Die Immobilienwirtschaft ist das helvetische Zugpferd

Die Uhren- und Luxusgüterindustrie in der Schweiz gilt als ungemein wichtiger Wirtschaftsfaktor; eidgenössische Firmen wie Richemont oder die Swatch Group spielen längst erfolgreich auf internationalem Parkett. Oder die Maschinenindustrie mit ihrem Zugpferd ABB, die Pharmaindustrie mit den renommierten Unternehmen Roche und Novartis und natürlich die Nahrungsmittelindustrie, in der weltweit bekannte Unternehmen wie zum Beispiel Lindt & Sprüngli (Schweizer Schokolade), Nestlé oder Givaudan tätig sind.

Aber: Alleine fast 20 % der gesamten Schweizer Wirtschaftsleistung werden von der Immobilienbranche erbracht, wie eine Studie der Bundesämter für Wohnungswesen und Raumentwicklung sowie des Hauseigentümerverbandes eindeutig beweist. Und das, obwohl diese Branche in der Vergangenheit die eine oder andere Krise meistern musste. Kürzlich war noch die Rede von Häusercrash und Immobilienblase. Heute sind die Planung, der Bau, die Bewirtschaftung und letztendlich die Unterhaltung von Gebäuden ein überaus bedeutender Wirtschaftszweig in der Alpenrepublik.

Die neu definierte Immobilienwirtschaft tritt an die Stelle der klassischen Immobilienbranche

Anfang Oktober wurden die neuesten Zahlen aus der besagten Studie präsentiert. Demnach bot die Immobilienwirtschaft bereits im Jahr 2011 rund 530’000 Vollzeitstellen. Zudem erwirtschaftete sie eine Bruttowertschöpfung von insgesamt 99 Milliarden Franken und liess über 12 Milliarden Franken an Steuern in die Staatskasse purzeln. Das sind nahezu phänomenale Ergebnisse. Weder die hochgelobte Uhrenindustrie noch die eidgenössischen Lebensmittelgiganten oder anderweitige Einzelbranchen erzielten in den letzten Jahren ein derart grosses Gewicht wie die Immobilienwirtschaft. Dabei darf quasi als Zugabe auch nicht vergessen werden, dass die Branche auch im Hinblick auf die Zahl der Arbeitgeber sowie der Steuerzahler mit Anteilen von 14 bzw. 10 % Massstäbe setzt.

Diese Zahlen fallen auch deshalb so hoch aus, da im Immobiliensektor zusammenhängende Arbeiten respektive Tätigkeiten sowie Wertschöpfungen gemeinhin addiert werden. Daher findet zum Beispiel die Arbeit der Bauanwälte und Bauämter bei einer entsprechenden Berechnung ebenso Berücksichtigung wie etwa die Mieten, der Kiesabbau oder auch die Zementherstellung. Gemäss der Berechnungen in der vorliegenden Studie macht dabei die gesamte Bauindustrie zuzüglich der jeweiligen Materialherstellung und der Mieten insgesamt 85 % der Wertschöpfung der Immobilienwirtschaft aus. Auch die Vermieter wollen mehr Profit generieren und die Mieten erhöhen; das Ende der Fahnenstange ist hier sicherlich noch nicht erreicht. Die klassische Immobilienbranche rund um die Verwaltung und Bewirtschaftung von Objekten kam im Berechnungszeitraum demgegenüber lediglich auf einen eher mässigen Anteil von 12 %.

Defizit der Immobilienwirtschaft: Wertschöpfung bzw. Arbeitsproduktivität stimmt nicht immer

Die Grösse dieses neu definierten Wirtschaftszweiges in der Schweiz ist also beeindruckend, aber genau in dieser Grösse schlummern auch entsprechende Defizite. So wird in der eidgenössischen Immobilienwirtschaft – im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt – weitaus weniger Wertschöpfung pro geleisteter Arbeitsstunde geschaffen. Fast 20 % liegt die Arbeitsproduktivität hier unterhalb derjenigen der Gesamtheit aller Wirtschaftsbranchen. Dabei haben die Studienautoren festgestellt, dass gerade der Hauswart, das Reinigungspersonal sowie die Bauhandwerker sich als weniger produktiv im Hinblick auf die Volkswirtschaft präsentieren; auch die Ingenieure und Architekten liegen hier nicht im Soll. Demgegenüber sorgten insbesondere die Mitarbeiter der Immobilienunternehmen, der öffentlichen Verwaltung und auch der Banken für einen überdurchschnittlichen Wertzuwachs.

