Gazprom-Schmiergeldaffäre: BA vor Anklageerhebung

Dass Russland in der Weltöffentlichkeit spätestens seit der Zuspitzung der Ukraine-Krise nicht mehr das beste Image besitzt, liegt auf der Hand. Die offene Kritik vieler Staaten sowie auch die wirtschaftlichen Sanktionen der Europäischen Union und der USA sprechen diesbezüglich Bände. Auch die Schweiz geriet teilweise eminent in die Kritik, da sich die Alpenrepublik bekannterweise nicht vorbehaltlos an den sanktionierenden Massnahmen beteiligen wollte.

Das Thema Russland bleibt aber weiter aktuell. Nicht nur aus globaler Sicht und mit den Belangen der Weltwirtschaft im Hinterkopf. Jetzt ist quasi Lokalkolorit hinzugekommen. So bestätigte die Bundesanwaltschaft (BA), dass nunmehr ein Korruptionsverfahren geführt wird, das in einem engen Zusammenhang mit dem russischen Staatskonzern Gazprom steht. Dabei richtet sich das Verfahren gegen insgesamt zwei russischstämmige Personen sowie gegen einen aktiven und einen inzwischen pensionierten Gazprom-Manager.

Verdächtige sollen Schmiergeldsystem für Siemens, Alstom und ABB eingerichtet haben

Laut der entsprechenden Anklageschrift geht es dabei um Geldwäscherei, Urkundenfälschung, ungetreue Geschäftsbesorgung und Bestechung fremder Amtsträger. Läuft alles nach Zeitplan im Hinblick auf die abschliessenden Vorbereitungen der Anklageerhebung, will die in Bern ansässige BA noch bis Ende des Jahres 2014 den Prozess gegen die vier Verdächtigen eröffnen lassen. Als Hauptverdächtige stehen dabei die beiden russischstämmigen Personen im Fokus. Diese sollen für die drei Industrieunternehmen respektive -konzerne Siemens, Alstom und ABB ein umfassendes Schmiergeldsystem eingerichtet und dabei auch die mitangeklagten Gazprom-Manager mit mehreren Millionen Dollar bedacht haben.


Verdächtige sollen Schmiergeldsystem für Siemens, Alstom und ABB eingerichtet haben. (Bild: 360b / Shutterstock.com)
Verdächtige sollen Schmiergeldsystem für Siemens, Alstom und ABB eingerichtet haben. (Bild: 360b / Shutterstock.com)


Allerdings gilt bis zu einer etwaigen Verurteilung noch die Unschuldsvermutung für alle vier angeklagten Personen. Diesbezüglich haben sich die Verdächtigen auch schon mehrfach an das zuständige Bundesstrafgericht gewandt. Bisher sind diese Bemühungen aber vergeblich geblieben. Der eigentliche bzw. der mutmassliche Korruptionsfall liegt dabei weit zurück: Demnach sollen zwischen den Jahren 2004 und 2006 reichlich Schmiergelder geflossen sein, wobei ein Grossteil eben auf die privaten Konten der beiden verdächtigen Gazprom-Manager in der Schweiz gelandet ist. Auf die Spur dieses mutmasslichen Korruptionsfalls ist die BA im Zuge von Ermittlungen gegen eine schwedische Gesellschaft, die im Jahr 2003 vom bundesdeutschen Siemens-Konzern aufgekauft worden war und fortan als Siemens Industrial Turbomachinery (SIT) firmiert, gekommen.

Bestechungsgelder flossen auch bei Besitzwechsel der involvierten Firmen weiter

Dabei ging es in erster Linie um die Lieferung von Gasturbinen, die für den Bau einer russischen Pipeline benötigt wurden. Die BA untersuchte in diesem Zusammenhang den Vorwurf bzw. die Vermutung, dass bei dem von Gazprom initiierten Projekt Schmier- bzw. Bestechungsgelder seitens der SIT an hochrangige Führungskräfte eben des in Moskau ansässigen russischen Staatskonzerns Gazprom geflossen waren. Zur Erklärung: Der Bau der besagten Pipeline sollte eine Verbindung für den Gastransfer von den Gasfeldern auf der sibirischen Halbinsel Yamal zur Bundesrepublik Deutschland herstellen. Diese ursprünglichen Untersuchungen gegen die SIT und somit gegen Siemens wurden dann allerdings vor einer expliziten Anklageerhebung eingestellt, nachdem der Siemens-Konzern Fehler eingeräumt hatte. Entlastend kam hinzu, dass die SIT die aus dem Gasturbinen-Geschäft erzielten Gewinne in Höhe von insgesamt 10,6 Millionen Dollar in vollem Umfang ablieferte.

Interessanterweise ist bei den Untersuchungen zudem deutlich geworden, dass das eingerichtete Schmiergeldsystem jahrelang Bestand hatte und auch bei einem entsprechenden Besitzwechsel der späteren SIT die Gelder kontinuierlich weiter flossen. Der Hintergrund: Bevor sich Siemens die SIT einverleibte, war das Unternehmen Teil des schweizerisch-schwedischen ABB-Konzerns und anschliessend des französischen Alstom-Konzerns. Dabei sollen die von den Verdächtigen eingerichteten Korruptionsstrukturen auch nach den jeweiligen Besitzwechseln fortlaufend Bestand gehabt haben. Dies wirft natürlich weitere Fragen auf. Gerade die Rolle der russischen Gazprom steht hier eingehend auf dem Prüfstand. Zusätzliche Brisanz in diese Thematik kommt durch den Übernahmekampf, den sich Siemens mit General Electrics um das französische Premiumunternehmen Alstom geliefert hat.

Gazprom in der Kritik: Generierte Firmenstruktur soll Geldflüsse verbergen

Die Beteiligung Gazproms an diesem Korruptionsskandal ist dabei – gerade in Anbetracht der russischen Vorgehensweise in Bezug auf die Ukraine-Krise – vielen Zeitgenossen ein Dorn im Auge. Gerade das weltweit grösste Erdgasförderunternehmen Gazprom, das mit 110 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung zudem eines der schlagkräftigsten Unternehmen in Europa darstellt, hat diesbezüglich nicht unbedingt eine weisse Weste. So warf zum Beispiel der deutsche Publizist Jürgen Roth Gazprom bereits im Dezember 2005 innerhalb eines Interviews mit dem Spiegel vor, dass das Unternehmen für eine gigantische Selbstbereicherung, für Korruption und nicht zuletzt für kriminelle Strukturen stehen würde. Auch der renommierte Stern-Redakteur Hans-Martin Tillack bezeichnet den Konzern Gazprom als ein undurchsichtiges Gestrüpp an zahlreichen Briefkastenfirmen und miteinander verwobenen Firmen und Unterfirmen, die alle auf ein bestimmtes Ziel eingeschworen sind: Sie sollen die Geldflüsse verbergen.

Die BA hat diesbezüglich zumindest schon hinter vorgehaltener Hand verlauten lassen, dass die Aktivitäten des russischen Staatsriesen und sein in oder über die Schweiz getätigter Geldtransfer umfassend überprüft werden müssen. Des Weiteren ist das Unternehmen auch stark in den Fokus der Umweltschutzorganisationen gerückt, da Gazprom trotz Interventionen von mehreren Seiten zum Beispiel nicht davon abgerückt ist, in der Arktis nach Öl zu bohren. Insbesondere Greenpeace attackiert diesbezüglich das Unternehmen mit besonderer verbaler Schärfe und entsprechenden Aktionen.

 

Oberstes Bild: © IgorGolovniov – Shutterstock.com

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