Warum Unternehmen ausländische Fachkräfte brauchen

In den Zeiten der Einwanderungsinitiative wird diese Nachricht den Befürwortern der Zuwanderung gerade recht kommen: Der steigende Arbeitskräftebedarf in der Schweiz wird wahrscheinlich nicht allein durch Bewohner der Republik zu decken sein.

Ausländische Fachkräfte müssen also beinahe zwangsläufig einwandern dürfen – denn sonst droht den Unternehmen ein Untergang auf dem internationalen Markt.

Die Fakten lesen sich gut…

Die Nachricht liest sich zunächst vielversprechend: Im vierten Quartal des letzten Jahres konnten im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012 mehr Menschen eine Beschäftigung finden. Erwerbslose stellten damit nur noch 4,1 % der Bevölkerung – ein Rückgang um immerhin 0,3 Prozentpunkte. Die Quelle für diese Zahlen stellt das Bundesamt für Statistik dar, es dürfte sich somit also um vertrauenswürdige Daten handeln.

Gerade im europäischen Vergleich steht die Schweiz damit gut da: In traurigen Rekordländern wie Griechenland oder Spanien betrug die Arbeitslosenquote zwischen Oktober und Dezember 2013 fast 27 %. Der europäische Durchschnitt beläuft sich auf 10,7 %. Die deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und Deutschland kommen auf 4,8 % beziehungsweise 5 % – womit die Schweiz diese Rangliste anführt. Wer nach Arbeit sucht, sollte in die Schweiz kommen. So oder so ähnlich könnte man diese vielversprechenden Zahlen interpretieren. Und: Das wird in den kommenden Jahren auch unbedingt notwendig sein.

… aber auch Zahlen können irren

Zwischen den letzten beiden Quartalen in den Jahren 2012 und 2013 wurde ein Unterschied von 1,8 % beim Zuwachs der Erwerbstätigen generell gemessen. Fast fünf Millionen Personen standen damit in Lohn und Brot, zwei Drittel immerhin gingen einer Vollzeitbeschäftigung nach. Interessant wird es dann, wenn die nationalen Unterschiede der arbeitenden Bevölkerung berücksichtigt werden: 3,7 % mehr Ausländer fanden eine Arbeit im Vergleich zum Vorjahresquartal, während die Schweizer nur auf 1,1 % kommen.

Aber: Der Grossteil der ausländischen Fachkräfte verfügte nur über eine kurze Aufenthaltserlaubnis. Werden nur die Menschen berücksichtigt, welche länger als zwölf Monate in der Schweiz leben durften, decken sich die Aus- und Inländeranteile ungefähr. Von einer Initiative gegen die sogenannte Masseneinwanderung kann also vor dem Hintergrund des „Arbeitsplatzdiebstahls“ gar keine Rede sein – denn der findet einfach nicht statt.


Mitte Januar 2014 gab es in der Schweiz etwa 110’000 freie Stellen. (Bild: sima / Shutterstock.com)


Wer besetzt die freien Stellen?

Mitte Januar 2014 gab es in der Schweiz etwa 110’000 freie Stellen – wogegen aber nur 99’000 für diese Stellen qualifizierte Schweizer im selben Zeitraum zu finden waren. Es ist also schon rein rechnerisch nicht möglich, all diese Stellen in Unternehmen zu füllen, ohne auf die Fachkräfte aus dem Ausland zu setzen. Weiterhin ist selbst dieses Beispiel geschönt: Theoretisch hätten zwar all diese 99’000 Personen die notwendigen Qualifikationen – aber mehr auch nicht.

Zahlreiche ausländische Fachkräfte würden jedoch eine tiefergehende Ausbildung mitbringen, welche die Schweizer Arbeitskräfte dann überflüssig machen würden. Es dürfte also jetzt und auch in Zukunft nicht möglich sein, allein mit Arbeitskräften aus dem Inland alle freien Stellen in Unternehmen zu besetzen – und dadurch wird die Schweiz irgendwann den internationalen Anschluss verlieren. Damit sich das ändert, müssen auch die Unternehmen umdenken, wie eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt.

Tim oder Hakan?

Eine grosse Studie aus unserem Nachbarland hat ergeben, dass es bereits bei den Vornamen zu Diskriminierung innerhalb von Unternehmen kommen kann. Dazu wurden fiktive Bewerbungen an Unternehmen gesendet, welche Kraftfahrzeugmechaniker und Bürokaufmänner ausbilden. Die Namen der ausgedachten Testpersonen lauteten Lukas, Ahmet, Tim und Hakan. Bis auf die Namen glichen sich die Qualifikationen jedoch komplett bis hin zu den Hobbys der Probanden.

Das Ergebnis dieser Studie war, dass Arbeitskräfte aus dem Inland nur etwa fünf Bewerbungen versenden mussten, bis eine positive Antwort eintraf. Bei den Personen mit ausländischen Namen waren jedoch mehr als sieben Anfragen notwendig. Tim wurde persönlich angerufen, während Hakan nur eine E-Mail oder einen Postbrief bekam. Die Diskriminierung beginnt also bereits, bevor der Personalleiter den potenziellen Auszubildenden überhaupt zu Gesicht bekommen hat. Zwar handelt es sich bei der Studie um einen in Deutschland durchgeführten Test, aber die Ergebnisse dürften aufgrund der hohen Anzahl an getesteten Unternehmen (1’794 an der Zahl) auch internationale Gültigkeit besitzen.

Warum sich die Unternehmen nur selbst schaden

Offensichtlich sorgt eine Bevorzugung aufgrund von Nebensächlichkeiten wie dem Vornamen nur dafür, dass sich die Unternehmen auch in der Schweiz langfristig von den vielleicht besten Bewerbern verabschieden müssen. In einem Bereich, in welchem nur Qualifikationen zählen, kann es sich kein aufstrebendes Unternehmen – ob es sich dabei um ein kleines Start-up oder einen etablierten Betrieb handelt – leisten, auf einen hochqualifizierten Ahmet zu verzichten. Dies verdeutlicht auch die Problematik in der Verbindung mit der Einwanderungsinitiative: Kann der Schweiz (welche in der internationalen Wirtschaft ohnehin gut aufgestellt ist) wirklich geholfen werden, indem es sich die Unternehmen selbst schwerer machen?

Bildung als Lösung

Der Autor der Studie, Jan Schneider, fordert vergleichsweise wenig: Die Verantwortlichen in Unternehmen müssten für das Thema Diskriminierung sensibilisiert werden. Anonyme Bewerbungen könnten bereits einen grossen Anteil daran leisten, völlig unvoreingenommen auf Bewerbungen zu reagieren. Vorteile müssten durch eine engere Verknüpfung von Schulen, Unternehmen und jugendlichen Auszubildenden abgebaut werden. Auch die Unternehmen in der Schweiz sollten diese Worte ernst nehmen – denn sonst droht wirtschaftlich der internationale Abschwung.

 

Oberstes Bild: © Ditty_about_summer / Shutterstock.com

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