Allerdings ist hier die Frage zu stellen, ob die vorliegenden Zahlen noch immer als aktuell anzusehen oder eher mit Skepsis zu betrachten sind. Schliesslich beziehen sich die Berechnungen in der lancierten Studie oftmals auf das Jahr 2011. Der Schweizerische Hauseigentümerverband (HEV), der seinen Hauptsitz in Zürich hat, sieht in diesem Umstand allerdings kein Problem. Ganz im Gegenteil, wie HEV-Präsident Hans Egloff nahezu euphorisch bei der Präsentation der Zahlen respektive der Studie anmerkte. Es gebe bislang keine umfassende und vor allem ganzheitliche Darstellung der Immobilienwirtschaft. Dank der Fakten in dieser Studie würden auch weiterhin zielorientierte politische Entscheidungen getroffen werden.


Die klassische Immobilienbranche gibt es in der Schweiz nicht mehr. Jetzt wird von der bedeutenden Immobilienwirtschaft gesprochen. (Bild: xtock / Shutterstock.com)
Die klassische Immobilienbranche gibt es in der Schweiz nicht mehr. Jetzt wird von der bedeutenden Immobilienwirtschaft gesprochen. (Bild: xtock / Shutterstock.com)


Allerdings ist hier die Frage zu stellen, ob die vorliegenden Zahlen noch immer als aktuell anzusehen oder eher mit Skepsis zu betrachten sind. Schliesslich beziehen sich die Berechnungen in der lancierten Studie oftmals auf das Jahr 2011. Der Schweizerische Hauseigentümerverband (HEV), der seinen Hauptsitz in Zürich hat, sieht in diesem Umstand allerdings kein Problem. Ganz im Gegenteil, wie HEV-Präsident Hans Egloff nahezu euphorisch bei der Präsentation der Zahlen respektive der Studie anmerkte. Es gebe bislang keine umfassende und vor allem ganzheitliche Darstellung der Immobilienwirtschaft. Dank der Fakten in dieser Studie würden auch weiterhin zielorientierte politische Entscheidungen getroffen werden.

Starke staatliche Eingriffe in die Immobilienwirtschaft können Investitionsfreude bremsen

Allerdings warnt der HEV-Präsident diesbezüglich auch vor zu starker staatlicher Regulation. Allzu prägnante Eingriffe in die verschiedenen Segmente der Immobilienwirtschaft könnten nämlich zu Überreaktionen von Unternehmern und vor allem von Investoren führen. Überreaktionen wiederum würden dann als Investitionsbremsen fungieren. Egloff zielte mit seinen Warnungen eindeutig auf aktuelle Projekte der Kantone und des Bundes ab. So ist es diesbezüglich ein offenes Geheimnis, dass der Bundesrat beispielsweise eine Limitierung des Vorbezugs von Pensionskassengeldern auf der Planungsagenda hat. Diese Einschränkung lehnt der Schweizerische Hauseigentümerverband aber strikt ab. Auch die geplanten Massnahmen der Bankiervereinigung in puncto Immobilienfinanzierung werden skeptisch bis kritisch beobachtet.

Jedenfalls belegen die vorgestellten Zahlen, dass die Immobilienwirtschaft zu einer tragenden Säule der Schweizer Ökonomie erwachsen ist. Dabei präsentieren sich gerade die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die weniger als 250 Mitarbeiter aufweisen, von ihrer besten Seite. Dies ist aber auch eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn Firmen dieser Grössenordnung haben in der eidgenössischen Wirtschaft prinzipiell eine durchaus entscheidende Bedeutung. Über 99 % aller Unternehmen zählen in der Schweiz zu den KMU; dabei stellen sie insgesamt zwei Drittel aller verfügbaren Arbeitsplätze. Kein Wunder, dass die KMU optimistisch in die Zukunft schauen.

 

Oberstes Bild: © Mmaxer – Shutterstock.com

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