Die Finanzmärkte sind auf der Suche nach etwas Ruhe

Die Zeit für die Schreiber von Marktkommentaren war schon einfacher. Klar, es ist angenehmer, Höhenflüge an den Aktienmärkten zu erklären als schmerzhafte Kursverluste.

Aber um das geht es nicht. Kursstürze, die durch aussergewöhnliche Ereignisse wie dem Ausgang der Brexit-Abstimmung oder durch eine deutliche Abschwächung der Konjunktur aus- gelöst werden, tun den Anlegerinnen und Anlegern weh, sind aber nachvollziehbar.

Was in den letzten Tagen an den Finanzmärkten abging, hatte jedoch mit einem vernünftigen Investitionsverhalten nicht mehr viel gemeinsam. Kursschwankungen an den Börsen von deutlich mehr als einem Prozent nach unten oder nach oben innert weniger Minuten lösten sich mehrmals am Tag ab. Starke Kursverluste bei den Aktien wurden mit der Angst vor steigenden Zinsen erklärt während gleichzeitig die Renditen der Obligationen um 0.30% sanken. Der Bitcoin verlor innert Minuten 16% an Wert, um ihn danach sofort wieder aufzuholen. Das lässt sogar die

schwankungsgestählten Krypto-Afficionados erschauern. Der Ölpreis steigt und fällt um 5% oder mehr, ohne dass sich irgendetwas Neues ergeben hat. Diese Liste liesse sich fortsetzen. Handfeste Gründe zu finden für diese Bewegungen ist schwierig, weshalb man sich rasch in das Feld der Spekulationen begibt.

Damit es zu den beschriebenen Kursbewegungen in den unterschiedlichen Märkten kommt, müssen grosse Geldflüsse in Bewegung gesetzt werden. Ein möglicher Katalysator sind die grossen Anlagevolumen, die mittlerweile durch computerbasierte Modelle und durch Algorithmen bewirtschaftet werden. Die Handelssignale dieser Modelle basieren selten auf fundamentalökonomischen Grundlagen, sondern auf Kurskonstellationen, die aus welchem Grund auch immer entstehen. Wie und auf was die Algorithmen reagieren, wird dabei bewusst im Dunkeln gelassen. Oft werden innert Sekunden grosse Transaktionsvolumen in einem oder mehreren Märkten ausgelöst. Die Auswirkungen dieser Trades auf die Preise können dann neue Signale anderer Algorithmen auslösen.

Und wieder die Technologieaktien

Bei den Technologieaktien und bei den Kryptowährungen hat es in den letzten zwei Wochen sehr starke Kursveränderungen gegeben. Verschiedene Anlagevehikel, die sich in diesen Märkten stark exponiert haben, dürften markante Verluste erlitten haben, insbesondere wenn sie über Derivate mit Leverage arbeiten. In solchen Situationen kommt es häufig vor, dass die Fondsverwalter andere Anlagen verkaufen müssen, um die nötige Liquidität für die durch die Verluste ausgelösten Margin-Zahlungen zu leisten oder sich für erwartete Rücknahmen zu wappnen. Diese Notverkäufe zu jedem Preis haben Kursver- änderungen zur Folge, die für Aussenstehende schwer nachzuvollziehen sind.

Abwarten und Tee trinken

Die entscheidende Frage für die meisten Anlegerinnen und Anleger ist aber, wie man sich in einem solchen Umfeld verhalten soll. Eines der Merkmale ist die mangelnde Transparenz über die Hintergründe der erratischen Preisbewegungen. Das macht es schwierig, deren Berechtigung einzuschätzen. Deshalb empfiehlt es sich, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und zu warten, bis wieder mehr Klarheit über die fundamentalen Grundlagen und allenfalls über die fundamentalen Veränderungen herrscht. Danach kann und soll man eine Neubeurteilung der Ausrichtung seines Portfolios vornehmen. Meistens kommt man zur Erkenntnis, dass sich fundamental wenig verändert hat und im Portfolio kein Anpassungsbedarf nötig ist. Wann sich die Märkte in der aktuellen turbulenten Phase wieder beruhigen und die Neubeurteilung möglich ist, ist schwer zu sagen. In der Vergangenheit war dies aber immer innert nützlicher Zeit der Fall.

 

Titelbild: insta_photos – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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