Neue Finanzkrise? Die Börse ist auf der Suche nach Orientierung

Die Angst vor einer neuen Finanzkrise geht um. Ob sie schon da ist oder nicht, darüber scheiden sich die Geister. In den USA wurden drei grössere Regionalbanken geschlossen und die Credit Suisse musste unter die Fittiche der UBS schlüpfen. Das ist zwar nicht alltäglich, aber bei weitem nicht vergleichbar mit der Situation nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers.

Damals haben viele Banken in die maroden US- Hypothekenpapiere investiert und damit viel Geld verloren. Die Verluste frassen ihr Eigenkapital auf und sowohl in den USA, in Europa als auch in Asien und Australien mussten systemrelevante Banken gestützt oder staatlich gerettet werden.

Die Probleme der gefallenen US-Banken und der Credit Suisse haben unterschiedliche Ursachen. Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie das Vertrauen ihrer Kunden verloren haben und deshalb nicht mehr überlebensfähig waren. Wahrscheinlich werden noch weitere Regionalbanken in den USA in Gefahr geraten. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es zu einem globalen Flächenbrand kommt.

Die Bankaktien sind dennoch unter Dauerdruck. Der Index für die Banken im MSCI World hat in den letzten zwei Wochen 15% an Wert verloren. Die Versicherungen werden in die Sippenhaft genommen und verlieren ebenfalls 10%. Dabei sind höhere Zinsen für sie ein Segen, weil sie auf ihrem Anlagevermögen höhere Erträge erzielen können. Mit einem Minus von 4% hat sich der Gesamtmarkt dagegen trotz der grassierenden Nervosität und dem lauten Trommelwirbel recht gut gehalten. Das ist auch richtig so, denn die Argumente für eine positive Entwicklung der Aktienmärkte sind nach wie vor gültig.

Positive Konjunkturaussichten für das 2. Semester 2023

Die Inflation ist hartnäckig hoch und sinkt langsamer als erwartet ab. Der Trend zeigt aber nach unten, insbesondere in den USA. Das wird es den Notenbanken erlauben, bis Mitte Jahr den Zyklus der Zinserhöhungen abzuschliessen. Sie wer- den danach, wie von ihnen angekündigt, für eine Weile die Leitzinsen auf dem höheren Niveau halten. Das Thema Zinsen wird aber an Brisanz und Einfluss verlieren. Zudem können die Finanzmärkte darauf spekulieren, wann die Geldpolitik wieder expansiver wird. Die Vorfreude auf tiefere Zinsen stimuliert die Aktienkurse mehr als die effektiven Zinssenkungen. Vorausschauende Konjunkturindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes oder der KOF-Konjunkturbarometer deuten an, dass im zweiten Halbjahr eine Erholung des aktuell trägen Wirtschaftswachstums möglich ist. Das ist grundsätzlich ein gutes Umfeld für die Aktien.

Bankensektor bleibt volatil

Der Aktienmarkt wird weiter sehr sensibel auf Meldungen aus dem Bankensektor reagieren, insbesondere wenn sie negativ interpretiert werden können. Das Potential für Enttäuschungen und für starke Kursschwankungen ist nach wie vor gross. Es lohnt sich aber, sein Portfolio auf das mittelfristige Potenzial auszurichten. Ein gut diversifiziertes Aktienportfolio hat gute Aussichten auf eine positive Performance. Dieses Aktienportfolio muss im Kern Titel von Firmen enthalten, die über ein stabiles und auch in schwächeren Zeiten gewinnbringendes Geschäftsmodell verfügen.

 

Titelbild: Blue Planet Studio – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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