Hilfe! Meine Mitarbeiter rauben mir den letzten Nerv!

Die Arbeit wäre so angenehm, wenn nur  die Mitarbeiter nicht wären! Ständig haben oder machen sie Probleme: fachlicher, sozialer oder menschlicher Art.

Was das kostet! Vor allem an Energie und Nerven des Vorgesetzten. Muss das sein?

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Nein, muss es nicht. Betrachten wir ein Beispiel, wie es auch an diesem Arbeitstag weltweit millionenfach vorkommt: Sie arbeiten in aller Ruhe den Stapel auf dem Schreibtisch ab, den Berg E-Mails, die Sonderwünsche Ihres Vorgesetzten – da klopft es an der Bürotür. Frau Meier hat eine fachliche Frage, auf die sie eigentlich längst eine Antwort wissen müsste – Sie antworten ihr trotzdem. Dann hat Herr Müller Ärger mit einem Lieferanten, den er gut und gerne alleine beilegen könnte – Sie machen das trotzdem für ihn. Und danach zofft sich Projektteam X mal wieder, anstatt den lange fälligen Meilenstein abzunehmen. Für alles sind Sie zuständig, um alles kümmern Sie sich – aber das ist doch alles völlig unnötig! Kriegen die Leute das nicht eigenständig hin?

Können die sich nicht von alleine vertragen? Müssen die eigentlich jeden Blödsinn bei Ihnen abladen? Das hält Sie doch nur von der eigentlichen Arbeit ab, raubt Energie und geht jedem Vorgesetzten an die Substanz. Wenn er das mit sich machen lässt. Das ist der springende Punkt.

It takes two to tango. Es gehören immer zwei dazu. Viele Führungskräfte haben das inzwischen erkannt – und wehren sich. Etliche machen einfach die Tür hinter sich zu: „Bitte nicht stören!“ Andere werden schroff: „Das ist Ihr Problem – lösen Sie es gefälligst! Dafür werden Sie bezahlt! Lassen Sie mich mit sowas bloss in Ruhe!“ Funktioniert das? Und wie! Die Frage ist nur: zu welchen Kosten?

Die Kosten werden spätestens beim nächsten 360°-Feedback (falls vorhanden) präsentiert. Ich zitiere aus einem solchen: „Unser Chef ist fachlich kompetent – aber menschlich kalt. Für unsere Probleme interessiert der sich einen Dreck.“ Es juckt Sie nicht, dass Mitarbeiter Sie für einen arroganten A… halten? Dann wären Sie nicht hier. Kein Mensch, erst recht kein Vorgesetzter, will als Sklaventreiber, hartherzig und unmenschlich wahrgenommen werden. Warum wird man das unweigerlich?

Weil man kein Problem allein ablehnen kann. Man lehnt damit immer auch den Frust, den Ärger, die Sorgen und Nöte der Menschen ab, deren Problem man ablehnt. Das ist der ultimative Beziehungskiller. Man kann die Meinung oder den Geschmack eines Menschen ablehnen – über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Wenn meinem Boss mein neues Karo-Hemd nicht gefällt, irritiert mich das schon – aber ich kann das verschmerzen. Niemand kann es jedoch verschmerzen, wenn der Boss ihm sagt: „Dein Ärger, deine Wut, dein Frust gehen mich nichts an.“ Das ist tödlich für jede Kommunikation und einer der häufigsten (nicht erkannten) Scheidungsgründe. An dieser Stelle im Executive Coaching toben viele Vorgesetzte los: „Sind Sie verrückt? Jetzt soll ich auch noch für die Gefühle meiner Mitarbeiter zuständig sein! Soll ich mich etwa absichtlich davon frusten lassen?“ Die irritierende Antwort darauf lautet: Ja.


