Trader haben die Finanzmärkte im Griff

Was momentan an den Finanzmärkten abgeht, lässt einen nur noch den Kopf schütteln und den eigenen Augen misstrauen. Damit meine ich nicht die schmerzhaften Verluste an den Aktienmärkten oder die im Vergleich zum Jahresanfang deutlich höheren Zinsen. Diese sind mit den notwen- digen Leitzinserhöhungen der Zentralbanken, der einsetzenden Abschwä- chung der Weltwirtschaft sowie der politischen Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine erklärbar.

Ich spreche von den starken und in ihrer Auslösung schwer nachvollziehbaren innertäglichen Kursbewegungen, die bei den Aktien, bei den Zinsen oder in irgendwelchen anderen Märkten zu beobachten sind.

Ein anschauliches Beispiel dafür lieferten die Aktienmärkte am letzten Donners- tag nach der Veröffentlichung der Inflationsdaten in den USA. Weil die Inflations- rate im September von 8.3% statt auf die erwarteten 8.1% «nur» auf 8.2% gesunken ist und weil die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel von 6.2% statt auf die erwarteten 6.5% auf 6.6% gestiegen ist, verlor der Swiss Performance Index innert weniger Minuten 2% an Wert. Man könnte meinen, die Fed habe vorher noch nicht gewusst, dass sie ein Inflationsproblem hat. Aber zumindest die Richtung der Marktbewegung stimmte mit der «Neuigkeit» überein. Die Zinsen an den Kapitalmärkten interpretierten die Inflationsdaten ähnlich und stiegen an. Speziell wird es dann aber nach der Eröffnung der amerikanischen Aktienmärkte. Zuerst verliert der Dow Jones Industrials Index ebenfalls 2% an Wert. Kurz vor 16.00 Uhr Schweizer Zeit dreht der Markt und bis 17.30 Uhr legt der Dow Jones über 4% zu, ohne dass irgendetwas Neues bekannt wurde. Die Zinsen bewegten sich in dieser Zeit dagegen kaum. Am Freitag holten die Aktien- märkte in Asien und Europa die Aufholjagd der US-Aktien gehorsam nach.

Kapitalflüsse bestimmen aktuell das Geschehen

Dass die Aktienmärkte innert Minuten 2% oder mehr gewinnen oder verlieren oder dass die Zinsen in hochliquiden Märkten wie den US-Treasuries oder den deutschen Bundesanleihen innert Minuten 20 Basispunkte oder mehr steigen oder fallen, ist aktuell fast an der Tagesordnung. Das hat mit der von der Finanz- markttheorie vorgegebenen rationalen Informationsverarbeitung der Finanzmärk- te nicht mehr viel zu tun. Vielmehr sind diese Marktbewegungen das Ergebnis von grossen Kapitalflüssen, die innert Kürze nach irgendwelchen Kriterien in Bewegung gesetzt werden und die genauso rasch wieder die Richtung wechseln. Sehr viel Geld wird heute durch quantitative Modelle verwaltet, deren Signale mit den fundamentalen Grundlagen der Wirtschaft und der Finanzmärkte nur wenig zu tun haben. Vielmehr sind sie das Ergebnis von speziellen Preiskonstellation zwischen verschieden Anlagemärkten, die die Modelle mit mehr oder weniger Er- folg auszunützen versuchen.

Anlagestrategie, Diversifikation und Disziplin

Als Investor, der an einem mittelfristig guten Anlageerfolg interessiert ist, hat man zwei Möglichkeiten, auf diese Kursschwankungen zu reagieren. Man kann mitmachen und sich auch als Day-Trader versuchen. Ob der Erfolg bei dieser Option nachhaltig positiv ist, lass ich mal offen. Die zweite Variante ist, das Feld den Modellen zu überlassen, bis diese sich ausgetobt haben. Denn trotz allen Kursschwankungen sind es langfristig die fundamentalen Argumente, die die Preise an den Finanzmärkten bestimmen. Von den kurzfristigen Bewegungen darf man sich daher nicht zu stark beeinflussen lassen. Am Ende ist der Anlage- erfolg das Ergebnis einer soliden fundamentalen Analyse der Wirtschaft und der Erfolgschancen der einzelnen Unternehmen. Dazu kommen die für sich persön- lich richtige Anlagestrategie und die nötige Diversifikation und Disziplin bei deren Umsetzung.

 

Artikelbild: Symbolbild © Gorodenkoff – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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