Die grössten Missverständnisse der Arbeitnehmer im Arbeitsrecht

Im nachfolgenden Text möchten wir Sie auf die grössten Missverständnisse der Arbeitnehmer im Arbeitsrecht aufklären.

1. Aufgelaufene Überstunden können jederzeit durch Ferientage kompensiert werden.

Geleistete Überstunden, also Arbeitsstunden, die die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigen, sind abzugelten, wenn sie vom Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet wurden (unabhängig davon ob sie notwendig waren oder nicht) sowie die Überstunden, welche nicht ausdrücklich angeordnet wurden, sofern sie notwendig waren oder vom Arbeitnehmer nach Treu und Glauben als notwendig betrachtet werden durften. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden widerspruchslos entgegennimmt.

Keine Abgeltung gibt es jedoch, wenn diese durch schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien ausgeschlossen wurde oder ein allenfalls auf sie anwendbarer Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder Normalarbeitsvertrag (NAV) einen Ausschluss vorsieht.

Schriftlich kann vereinbart werden, dass die Überstunden ohne Zuschlag oder mit einem niedrigeren Zuschlag als die üblichen 25% entschädigt werden. Selbstverständlich ist auch ein höherer Zuschlag zu lässig.

2. Für Schäden am Arbeitsplatz kommt der Arbeitgeber auf.

Das kommt ganz darauf an, wie die Juristen so gerne sagen. In diesem Fall muss jedoch bezüglich des verursachten Schadens tatsächlich zwischen leichtem Verschulden (Fahrlässigkeit), mittlerer und grober Fahrlässigkeit unterschieden werden. Bei leichtem Verschulden besteht für Sie als Arbeitnehmer grundsätzlich keine persönliche Haftung.

Eine mittlere Fahrlässigkeit führt hingegen bereits zu einer eingeschränkten Schadenersatzpflicht und bei grober Fahrlässigkeit (z.B. Trunkenheit am Steuer oder achtlosem Umgang mit Werkzeugen und Maschinen) kann ihr Arbeitgeber Sie für den gesamten Schaden haftbar machen und Ihnen den Lohn kürzen. Wenn der Schaden zum normalen Berufsrisiko gehört, müssen Sie gar nichts bezahlen.

3. Mein Chef muss meine Ferienwünsche erfüllen, wenn ich sie im frühzeitig bekannt gebe.

Wann Sie Ihre Ferien beziehen, bestimmt grundsätzlich Ihr Arbeitgeber, wobei er jedoch Ihre Wünsche bezüglich Ferienzeitpunkt zu berücksichtigen hat, soweit dies mit den Interessen des Betriebes zu vereinbaren ist. Die Ferien sind in der Regel im Verlauf des betreffenden Dienstjahres zu gewähren; wenigstens zwei Ferienwochen müssen zusammenhängen.

Ein eigenmächtiger Ferienbezug ist ein Grund für eine fristlose Entlassung. Kommen Sie aufgrund von Verkehrsstaus oder einem Streik des Flugpersonals zu spät aus den Ferien und somit an Ihren Arbeitsplatz zurück, geht diese Zeit zu Ihren Lasten und wird nicht bezahlt.

Erkranken oder verunfallen Sie während den Ferien, so dass der Erholungszweck nicht mehr gewährleistet ist, dann können Sie die entsprechenden Ferientage nachbeziehen. Feiertage, die auf die Ferienzeit fallen, gelten nicht als Ferientage. Der gesetzliche Ferienanspruch beträgt vier Wochen. Für Jugendliche bis 20 Jahre gibt es per Gesetz fünf Wochen Ferien.

4. Wenn mein Arbeitgeber mit dem Lohn im Verzug ist, muss ich trotzdem weiter arbeiten, bis das Arbeitsverhältnis gekündigt ist.

