Rezession oder keine Rezession?

Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland werden auch die Konjunktur in den westlichen Ländern negativ beeinflussen. Das ist unbestritten. Bei der Frage, ob sie gar eine Rezession auslösen, scheiden sich dagegen die Geister.

Anhaltspunkte in die eine oder andere Richtung gibt es bisher nur wenige, was der Spekulation über die Folgen der aktuellen und der möglicherweise noch folgenden Sanktionen einen breiten Raum gibt.

Die nötige Differenzierung geht dabei oftmals verloren. Deutschland und Italien werden durch ihre Abhängigkeit vom russischen Erdgas und durch die stärkere wirtschaftliche Verflechtung mit Russland stärker betroffen sein als die USA. Die Schweiz liegt irgendwo dazwischen. Für die auf die Importe von Getreide aus der Ukraine angewiesenen Länder in Afrika und im Mittleren Osten stellt sich die Lage noch einmal anders dar.

Harte Wirtschaftsdaten, beispielweise aus der Industrieproduktion, dem privaten Konsum oder dem Arbeitsmarkt für den Zeitraum nach der Invasion werden erst in den nächsten Wochen veröffentlicht. Bereits spürbar ist der zusätzliche Anstieg der Inflationsraten aufgrund der gestiegenen Energiepreise. Da die Inflationsraten in vielen Ländern vorher schon hoch waren, verstärken die noch einmal deutlich höheren Preise für Benzin, Heizöl und Erdgas das Gefühl, alles werde teurer. Ein inflationäres Umfeld führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer Rezession. Problematisch wird es dann, wenn die steigenden Kosten das Verhalten der Konsumenten oder die Investitionen der Unternehmen nachhaltig belasten. Gefährlich wird es, wenn die Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation ihre Zinsen so stark er- höhen, dass sie die Konjunktur zu einer Vollbremsung zwingen. Beides ist heute trotz ersten Zinserhöhungen in Grossbritannien und den USA nicht zu sehen.

Erwartungen nach unten korrigiert

Breiter ist der vorhandene Datenkranz bei den auf Umfragen basierenden Sentimentsindikatoren. Das dabei erkennbare Bild ist einheitlich, sowohl für Umfragen bei den Unternehmen wie dem deutschen IFO-Index als auch für die Stimmungsbarometer bei den Konsumenten. Die aktuelle Situation wird positiv beurteilt, während die Erwartungen an die Zukunft deutlich nach unten korrigiert werden. Das darf keineswegs verharmlost werden, da diese Umfragen normalerweise gute Indikatoren für das wirtschaftliche Gedeihen in den nächsten drei bis sechs Monaten sind. Die Schärfe der Ereignisse in der Ukraine und die Schnelligkeit und Breite der Sanktionen dürften aber die negativen Erwartungen kurzfristig verstärkt haben.

Ein Argument für das Lager derjenigen, die der konjunkturellen Zukunft gelassen entgegensehen, ist der Rezessionsindikator der Federal Reserve Bank of New York. Dieser zeigt für die USA eine Wahrscheinlichkeit von 6% an, dass die Wirt- schaft in den nächsten zwölf Monaten in eine Rezession fällt. Der Indikator der Fed war in der Vergangenheit bei der Prognose von effektiven Rezessionen sehr präzise.

Abhängigkeit von politischen Entscheiden

Um zur Eingangsfrage betreffend Rezession zurückzukommen, lautet die wahrscheinlich ehrlichste Antwort: Es lässt sich momentan nicht sagen. Viel wird davon abhängen, wie es in der Ukraine und mit den Drohgebärden zwischen Russland und der NATO weitergeht. Werden die Sanktionen noch verschärft bis hin zum Boykott oder dem Stopp der Gaslieferungen nach Westeuropa? Positiv ist, dass wir aus einer komfortablen Ausgangslage mit einer starken Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und einer soliden Konjunkturerholung starten. Dazu hat die Wirtschaft, insbesondere in der Schweiz, nicht nur in den letzten zwei Jahren gezeigt, dass sie sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen kann.

 

Titelbild: Miha Creative – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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