Die Arbeit wäre so angenehm, wenn nur die Mitarbeiter nicht wären! (Bild: © auremar – shutterstock.com)

Denn genau das ist das Problem: Wer Frust ablehnt, kriegt mehr davon. Wenn ich ein Bier ablehne, kriege ich keines. Lehne ich jedoch eine Emotion ab, dann mache ich sie damit stärker. Erstens beim Mitarbeiter, dessen Gefühle ich ablehne. Und zweitens bei mir. Der Vorgesetzte, der seinem problem- und gefühlsbeladenen Mitarbeiter die Tür weist, ist danach ja nicht froh und produktiv. Im Gegenteil! Ständig frisst es an ihm: „Die sollen mich gefälligst in Ruhe lassen mit sowas! Was die heute wieder nerven! Immer soll ich alles richten! Und sobald ich mal dankend ablehne, ziehen die hinter meinem Rücken über mich her!“ Das heisst: Den Frust, dem er eigentlich die Tür weisen wollte, hat er jetzt trotzdem. In der Aussenwelt gilt: Was du abwehrst, wirst du los. In der Innenwelt gilt: Was du abwehrst, machst du stärker. Das ist das Problem. Und die Lösung: Annehmen statt abwehren.

Das ist nicht neu. Die Lehre von der achtsamen Annahme gerade auch der lästigen Dinge im Leben gibt es seit 4.000 Jahren. Ihre neueren Ausformungen wie Mindfulness-Based Training oder das Stressimmun-Konzept sind auch schon etliche Jahre praxiserprobt: Nur was man annimmt, kann man verändern. Aber bitte nicht so: „Ich bin stinkwütend! Ich bin sowas von frustriert von meinen Mitarbeitern!“ Das ist keine Akzeptanz – das ist Identifikation. Ich versinke in dem, was ich eigentlich achtsam annehmen sollte. Ein Riesenunterschied, den Sie mit einem kleinen semantischen Trick erreichen. Sagen Sie nicht: „Ich bin so wütend über meine denkfaulen Mitarbeiter!“ Sagen Sie ganz neutral: „Da ist Wut.“ Passt der Satz nicht für Sie?

Wie wäre es dann mit: „Ich spüre Frust hochsteigen.“ Oder: „Etwas in mir ist zornig.“ Es kommt bei der achtsamen Akzeptanz tatsächlich auf die exakte Formulierung an. Wobei exakt bedeutet: Passt Ihnen voll und ganz. Welche passt? Und haben Sie es bemerkt? Sobald eine Formulierung passt, passiert etwas Wunderbares: Die Energie ist wieder da! Weil Sie zu dem, was Ihnen Energie raubt, einen gewissen Abstand geschaffen haben, indem Sie es akzeptiert haben. Das ist paradox, aber damit sind Sie wieder Chef im Ring. Das ist ein einfacher Trick.



Einziger Haken daran: Keiner, der ihn versteht, hat ihn je erfolgreich angewandt. Das gilt übrigens auch fürs Tennisspielen: Verständnis nützt nichts. Nur wer trainiert, schafft diesen Trick. Deshalb trainieren Topmanager, Troubleshooter und Chef-Verhandler diesen Trick im Executive Coaching oder Do-it-yourself sehr intensiv: Anerkennen statt Ablehnen. Die trainieren deshalb so intensiv, weil dieser einfache Trick den Unterschied macht zwischen frustriert, energieberaubt und kraftlos einerseits und energiegeladen, kraftvoll und immer gut drauf andererseits. Was fühlen Sie gerade in sich aufsteigen? Ganz gleich, was es ist: Wenn Sie es spüren (wollen und bald automatisch können), dann bleiben Sie in Ihrer Energie und in Ihrer Mitte. Dafür lohnt sich doch das Training.

 

Oberstes Bild: © CREATISTA – shutterstock.com

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Mehr zu Matthias Wölkner

Matthias Wölkner macht Manager, Unternehmer, Führungskräfte und ihre Mitarbeiter sozusagen „Olympia-fit“, indem er sie in die Kunst der Gelassenheit und Souveränität einweist. Früher selber Topmanager auf Geschäftsführungsebene ist er heute der Coach, der den Menschen und Organisationen hilft, Dauerhöchstleistung zu bringen, ohne vor die Wand zu fahren.

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