Haben Sie das Zeug zum Social Entrepreneur?
VON Caroline Brunner Allgemein Selbstmanagement
1. Anpassungsfähigkeit
Auch soziale Unternehmer können radikale neue Ideen haben. Sie sollten aber nicht vergessen, dass sie diese nicht (nur) den herkömmlichen Mechanismen einer freien Wirtschaft unterwerfen, in der für ihre Produkte oder Dienstleitungen ein in Umsatz wandelbarer Bedarf vorhanden ist. Stattdessen finden die meisten jungen Social Entrepreneure sich komplexen, nach eigenen Regeln spielenden Sozialsystemen und existierenden NGOs gegenüber – ob es sich dabei um stattliche oder supranationale Entwicklungshilfe, straff und hierarchisch organisierte oder spontan entstehende Menschen- und Bürgerrechtsinitiativen, ein Gesundheitswesen, Bildungseinrichtungen oder Umweltschutzprogrammen handelt.
Diese funktionieren (glücklicherweise) nach anderen Gesetzen als die Marktwirtschaft. Ihre Strukturen sind seltener verhandelbar oder beeinflussbarer als die Mechanismen einer auf Konsum aufbauenden Nachfragematrix. Soziale Unternehmer müssen anpassungsfähig und diplomatisch genug sein, seine Idee um innerhalb und durch diese bestehenden Strukturen zu realisieren. Natürlich mögen diese allen rationalen Kriterien nach dringend reformbedürftig sein (Stichwort: staatliche Entwicklungshilfe); aber bei Gründung müssen Sie als sozialer Unternehmer in der Lage sein, zunächst den Status-Quo zu navigieren, bevor Sie zur Revolution ansetzen.
2. Geduld
Sie müssen Geduld mit bürokratischen und hierarchischen Strukturen mitbringen und eine hohe Frustrationstoleranz hinsichtlich der Dauer von Entscheidungsfindungsprozessen aufbauen. Zwischen Ihnen und die Empfängern Ihrer Produkte oder Services stehen oft mehrfache Instanzen, deren Sympathie es zu gewinnen gilt und die nach anderen Kriterien funktionieren als gewinnorientierte Unternehmen. Die Wege durch diese Systeme sind oft gewunden und können ergebnisorientierte, junge Unternehmer in den Wahnsinn treiben. Sie müssen das gewachsene Tempo in Organisationen und Institutionen aushalten können, denn es wird die Schnelligkeit Ihres „Markteintritts“ zum grossen Teil mitbestimmen, vor allem, wenn dieser Markt sich in Schwellenländern befindet. Das ist die eine Seite der Medaille „Geduld“.
Die zweite betrifft das Tempo des Wandels, den Sie mit Ihrer Idee herbeizuführen versuchen. Dies müssen Sie immer im Blick behalten: Ihr ultimatives soziales Unternehmensziel ist gesellschaftliche Veränderung, nicht individueller Konsum (auch wenn Ihre Geschäftsidee bedingt, dass Sie letzteren zum Schlüssel für ersteres machen). Diese brauchen vor allem eins: sehr viel Zeit. Das müssen Sie nicht nur in ihrem Businessplan und in Ihrer Liquiditätsplanung berücksichtigen, sondern vor allem erst einmal mental aushalten können.
3. Resilienz
Jedes Start Up kann scheitern, auch ein soziales. Die Gründe hierfür können sich allerdings deutlich von denen am freien Markt unterscheiden unterscheiden: Soziale Unternehmer können betriebswirtschaftlich alles richtig machen, eine offensichtlich dringend benötigtes Portfolio für einen vorhandenen Markt entwickelt haben und dennoch zum Aufgeben gezwungen sein – weil dem Programm, in das Service oder Produkt eingebettet waren, Funding oder Genehmigungen entzogen werden; weil die notwendigen staatlichen Zulassungen nicht erteilt werden; weil der Gegenwind aus der Kommune zu gross ist; weil bereits zugesagte Investitionen nicht mehr fliessen können; weil ein Bürgerkrieg oder eine weitere Umweltkatastrophe ausbrechen, die unmittelbare Massnahmen nötiger machen als langfristige; und, und, und.
Soziale Unternehmer brauchen die mentale Resilienz, um mit diesen externen Störungen umgehen zu können und sich immer und immer wieder neu aufzustellen. Es kann frustrierend sein, dermassen von Faktoren abzuhängen, die völlig ausserhalb des eigenen Einflussbereiches liegen. Die entsprechende Frustrationstoleranz ist überlebensnotwendig. Als sozialer Entrepreneur dürfen Sie Ihre Leidenschaft, Ihre Kreativität und Ihren Aktionismus nur bedingt von unmittelbar spürbaren Veränderungen oder Erfolgen abhängig machen.
4. Teamfähigkeit
Als sozialer Unternehmer dürfen Sie kein Einzelkämpfer sein. Sie müssen die Idee eines Kompetenzteams mit offenen Armen begrüssen. In diesem Umfeld ist jeder ein Partner. Ob Investoren, Angestellte, Mitgründer, Aufsichtsräte: Es geht um eine gemeinsame Sache. Diese kann nur in einer offenen, von Kommunikationsbereitschaft geprägten Atmosphäre entwickelt und umgesetzt werden. Es liegt in Ihrer Verantwortung, die Dialogkultur in Ihrem Social Start-Up von Anfang an zu stimulieren und offen zu halten. Bilden Sie sich in den entsprechenden Ansätzen weiter – ein Workshop etwa in Gewaltfreier Kommunikation kann Wunder bewirken.
Sind Sie bereits, Ihr eigenes Kompetenzspektrum rückhaltlos zu überprüfen und auf Schwachstellen zu scannen? Denn basierend auf diesen müssen Sie Ihre Teammitglieder zusammenstellen, die Sie kompensieren können. Wenn Sie ein Visionär sind, der sich ungern in bürokratischen Einzelheiten verliert, brauchen Sie einen detailverliebten, akribischen Partner – selbst wenn dieser nicht alle Ihrer Utopien teilt. Wenn Sie gut darin sind, Projekte anzustossen, aber in den Finalisierungsphasen häufig die Geduld verlieren, brauchen Sie Menschen, die mit gleichbleibender Energie lose Fäden zusammenziehen können.
Sie müssen Ihrem Team vertrauen können. Hierfür ist es elementar, dessen Motivationen kennenzulernen – mehr noch als in herkömmlichen Start-ups. Ihre Mitarbeiter müssen gleichzeitig idealistisch und realistisch sein, altruistisch ausgerichtet, ohne von einem selbstzerstörerischen Helfersyndrom bestimmt zu werden. Und sie müssen fast alle der in diesem Artikel angesprochenen Eigenschaften ebenfalls bis zu einem gewissen Grad mitbringen. Dies unterscheidet sie von anderen Arbeitnehmern, die selten das Qualifikationsprofil ihrer Arbeitgeber spiegeln müssen. Das Resultat ist allerdings meist auch, dass Sie von Menschen mit einem ausgeprägten Gestaltungswillen umgeben sein werden, die spürbar Einfluss auf Ihr Projekt nehmen möchten. Bleiben Sie hierfür unbedingt offen, auch wenn sich dadurch die Architektur Ihrer originären Ideen verändern sollte.
Oberstes Bild: Haben Sie das Zeug zum Social Entrepreneur? (Bild: © Mikalu – Fotolia.com)