Dicke Luft im Büro – wenn das Miteinander auf die Nase schlägt

Herrscht im Büro „dicke Luft“, ist das schon im übertragenen Sinne nicht angenehm. Richtig kritisch wird es jedoch, wenn ein solches Missempfinden durch tatsächlich existierende Gerüche hervorgerufen wird. Woran aber liegt es, dass Düfte eine solche Wirkung haben und dass Sie manche KollegInnen mehr, andere weniger „gut riechen“ können?

Die Fähigkeit, Gerüche wahrnehmen zu können, ist einer der am zeitigsten entwickelten und am meisten beeinflussbaren Sinne. Ob Sie das, was Ihnen in die Nase steigt, als angenehm oder unangenehm empfinden, hat sich schon in sehr frühen, oft noch unbewussten Phasen Ihres Lebens entschieden. Je nachdem, unter welchen Umständen Sie einem Duft ausgesetzt waren, prägt sich diese Erfahrung unauslöschlich in den dafür bestimmten Speicher Ihres Gehirns – das limbische System – ein.

Doch dies allein bestimmt noch nicht darüber, ob der Geruch von KollegInnen in Ihnen Sympathie oder Antipathie weckt. Die Ursache dafür liegt vielmehr in deren Schweissdrüsen. Dort wird eine nahezu geruchlose Flüssigkeit gebildet, die sich durch den Kontakt mit Luft sowie den Bakterien auf der Hautoberfläche zersetzt und dabei einen individuellen Duft entfaltet. Den so entstehenden Körpergeruch eines Menschen nehmen Sie als Aussenstehende(r) über Ihr vomero-nasales Organ wahr.

Jener kleine, eingestülpte Schlauch in der Nasenscheidewand gleicht in einem komplizierten Zusammenspiel mit dem Gehirn ab, ob Sie den Geruch eher abstossend oder sympathisch finden. Neben bereits gemachten Erfahrungen, damit verbundenen Erinnerungen und Ihren persönlichen Vorlieben spielt dabei auch der Hormonspiegel eine Rolle. Weil dieser im weiblichen Körper zyklisch schwankt, können vor allem Frauen ihre Mitmenschen mal mehr, mal weniger „gut riechen“.

Grund dafür ist der Stoff Androstenon – ein Abbauprodukt des Testosterons, welches sich im Schweiss von Männern befindet. Während es in hoher Konzentration einen äusserst unangenehmen Duft verströmt, kann es in kleinen Mengen und in bestimmten Phasen für steigende Sympathie sorgen – nämlich dann, wenn der Eisprung unmittelbar bevorsteht und der genetische Code der Frau zu dem des Mannes passt. „Passen“ bedeutet in diesem Fall, dass die Strukturen der weiblichen und der männlichen Gene möglichst grosse Unterschiede aufweisen. Je stärker die Codes voneinander abweichen, desto angenehmer wirkt der Eigengeruch einer Person und umso mehr Sympathie weckt er beim Riechen.

Doch die damit verbundene Fähigkeit, einen potenziellen Partner im wahrsten Sinne des Wortes „erschnüffeln“ zu können, wird durch viele Faktoren beeinträchtigt. Als einer der wichtigsten Aspekte, die Duft verfälschen, gilt die Einnahme oraler Verhütungsmittel. Forschungen haben belegt, dass sich der Geruchssinn durch die sogenannte „Pille“ verändert und die Wirkung männlicher Aromen ins Gegenteil verkehrt. Mit anderen Worten: Frauen finden genau die Düfte sympathisch, deren Träger – genetisch gesehen – überhaupt nicht zu ihnen passen.


Der individuelle Duft eines Menschen wird von vielen Faktoren beeinflusst, u.a. auch von den verwendeten Pflegeprodukten. (Bild: Africa Studio / Shutterstock.com)
Der individuelle Duft eines Menschen wird von vielen Faktoren beeinflusst, u.a. auch von den verwendeten Pflegeprodukten. (Bild: Africa Studio / Shutterstock.com)


Sollten Sie als Leserin nun aber glauben, „dicker Luft“ unter Kollegen durch Änderung Ihrer Verhütungsgewohnheiten beikommen zu können, irren Sie sich. Abgesehen davon, dass Sie damit gegebenenfalls andere Probleme heraufbeschwören, wird der individuelle Duft eines Menschen bzw. der Geruch, den Sie an ihm wahrnehmen, von einer Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst. Neben der Häufig- und Regelmässigkeit, mit dem er sich der Körperpflege widmet, sind dies auch die dafür verwendeten Produkte. Je nachdem, welche Duft- und Inhaltsstoffe sie aufweisen, unterstreichen, überdecken oder verfälschen sie die natürlichen Aromen des Schweisses.

Eine Person, die Sie „nicht riechen“ können oder wollen, kann aber auch einfach nur das „Falsche“ gegessen haben. Nahrungsmittel können ebenfalls Einfluss auf den körpereigenen Geruch ausüben und damit zu einer bestimmten Wirkung führen. Hierfür sind der Gehalt an ätherischen Ölen und Eiweiss sowie verschiedene Zucker- und Schwefelverbindungen verantwortlich, die sowohl in die Atemluft und in die Körpersekrete als auch in die Haut übergehen.

Der Duft, den jemand im Büro verströmt, kann also verschiedene Ursachen haben – und wird nicht von allen gleich empfunden. Darüber, ob MitarbeiterInnen sympathisch oder unsympathisch riechen, entscheiden Sie ganz individuell. Abhängig von Ihrer Tagesform und Ihrem eigenen körperlichen Zustand sowie von den Assoziationen, die Sie mit einem Geruch verbinden, können Düfte Wohlbehagen oder Unwohlsein auslösen.

Beachten Sie beim Bewerten oder gar Verkünden entsprechender Wahrnehmungen daher stets, dass Ihr olfaktorischer Sinn ein ganz persönlich geprägtes Empfinden ist und sich unter verschiedenen Umständen sogar ändert. Ein Duft, der Ihnen heute sympathisch erscheint, kann schon morgen wieder abstossend wirken – und umgekehrt. Mit dem Wissen darum wird es Ihnen vielleicht gelingen, auch unangenehme Gerüche als das hinzunehmen, was sie sind: individueller Ausdruck der Persönlichkeit. Bedenken Sie ausserdem, dass auch Sie eine ganz eigene „Marke“ haben, die (nicht) jeder riechen kann.

Solange der Geruch, der Sie stört, nicht auf offenkundig mangelnde Hygiene zurückzuführen ist – und damit theoretisch jederzeit zu beheben wäre –, hilft bei „dufter“ Antipathie in der Regel nur eins: Nase zu und durch!

 

Oberstes Bild: © Stokkete – Shutterstock.com

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Mehr zu Christiane Dietering

Christiane Dietering hat eine handwerkliche, zwei kaufmännische und eine Autoren-Ausbildung absolviert. Sie arbeitet als freie Texterin, Rezensentin und Journalistin in den Themenbereichen Kunst und Kultur. Ihre Hauptauftraggeber sind Veranstalter von Musikaufführungen, Lesebühnen und Erotik-Events.

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