Der erwünschte Geheimnisverrat

Whistleblower à la Edward Snowden haben ein schweres Leben. Nicht nur, wenn sie des Geheimnisverrates in staatlichen Angelegenheiten beschuldigt werden und ihre internen Informationen öffentlich streuen. Auch die Geheimnisverräter aus der Wirtschaft führen ein gefährliches Dasein, das bis hin zur realen Existenzbedrohung reicht. Dabei sind längst nicht alle Geheimnisverräter kriminelle Subjekte; sie leisten oftmals einen wichtigen Beitrag, um Amtsmissbrauch, staatliche Übergriffe, Wirtschaftskriminalität und Korruption zu entlarven und somit erst einmal strafrechtlich sanktionierbar und politisch beachtenswert zu machen.

„Streng geheim“, „Geheime Verschlusssache“, „Vertraulich“ und eine Menge ähnlicher Aufdrucke signalisieren bei vielen Dokumenten, dass hier irgendetwas im Verborgenen bleiben soll. Das hat meist gute Gründe, kann aber durchaus auch grenzlegal oder sogar kriminell sein. Bis hin zum „Das muss aber unter uns bleiben!“ hinter vorgehaltener Hand reichen die Deklarationen von Geheimnissen, die nicht immer wohlwollend ausgelegt werden können und dürfen. Da lohnt es sich schon, auch einmal einen tieferen und vor allem kritischen Blick in die Geheimniskrämerei der Wirtschaft und der Politik zu wagen.

Whistleblower ausdrücklich erwünscht

„Petzen gehört sich nicht!“, das lernen wir schon von Kindesbeinen an. Allerdings kann dieser Lehrsatz so nicht einfach hingenommen werden. Die kleinen Petzereien von Kindern haben nichts mit dem gemein, was sich in manchen Unternehmen offenbart, wenn unbequeme Wahrheiten ans Licht zumindest der betrieblichen Öffentlichkeit kommen. Hier geht es dann um verdeckte krumme Geschäfte, die irgendwann einmal dem gesamten Unternehmen Schaden zufügen, bis hin zum Totalverlust mit allem, was am Unternehmen hängt.

In vielen Unternehmen gehören heute kleine und grössere Betrügereien, Unterschlagungen, das Abkupfern von der Konkurrenz, Industriespionage und andere Ungereimtheiten fast schon zum guten Ton. Die Gefahren, die mit solchen Machenschaften verbunden sind, werden von vornherein unter dem Deckmantel des Betriebsgeheimnisses oder unter dem dünnen Mäntelchen der Verschwiegenheit verborgen und müssen so mühsam gehütet werden. Per vertraglicher Regelungen werden diese nicht immer rechtskonformen Geheimnisse zusätzlich gesichert und jedem, der sich hier im vermeintlichen Geheimnisverrat übt, droht ein Verlust von Ansehen, Job und Existenz. Dabei sind viele dieser angeblichen Betriebsgeheimnisse regelrechte Anleitungen zur Kriminalität.

Kluge Unternehmen agieren hier anders. Hier ist das Aufdecken von Ungereimtheiten oder gar rechtsbrechender Vorgänge ausdrücklich erwünscht. Dazu werden Systeme eingerichtet, die weitab vom hauseigenen „Meckerkasten“ auch die modernen Kommunikationsmittel einbeziehen. Ein spezielles Mailpostfach, der unabhängige Anwalt, natürlich auch die Briefpost oder die Meldung über eine speziell eingerichtete Hotline ermöglichen quasi jedem, erkannte oder vermutete Missstände und teils auch kriminelle Aktivitäten zu melden. Dabei bleiben Meldende und Betroffene zunächst völlig anonym.

Das ist auch wichtig, um die aufmerksamen Mitarbeiter zu schützen und eventuell Betroffene erst dann strafrechtlich zu verfolgen, wenn die Sachverhalte geprüft und zur Anzeige gekommen sind. Grundregel Nummer eins ist hier immer der sehr aufmerksame Umgang mit jeder einzelnen Meldung. So können Diebstähle aus der laufenden Produktion genauso gemeldet werden wie beispielsweise heimliche Preisabsprachen, korrupte Führungskräfte oder mobbende Kollegen.


