Vorfahrt für Intensivkooperationen: Hochschul-Sponsoring im Kanton Luzern
VON Birgit Brüggehofe Allgemein Organisation
Ein Beispiel ist das Grossunternehmen Emmi, das mit der Fakultät für Wirtschaft an der Hochschule Luzern (HSLU) einen Jahrgangs-Sponsoring-Vertrag besiegelte. Emmi, das sich seinen Studierenden in den kommenden drei Jahren umfassend vorstellt, hofft, auf diese Weise passende Mitarbeiter wie qualifizierte Wirtschaftsinformatiker zu rekrutieren. Bis zu 25’000 Franken jährlich lässt sich das Unternehmen diesen Exklusivkontakt kosten.
Dafür erhält Emmi Gelegenheit, sich auf Plattformen und zu Anlässen – etwa bei Exkursionen, Kontaktgesprächen oder Referaten – bevorzugt zu präsentieren und sich die Bewerbungsprofile Studierender im Hochschulnetzwerk anzusehen. Studierenden, die damit einverstanden sind, wünscht Emmi Erfolg bei den Prüfungen und gratuliert persönlich bei Bestehen, Preise für die besten Diplomarbeiten eines Jahrgangs inklusive.
Nicht nur der Milchkonzern geht auf intensive Tuchfühlung mit dem Pool zukünftiger Fachkräfte: Karriereplattformen und Kooperationen wie diese erfreuen sich bei Unternehmen wachsender Beliebtheit. Dieses spezielle Modell existiert allerdings bislang nur am Departement Wirtschaft der Luzerner Hochschule. UBS und Credit Suisse waren schon dabei, und aktuell ist die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers (PWC) mit im Boot, um den Jahrgang 2011 zu betreuen. PWC, das sich in einem Mentoring-Programm engagiert und auf Anfrage Fachreferenten zur Verfügung stellt, freut sich, bereits Absolventen gefunden zu haben, die zur Unternehmenskultur passen.
Primius & Co.: Zugang zu den Besten
Überall mit dabei sein, das ist es, wovon diese Unternehmen profitieren. Pius Muff, Ausbildungsleiter der HSLU im Fachbereich Wirtschaft, ist von dem Konzept überzeugt. Wo Partnerunternehmen die besten Kräfte für sich gewinnen möchten, intensivieren Kooperationen die Praxisnähe. Doch abhängig von Sponsoren will man nicht sein, so Muff, ein Verzicht auf diese Mittel träfe die Qualität der Lehre keinesfalls im Kern. Sponsor PriceWaterhouseCoopers ist auch beim unter Schweizer Rechtsfakultäten einzigartigen Projekt Primius der Universität Luzern dabei, das Geldgebern gezielten Zugang zu angehenden Juristen gibt. Primius fördert Bachelor-, Master- und Doktoratsstudierende auf ihrem Weg in Top-Positionen von Wirtschaft, Justiz, Wissenschaft und Verwaltung. Auch drei Anwaltskanzleien sowie die Helvetia Versicherungen zählen zu den Sponsoren. In welcher Höhe? Das verrät die Universität nicht. Aber nur, wer einen ausgezeichneten Notendurchschnitt vorweisen kann, darf an speziellen Unternehmensseminaren in den Bereichen Management oder Kommunikation teilnehmen – und praxisorientierte Angebote wahrnehmen, die soziale und kulturelle Kompetenzen stärken sollen.
Kooperieren: Von Industrieprojekt bis Bistumsbesuch
Wo bestimmte Studienrichtungen Praktika vorschreiben, wird der Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern beim Hineinschnuppern in den Arbeitsalltag ebenfalls gepflegt. Gewusst? Studierende der Theologie sind als Praktikanten besonders begehrt – die Zahl der offenen Stellen übersteigt das Bewerberangebot. So lädt das Bistum Basel dazu ein, die Bistumsleitung näher kennen zu lernen. Ein weiteres Kontaktinstrument stellen Industrieprojekte dar: Am Departement Technik und Architektur (HTA) der Hochschule Luzern gehen durch Unternehmen pro Student und Abschlussarbeit 1000 Franken an die Hochschule, weiss René Hüsler, Direktor HTA.
