IT-Know-how aus Basel - und wie es gegen Google eingesetzt wird

Google-Konkurrenz aus Basel? Day Software macht vor, wie ein Unternehmen auch in Zeiten der übermächtigen US-Konzerne mehr als nur eine Daseinsberechtigung im Bereich des Online-Marketings hat.

Was ursprünglich als kleines Start-up in den Markt ging, ist nun unter der Führung von Adobe Software eines der wichtigsten IT-Unternehmen in Basel und der gesamten Schweiz.

Day Software – oder Adobe?

Vorweg sei gesagt, dass Day Software in dieser Form nicht mehr existiert: 2010 wurde das schweizerische Unternehmen für etwa 255 Millionen Franken von Adobe Systems mit Sitz in Kalifornien gekauft. Das Geschäft war für den damaligen Leiter des Unternehmens, Florian Schaulin, durchaus positiv zu bewerten: Der eigentliche Börsenwert von Day Software lag nämlich etwa 60 % unter dem letztendlich von Adobe bezahlten Betrag. Für beide Seiten hat sich die Übereinkunft also gelohnt.

Während Adobe vom Know-how der Basler IT-Jünger profitierte, hat Day Software damit den Standort Basel wieder auf die Landkarte in der internationalen IT-Wirtschaft gerückt und sich sowie seinen Mitarbeitern ein langfristig sicheres Einkommen ermöglicht. Dass es sich „nur“ um ein Unternehmen aus der Schweiz handelt, merkt man bei der Besichtigung der Unternehmenshallen übrigens nicht, denn dort versprühen selbst die Kaffeeautomaten einen Hauch von Silicon Valley.

Weltumspannendes Unternehmen oder kleine Familie?

Adobe Research, wie Day Software mittlerweile heisst, lässt sich in der Schweizer Zentrale nicht lumpen: Essen und Trinken in der luxuriösen Kantine gibt es kostenlos, ausserdem gibt es Tischtennisanlagen und andere Annehmlichkeiten. Ein vollständig ausgerüsteter Raum für Kraftübungen und Gymnastik zählt beispielsweise zur Ausstattung des Unternehmens. Ach, und gearbeitet wird bei Adobe Research übrigens auch – und das offensichtlich sehr gerne.

Schaulin sagt dazu, dass diese Reihe an Freizeitangeboten heute notwendig ist, um die klügsten Köpfe ins Boot zu holen. Ohne diese Mitarbeiter würde man den internationalen Anschluss schnell verlieren – und jene Mitarbeiter zählen inzwischen auf diese Angebote, um ihrem kreativen Geist genügend Freiraum bieten zu können. Kinderwagen können einfach irgendwo in den Fluren abgestellt werden, meist spricht man Englisch. In den Umgangsformen gibt es zwischen der Unternehmensleitung und den Sanitärmitarbeitern keine Unterschiede – man ist einfach auf du und du.

Eine Familie, kein Unternehmen – und damit ein Vorbild

Bei Adobe Research ist man der Meinung, ein Teil der grossen Adobe-Familie zu sein – und damit nimmt man auch eine Vorbildrolle für andere Unternehmen ein. Die 101 Mitarbeiter direkt vor Ort in Basel sind fast alle schon über einen längeren Zeitraum dort tätig. In der schnelllebigen IT-Welt ist das schon beinahe unerhört. Genau dies sieht auch Angelo Buscemi so, Länderchef bei Adobe. Er macht diese „Familienmentalität“ dafür verantwortlich, dass der Erfolg bei Adobe Research nach wie vor anhält.

Keine einzige wichtige Fachkraft habe das Unternehmen bislang verlassen. Offene Stellen füllen sich schnell, einmal besetzte Stellen geniessen ein hohes Mass an Vertrauen. Ein wenig kommt dem Unternehmen dabei auch der fehlende Konkurrenzdruck entgegen: Es gibt schlichtweg nicht viele andere Unternehmen in Basel, welche in dieser Richtung tätig sind. Entsprechend ist es relativ einfach für Schaulin und seine Angestellten, nur die Kirschen auf der Sahnetorte zu wählen. Aber wohin genau geht „diese Richtung“ eigentlich?


Bekannt ist Adobe in erster Linie für Photoshop und vergleichbare Programme, der grösste Umsatz wird jedoch mit digitalem Marketing erzielt. (Bild: ArchMan / Shutterstock.com)


Wachstum durch Werbung

Bekannt ist Adobe in erster Linie für Photoshop und vergleichbare Programme, der grösste Umsatz wird jedoch mit digitalem Marketing erzielt. 1,45 Milliarden Franken wurden damit allein im Jahr 2013 erwirtschaftet, was gemessen auf den gesamten Konzern 35 % des Umsatzes ausmacht. Im Jahr 2010 – vor der Übernahme von Day Software – betrug der Umsatz nur etwa ein Fünftel dieses Wertes. Digital Marketing zählt daher zu den wichtigsten Standbeinen von Adobe, denn zuletzt ging der Gesamtumsatz im Unternehmen um 8 % zurück.

In den nächsten drei Jahren sollen die Marketingbemühungen zu einem Wachstum von 25 % jährlich beitragen – auch dank der Bemühungen des schweizerischen Standorts. Ob sich dies bewahrheitet, ist in der von kurzfristigen Umwälzungen gekennzeichneten IT-Welt wie immer nicht vorhersehbar – aber die Weichen sind gestellt.

Das Know-how von Day Software

In Basel entwickelt werden vorrangig Tools für das Messen von Werbung. Wie erfolgreich ist eine bestimmte Werbekampagne? Was erwarten meine Kunden? Warum funktioniert das Marketing nicht? Schaulin und seine Mitarbeiter sind dafür verantwortlich, diese Fragen mithilfe von geeigneter Software zu klären. Werbung ist messbar – und das war Adobe vor vier Jahren 255 Millionen Franken wert. Inzwischen dürfte sich dies angesichts des Umsatzwachstums geradezu als Schnäppchen herausgestellt haben. Als Resultat für die Bemühungen von Adobe Research können Werbende besser voraussagen, welche Art von Werbung bei ihren Kunden ankommt. Kosten werden gespart, die Kreativität wird gleichzeitig nicht gezügelt. Kosten-Controlling und die Anpassbarkeit von digitalen Angeboten innerhalb sehr kurzer Zeit seien die wesentlichen Merkmale der Möglichkeiten, welche durch die Akquisition von Day Software entstanden sind.

Allein gegen Google & Co.

Das Beispiel von Day Software zeigt, dass auch in der heutigen Zeit „Garagenunternehmen“ noch die Chance haben, den Anschluss an die grossen Konzerne nicht zu verlieren. In Basel sieht man sich nun als Konkurrenz des Werbegiganten Google – und das hätte zum Börsengang im Jahr 2000 sicherlich niemand gedacht.
Oberstes Bild: © Twin Design / Shutterstock.com

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