Spaniens Arbeitslosigkeit und die Folgen für die europäische Wirtschaft

Gilt die Wirtschaftskrise in Europa bereits als überstanden oder befinden wir uns noch mitten in der durch die Banken initiierten Abwärtsspirale und merken es nur nicht? Die Antwort dürfte je nach gefragtem Staat anders ausfallen.

Spanien, eines der Krisenländer in den Jahren nach 2008, sieht derzeit nur wenig Grund für Euphorie und gilt damit als Beispiel für das restliche Europa.

Die iberische Halbinsel als Vorbild?

Noch bis 2007 war Spanien eines der leuchtenden Beispiele für eine sinnvolle Investition von Geldern. Ein teilweise unfassbares Wirtschaftswachstum hatte das Land 15 Jahre lang begleitet: 2005 wurde ein Wachstum von 3.6 % festgestellt, 2006 wurde dieser Wert mit 4.1 % noch übertroffen. Auch 2007 war die Welt für die Spanier noch in Ordnung – bis 2008 der Einbruch folgte. Ein verhaltenes Wachstum von 0.9 % dämpfte die Freude der Anleger. 2009 kollabierte die Lage dann, mit -3.8 % brach die Wirtschaft ein. In den folgenden Jahren war keine Besserung in Sicht. 2012 hiess es, dass die Jugendarbeitslosigkeit fast 40 % erreicht hatte. Ein unfassbarer Wert, welcher Spanien nachhaltig geschadet haben dürfte.

Gründe für die Krise

Spanien machte, wie die „Kollegen“ aus Griechenland, Portugal oder Irland, vor allem den Bau- und Bankensektor für die Krise verantwortlich. 2011 schien es bereits so, als würden sich Spaniens Finanzen wieder erholen, was jedoch im Nachhinein eine Fehlannahme war. Das Land musste unter den inzwischen berühmten Rettungsschirm EFSF genommen werden, 41.5 Milliarden Euro lieh sich Spanien in dieser Zeit. Zugesichert waren gar 100 Milliarden Euro, welche jedoch nicht vollständig ausgeschöpft wurden. Grund zur Hoffnung gibt es dennoch: Am 23. Januar 2014 hatte sich die Wirtschaftslage so stabilisiert, dass die Teilnahme am EFSF-Programm unnötig wurde. Spanien verliess den Rettungsschirm – aber ist das allein genug für eine langfristige Rettung?


Reccession. (Bild: VanderWolf Images / shutterstock.com)


Arbeitslosigkeit in Spanien – und die langfristigen Folgen

Im Februar 2014 geschah ein kleines Wunder, denn die Arbeitslosenquote ging um – zugegebenermassen kaum messbare – 0.04 % zurück. Dies markiert den ersten Monat seit Ausbruch der Krise im Jahr 2007 mit einer rückläufigen Arbeitslosenzahl. Überhaupt profitiert die gesamte EU-Zone von einer deutlich entspannten Wirtschaftslage: Viele Länder verzeichnen inzwischen ein Wachstum, für 2015 wird ein Anstieg des BIP von 1,7 % in der gesamten Euro-Zone erwartet.

Wunder über Nacht gibt es aber auch in Spanien nicht: Dieses Jahr wird die Arbeitslosenquote ungefähr 25.5 % betragen, im nächsten Jahr sollen es immerhin nur noch 24.6 % sein. Was wie Besserung klingt, ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein: Im gesamten Rest der EU liegt die Quote nur halb so hoch. Spanien ist in dieser Disziplin also – leider – unangefochtener Führer. Da es auch in der Wirtschaft keine Wunder gibt, wird sich das Land wohl auch bis 2020 nicht komplett von den Auswirkungen von 2008 erholen.

Das Leben auf der Strasse

Ein Beispiel aus dem aktuellen SPIEGEL-Nachrichtenmagazin zeigt, wie sich diese theoretischen Zahlen aus der Finanzwirtschaft im realen Leben auswirken: In Madrids Stadtteil Tetuan – ein typisches Arbeiterviertel einer sonst schillernden Metropole – konnte man nie von einem aussergewöhnlich hohen Einkommen pro Kopf sprechen, aber genügend Geld für Essen, Alltagsgegenstände und Kleidung war vorhanden. Inzwischen ergeht es vielen Bewohnern von Tetuan so wie Señor Mnissar, der zusammen mit 30 anderen Familien eine Suppenküche für Bedürftige eingerichtet hat. Seinen Job als Mechaniker hat er verloren, weil sein Arbeitgeber ihn nicht mehr bezahlen konnte. Als seine Frau ebenfalls ihrem Beruf als Altenpflegerin nicht mehr nachgehen konnte, verloren sie ihre Wohnung. Mnissars Eltern bieten dem Paar seitdem einen Unterschlupf – für sieben Personen in einer Wohnung mit zwei Zimmern. Das zubereitete Essen stammt häufig aus Spenden, Raum für Luxusgüter besteht nicht.

Wie konnte es soweit kommen?

Die folgenden Beispiele zeigen, warum dieses Problem internationale Relevanz hat und nicht auf Spanien eingegrenzt werden kann: Ein Konjunkturpaket namens Plan E führte zunächst zu einer Finanzkrise in Spanien. Abwrackprämien wurden eingeführt, Gelder für Forschung und Umweltschutz wurden bereitgestellt, höhere Defizite wurden einzelnen Behörden erlaubt.

Was zunächst wie eine Stabilisierung der Wirtschaft aussah, führte nach 2009 zu einer Rekordneuverschuldung von 11,2 % des Bruttoinlandsprodukts. Die Staatsausgaben konnten nicht mehr gebremst werden, inzwischen beträgt die Staatsverschuldung pro Jahr fast 70 % des BIP. Eine Immobilienkrise führte weiterhin zum Verfall der Werte von Objekten: 2012 besassen Häuser und andere Gebäude nur noch ein Drittel ihres Wertes von 2008. Zwangsversteigerungen waren die Folge. 2013 führte dies ausserdem zur Insolvenz des grössten Immobilienunternehmens in ganz Spanien.

Warum Spanien auch der Rest von Europa ist

Diese Beispiele tragen keine iberische Handschrift: Immobilien-, Finanz- und Sparkassenprobleme können auch in anderen Ländern auftreten – und schliesslich ist genau das auch passiert. Auch in als stabil geltenden Ländern wie Deutschland mussten Banken mit Milliardenzuwendungen gerettet werden. Spanien gilt in diesem Artikel daher praktisch als Referenz und mahnendes Beispiel, denn dieselben Schwierigkeiten können problemlos in jedem anderen Land der EU-Zone auftreten. Gefühlte Sicherheit wäre in jedem Fall fehl am Platze – auch wenn Spanien nicht mehr auf Hilfe von anderen Ländern angewiesen ist. Denn die nächste Krise kommt bestimmt…

 

Oberstes Bild: © VojtechVlk – shutterstock.com

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});