl physiologisch als auch psychisch grundsätzlich unterscheiden. Daraus resultierte selbstverständlich auch eine „natürliche Arbeitsteilung“, in der den Frauen der häusliche Bereich und Männern die Ernährer-Rolle zugewiesen wurde.

Andrea Bührmann weist in ihrer Untersuchung nach, dass sich an dieser Wahrnehmung im Kern bis heute nichts geändert hat. Als Grund dafür benennt sie unter anderem die Tatsache, dass die wenigsten Menschen solche Geschlechterstereotypen wissenschaftlich analysieren und ihre „Konstruktionsprozesse“ begreifen. Vielmehr sind sie in ihrem Alltag mit bestimmten Verhaltensweisen konfrontiert, nehmen diese als gegeben an und richten wiederum ihr eigenes Verhalten daran aus. Auch die durchaus ambivalente Darstellung von Frauen in Führungspositionen hat hier ihre Basis.

Typisch weibliche Führungsstile sind ein Mythos

Typisch weibliche Führungsstile betrachtet die Wissenschaftlerin als einen Mythos. In der Praxis gibt es unterschiedliche Führungsstile, in denen natürlich auch persönliche Charakteristika zutage treten und die zu einer bestimmten Situation oder Position mehr oder weniger gut zu passen scheinen. Die Existenz eines weiblichen Führungsstils – weniger aggressiv und dominant und damit weniger kompetitiv – wird von vielen Menschen deshalb angenommen, weil sie glauben, dass Frauen „so sind“ und auch auf diese Weise führen werden.

In diversen Studien zu weiblichem und männlichem Führungsverhalten tritt oft auch eine weitere Diskrepanz zutage: Die männlichen Befragten sind oft auf echten Top-Positionen tätig, die befragten Frauen arbeiten – schon mangels Masse in den Chefetagen – dagegen vorwiegend im mittleren Management. Aus den verschiedenen Ebenen in der Unternehmenshierarchie ergeben sich zwangsläufig auch beträchtliche – aber eben nicht geschlechtsspezifische – Führungsstile.

Dem Ziel, Frauen eine gleichberechtigte Position in der Wirtschaft zu verschaffen, ist die mediale Darstellung von Managerinnen absolut nicht förderlich. Die Göttinger Studie zeigt im Gegenteil, dass sie Frauen sogar eher an der Ausprägung egalitärer Verhaltensweisen hindert. De facto stellen entsprechende Porträts von Managerinnen sehr oft „Wissen“ über die ungleiche „Natur“ von Frauen und Männern bereit und nutzen dieses als Vorlage für die Reproduktion von Stereotypen sowie die entsprechende Bewertung.

Eine Befragung unter deutschen Top-Managerinnen und Managern erbrachte beispielsweise das Ergebnis, dass auch die Mehrheit der weiblichen Führungskräfte glaubte, dass es im Hinblick auf Führungsstil und Führungsfähigkeit deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt – und dass es deshalb nur einige „ganz besondere Frauen“ bis ganz nach oben schaffen. Die Crux dabei: Aus solchen Geschlechterstereotypen können Männer beträchtliche Karrierevorteile ziehen, hochqualifizierte Frauen behindern sie in ihrer beruflichen Entwicklung jedoch oft.

Geschlechterstereotype reduzieren die Karriere-Optionen von Frauen

Die Professorin betrachtet vor diesem Hintergrund die Bezeichnung „Businessfrau“ nicht als Kompliment, sondern eher als Stigma, das zu erkennen gibt, dass sich die betreffende Frau respektive Managerin als „zu männlich“ inszeniert. Den „Powerfrauen“ schreiben Medien sowie ihr berufliches und privates Umfeld dagegen als positiv bewertete „weibliche“ Eigenschaften zu. Die Akzeptanz ihrer beruflichen Kompetenzen ist damit zwar durchaus verbunden – trotzdem werden sie darauf verpflichtet, sich auch und gerade in einer Führungsposition anders als Männer zu verhalten.

Wenn Dominanz und Wettbewerbsbereitschaft als „männlich“ und daher in Bezug auf Managerinnen als negativ bewertet werden, fallen damit automatisch Eigenschaften und Verhaltensmöglichkeiten weg, die Frauen in Führungspositionen oft erst ermöglichen, gegenüber ihren männlichen Kollegen Augenhöhe zu erreichen. In der Praxis führen Geschlechterstereotype und daraus abgeleitete Verhaltensnormen – beispielsweise die unausgesprochene Erwartung, dass es Frauen nicht in erster Linie um ihre eigene Karriere, sondern um das Unternehmen und die „Sache“ gehen sollte – dass Managerinnen ihre Karriere-Optionen von sich aus reduzieren.

Andrea Bührmann plädiert vor diesem Hintergrund übrigens nicht für eine Frauen- sondern für eine Geschlechterquote in Führungsgremien, die sicherstellt, dass wichtige Entscheidungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik nicht wie bisher fast ausschliesslich von Männern getroffen werden – nachdem Versuche, den Anteil der Frauen unter den Entscheidungsträgern zu erhöhen, unterhalb dieser Ebene bisher ausnahmslos gescheitert sind.

 

Oberstes Bild: © Zoom Team – shutterstock.com

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