Bildbeschreibung: Gelegentlich können Inhalte geheimer Unterlagen in den Meldesystemen landen, weil hier der Verdacht unrechtmässiger Handlungen besteht. (Bild: Jdwfoto / Shutterstock.com)
Bildbeschreibung: Gelegentlich können Inhalte geheimer Unterlagen in den Meldesystemen landen, weil hier der Verdacht unrechtmässiger Handlungen besteht. (Bild: Jdwfoto / Shutterstock.com)


Es soll sogar vorkommen, dass gelegentlich Inhalte geheimer Unterlagen in den Meldesystemen landen, weil hier der Verdacht unrechtmässiger Handlungen besteht.

Was für die Mitarbeiter gut ist, nutzt vor allem auch dem Management. Missstände werden schneller und diskreter aufgedeckt, die Selbstschutzfunktion wird gestärkt und letztlich sehen sich Unternehmen mit funktionierenden Meldesystemen deutlich seltener auf den Bänken vor Gericht.

Denunziantentum und Schnüffelei wollen wir nicht

Auch wenn die vielen kleinen anonymen Whistleblower im Meldesystem ihren wichtigen Platz einnehmen dürfen, wird streng darauf geachtet, dass hier nicht willkürlich Kollegen verpetzt werden, weil sie vielleicht ihre Pause über Gebühr ausgenutzt haben. Das hat im Meldesystem nichts zu suchen und ist eher ein Fall für den direkten Vorgesetzten. Wichtiger sind Meldungen über entdeckte Diebstähle, geheime Absprachen unter Kollegen, Vorgesetzten oder gar im oberen Management, alle Formen der Industriespionage und ähnliche Fälle. Das interessiert die Unternehmen und kann sie zusätzlich schützen.

So entdeckte beispielsweise ein Mitarbeiter einer Werkstatt für hochwertige Importautos einige Teile, die im Lager fehlten, bei Ebay wieder. Der Verdacht wurde im internen Meldesystem angezeigt und von dort aus weiterverfolgt. Schon nach kurzer Zeit konnte der Dieb gestellt werden, die Teile wurden zurückgegeben und eine Strafanzeige gestellt. So hilfreich kann Whistleblowing im Kleinen sein.

Interessanter präsentiert sich ein Fall, in dem ein Mitglied einer Delegation zu Preisverhandlungen in Spanien auf ungewöhnliche Geldbewegungen zwischen verschiedenen Verhandlungsteilnehmern aufmerksam wurde. Hier wechselte nicht nur Bares den Besitzer, sondern auch amüsante Vergünstigungen mit fragwürdigen Damen wurden gern in Anspruch genommen.

Zurück im Stammsitz meldete der Beobachter seine Wahrnehmungen dem unabhängigen Anwalt, der speziell für solche Fälle vom Unternehmen engagiert wurde. In der Folge einer genaueren Untersuchung wurde bekannt, dass mindestens drei Mitglieder der fünfköpfigen Verhandlungsdelegation geschmiert worden waren und letztlich einem für das Unternehmen ungünstigen Abschluss zugestimmt hatten. Eine Schmiergeldaffäre, die dank des internen Meldesystems auch ohne die Öffentlichkeit geklärt werden konnte.

Petzen kann sich lohnen

Das Melden vermeintlichen oder echten Fehlverhaltens im Unternehmen zahlt sich für die Meldenden zwar nicht unmittelbar aus, mittelbar aber doch. Millionen von Franken gehen den Unternehmen Jahr für Jahr durch nicht rechtskonforme Handlungen einzelner Mitarbeiter oder durch Datenklau, Geheimnisverrat oder ähnliche Vorfälle verloren. Diese Zahl kann mit gut installierten Meldesystemen in den Unternehmen deutlich gesenkt werden. Zum Vorteil aller Mitarbeiter. Also kann auch Petzen durchaus sinnvoll und hilfreich sein.

 

Oberstes Bild: © David Stuart Productions – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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