Nein, Arbeitnehmer haben das Recht, mit der Arbeit auszusetzen, solange der Arbeitgeber mit fälligen Lohnzahlungen im Rückstand ist, so gemäss einem Entscheid des Bundesgerichts. Der ausbleibende Lohn sollte umgehend gemahnt und gegebenenfalls auch betrieben werden. Ist es offensichtlich, dass Ihr Arbeitgeber nicht mehr zahlen kann, dürfen Sie das Arbeitsverhältnis fristlos künden.

5. Für die Stellensuche muss mir mein Chef nur Zeit zur Verfügung stellen, wenn er gekündet hat.

Richtig ist, dass Arbeitnehmende Anspruch auf freie Zeit für die Stellensuche haben, also für Vorstellungsgespräche, sobald das Arbeitsverhältnis gekündet ist. Falsch ist jedoch, dass der Anspruch nur besteht, wenn der Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen hat.

Im Gesetz ist festgehalten, dass dem Arbeitnehmer „nach erfolgter Kündigung die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit zu gewähren“ ist. Diese nicht näher definierte „erforderliche Zeit“ beträgt i.d.R. einen halben Tag pro Woche. Arbeitnehmende sollten diese Termine vorzeitig mit dem Chef absprechen und wenn möglich an Randzeiten oder freien Tagen wahrnehmen. Ist der Arbeitnehmende im Monatslohn angestellt, werden diese Absenzen üblicherweise bezahlt.

6. Bei den Pausen handelt es sich um bezahlte Arbeitszeit, oder?

Das Arbeitsgesetz sagt es deutlich: „Die Pausen gelten als Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht verlassen dürfen“. Die dazugehörige Verordnung definiert den Begriff des Arbeitsplatzes als jeden Ort im Betrieb oder ausserhalb des Betriebes, an dem sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zur Ausführung der ihm bzw. ihr zugewiesenen Arbeit aufzuhalten hat. Wenn Sie also während Ihrer Kaffeepause am Arbeitsplatz bleiben müssen, etwa um das Telefon zu «hüten», muss die Pause als Arbeitszeit angerechnet werden.


Welche Pause gilt als bezahlte Arbeitszeit? (Bild: Petra Bork / pixelio.de)


7. Bei einem Arztbesuch handelt es sich um bezahlte Absenzen.

Konsultiert man das Gesetz, kann man in Art. 329 Abs. 3 des Obligationenrechts nachlesen, dass dem Arbeitnehmer die üblichen freien Stunden und Tage zu gewähren sind. Dies ist eine sehr schwammige Aussage. Konkretisiert wird dies zum Teil in Gesamtarbeitsverträgen oder in Personalreglementen.

Somit muss die Frage, ob es sich beim Arztbesuch um eine bezahlte Absenz handelt oder nicht, von Fall zu Fall entschieden werden. Auch wenn es sich um bezahlte Absenzen handelt, kann Ihr Vorgesetzter aufgrund der Treuepflicht verlangen, dass Sie Ihre Arzttermine wenn möglich ausserhalb der Blockzeiten bzw. so festlegen, dass der Betrieb und der Arbeitsablauf möglichst nicht gestört wird.

Sind sie bei einem der obengenannten Beispiele immer noch unsicher oder benötigen Sie in einem anderen Bereich des Arbeitsrechts juristischen Rat, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Das Juristenteam der artax Fide Consult AG steht Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.

Artikel von: artax Fide Consult AG / Mitglied von Morison International / www.artax.ch

 

Oberstes Bild: Juristischer Rat im Bereich des Arbeitsrechts ist immer nützlich (Bild: © Coloures-Pic – Fotolia.com)

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Mehr zu Dr. iur. Bernhard Madörin

Seit 2000 ist Dr. iur. Madörin Partner und langjähriges Mitglied des Verwaltungsrates der artax Fide Consult AG. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer hat er als Steuer- und Treuhandexperte die Gesamtverantwortung für die Bereiche Steuern, Recht und Unternehmungsberatung inne und kann heute auf rund 30 Jahre Berufserfahrung als Treuhänder und selbständiger Unternehmer zurückblicken.

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