Was macht ein Bild viral? Die neuesten Studienerkenntnisse
Von Juni 2011 bis Juni 2012 haben Marco Guerini und sein Team von Trento RISE die Eigenschaften von Bildern, die bei Google+ viral verbreitet wurden, analysiert. Die Durchsicht von fast 300’000 öffentlichen Beiträgen der Top-1000 meistgefolgten Google+-Nutzer hat Bekanntes, aber auch Erstaunliches ans Tageslicht gebracht.
Der Begriff „viral“ stammt eigentlich aus der Medizin und meint „Viren betreffend“. Der Vergleich mit digitalen Bildern ist tatsächlich gar nicht so abwegig, denn auch Viren sind – entgegen der verbreiteten Laienmeinung – keine Lebewesen. Sie sind für ihre Verbreitung an lebende Zellen gebunden, die sie quasi „missbrauchen“, um sich selbst zu reproduzieren. Und darum geht es ja: um verbreitende Reproduktion, welche bei Bildern eben über die digitale Kopierfunktion geht. Auch Bilder benötigen dabei freilich, wie Viren auch, eine entsprechend strukturierte Umgebung, um sich verbreiten zu können. Diese Erkenntnis ist allerdings älter als die italienische Studie.
Konnektivität: Voraussetzung Nr. 1 für virale Verbreitung
Entscheidend für die Viralität von Inhalten – egal welcher Art – ist die sogenannte Konnektivität des Netzes. Bildhaft kann man sich das so vorstellen: Die Konnektivität eines Waldes ist umso höher, je dichter die Bäume beieinander stehen. Dementsprechend wird sich Feuer in einem Wald mit höherer Konnektivität schneller ausbreiten. Dabei kommt es nicht auf die Grösse der Feuerquelle an (eine Zigarette reicht, wie die Erfahrung zeigt, bereits aus), sondern eben allein auf die Konnektivität. In die Sprache sozialer Netzwerke übersetzt bedeutet das vor allem, dass die Viralität eines Inhalts von der Anzahl der sich online befindlichen Nutzer abhängt. Da Inhalte im Newsfeed eines stark frequentierten sozialen Netzwerks wie Facebook oder Google+ schnell durchgereicht werden, empfiehlt es sich, die Tageszeit der Veröffentlichung genau abzustimmen.
Neben der Konnektivität spielt selbstverständlich auch die Emotionalität des Inhalts eine grosse Rolle. Je gefühlsbeladener ein Beitrag ist, desto stärker wird mit ihm interagiert, was in allen sozialen Netzwerken mit einem entsprechenden Ranking belohnt wird.
Spezielle Charakteristiken viraler Bilder
Guerini und sein Team haben sich auf Bilder konzentriert. Sie untersuchten dabei 175’000 statische und 13’000 animierte Bilder sowie circa 100’000 Textbeiträge. Die Ergebnisse wurden in drei Kategorien aufgeteilt: „Reshared“, „Plused“ und „Replies“ – also wie oft die Bilder jeweils geteilt, ge“liked“ und kommentiert wurden.
Eine erste, wenig überraschende Erkenntnis ist, dass Nachrichten mit Bildern potenziell mehr Interaktionen als reine Textbeiträge hervorrufen. Updates, die ein Bild enthalten, wurden laut der Studie durchschnittlich über 75 Mal ge“plust“ (Googles Pendant zum Facebook-Button „Gefällt mir“), reine Text-Updates lagen klar darunter. Als Erklärung führen die Italiener an: „Bilder können im Newsfeed leichter wahrgenommen werden als Textnachrichten.“ Was jeder aus eigener Erfahrung schon wusste, ist nun mit statistisch relevanten Zahlen unterfüttert.
Spannender ist die Frage, ob es signifikante Unterschiede zwischen statischen und animierten Bildern gibt. Tatsächlich werden letztere öfter geteilt, während erstere häufiger geplust und kommentiert werden. Völlig überraschend ist das Ergebnis in Bezug auf die Formate der Bilder. Vertikale Bilder, also im Hochformat, wiesen eine höhere Viralität bei Likes und Kommentaren auf als Querformat-Bilder mit horizontaler Achse. Als Erklärung bietet das Forscherteam an, dass auf hochformatigen Bildern häufiger Porträts von bekannten Personen zusehen sind. Querformatige Bilder hingegen werden öfter geteilt, weil, so vermuten Guerini & Co., solche Darstellungen eher als repräsentativ für die eigene Person gelten denn Porträts von Celebrities.
Was macht es aus, ob ein Bild schwarz-weiss oder farbig ist? Hier haben die Forscher Folgendes herausgefunden: Farbbilder haben eine bedeutend höhere Viralität in Bezug auf „Gefällt mir“-Klicks und Kommentare, wohingegen die Farbsättigung keine Rolle bei der Häufigkeit des Geteilt-Werdens spielt.
Auch der Bildhelligkeit haben sich die Forscher gewidmet. Ergebnis: Hellere Bilder werden seltener geplust und kommentiert, dafür aber öfter geteilt. Dabei fanden Guerini et al. heraus, dass die als hell eingestuften Bilder meist cartoon-ähnlich waren. Möglicherweise handelt es sich dabei um Darstellungen, die bereits Text enthalten sowie eher humoristisch ausgelegt sind. Deswegen eignen sie sich mehr zum Teilen, wohingegen natürliche Aufnahmen mit eher geringer Bildhelligkeit Wertschätzung und Äusserungsbereitschaft hervorrufen.
Die gesamten Ergebnisse der Studie finden Sie hier als PDF. Auch wenn die Resultate sicher nicht als abschliessend anzusehen sind, öffnen sie doch die Tür für ein neues Forschungsfeld, das auch für Unternehmen interessant ist – denn Social Media Marketing ist stark im Kommen.
Oberstes Bild: © Jürgen Priewe – Fotolia.com