Projektarbeiten, die in Auftrag gegeben wurden, dauern gute drei Monate und umfassen 180 Stunden pro Studierendem. CKW, die Centralschweizerische Kraftwerke AG, wirbt Arbeitskräfte direkt an, indem sie an der HTA eine Assistenzstelle einrichtet, die für einen frischgebackenen Elektroingenieur zur Verfügung steht. Dazu veranstaltet die HTA gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz ein so genanntes Career-Speed-Dating. Bei den jährlichen Kontaktgesprächen der HSLU sind immer gut 90 Betriebe dabei. Und was halten die Studierenden davon? Einige empfinden das werbliche Auftreten der Firmen als aufdringlich, doch die Mehrzahl ist dafür – schliesslich könne jeder wählen, welche Angebote er nutze.
Neue Wege: Studieren dank Fremdkapital
Starke Steuersenkungen der letzten Jahre machten Luzern zum Kanton mit den geringsten Unternehmenssteuern. Dennoch sind die Einnahmen für den Staat nicht gestiegen – mit direkten Folgen für die Bildungspolitik, so Bildungsdirektor Reto Wyss (CVP) im Sommer 2013. Deshalb erhalten im Zentralschweizer Kanton jetzt auch Privatleute die Gelegenheit, in die Bildung von Studenten zu investieren. Sind diese einmal in Lohn und Brot, partizipieren ihre Investoren am Gehalt.
Der Luzerner Kantonsrat verabschiedete im September 2013 das neue Stipendiengesetz, das die Vergabe von Studentendarlehen an Private auslagert. Denn Luzern wird ab dem 1. April 2014 mit Studienaktie.org zusammenarbeiten, ein 2006 von Winterthur gestarteter Verein, der Ausbildungswillige und Privatinvestoren zusammenbringt. Alles begann 2001 mit der Lars-Stein-Privataktie. Der Gründer und geborene Saarländer Stein generierte auf diese Weise 30’000 Franken an Sponsorenmitteln für sein HSG-Studium in St. Gallen. Als die Schweizer Bankenaufsicht nachfragte, ob all dies legal sei, räumte Stein ein, dass es sich streng genommen nicht um eine Aktie, sondern ein Darlehen mit Erfolgsbeteiligung handelte. Der Sponsor partizipiert am künftigen Gehalt, bei einer Zielrendite um 5 Prozent pro Jahr und mehr. Ein Vertrag zwischen Student und Investor legt fest, wie viel Geld fliesst und wann dies zu welchem Zinssatz zurück zu zahlen ist. Dabei bekommt der Investor wenigstens heraus, was zuvor investiert wurde.
Studienaktie.org: Bildung für alle
Der gemeinnützige Verein studienaktie.org mit Sitz in St. Gallen möchte Bildungsprojekte aller Art für Menschen jeden Alters und Hintergrunds realisieren helfen. Trotzdem kann nicht jeder dabei sein: Studenten müssen Einnahmen und Ausgaben durchkalkulieren und genaue Zielvorstellungen formulieren. 800 Interessenten sollen Studienaktie.org pro Jahr zugeführt werden. Und das funktioniert so: Nach Anheben der Einkommensgrenze müssen sich Studenten, deren Eltern darüberliegen, an Studienaktie.org halten, falls diese die finanzielle Unterstützung verweigern. Von 4000 Stipendiumsanwärtern betrifft dies 800, wovon 100 bis 200 mit Unterstützung rechnen können, so Bildungsdirektor Reto Wyss.
Weil die Zahl der Stipendien reduziert wurde, erhöht sich das Stipendium für den Einzelnen von im Schnitt 5300 Franken auf 6700 Franken pro Jahr. Im Kantonsrat stimmten allerdings SP und Grüne wie Kantonsrätin Monique Frey gegen das Konzept: Warum man trotz des Booms am Hochschulstandort Luzern den jährlichen Stipendienbetrag von 10,5 Millionen nicht erhöht habe? Die Frage ist falsch gestellt und müsste vielmehr lauten, wem der Hochschulstandort einen Grossteil dieses Booms verdankt – vielleicht der innovativen Strategie, mit engagierten Unternehmen auf konstruktive Tuchfühlung zu gehen.
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