Ein „Déjà-vu“: Corona-Saison und Situation an den Finanzmärkten

Die Finanzmärkte haben am Freitag mit einem Anflug von Panik auf die Meldungen über die neue Coronavariante aus Südafrika reagiert. Sie folgten dabei den gewohnten Mustern. Die Aktien und die Rohstoffe verloren deutlich an Wert. Die sicheren Häfen wie die US-Treasuries, der Franken oder das Gold waren gesucht.

Die aktuelle Situation rund um Corona erinnert stark an die Vorweihnachtszeit des letzten Jahres.

Die Ansteckungszahlen explodieren und die Statistiken über Spitaleintritte und die Belegung der Intensivstationen, für die sich normalerweise nur Spitalverwaltungen und Gesundheitspolitiker interessieren, stehen im Rampenlicht. Einschränkungen im wirtschaftlichen und im gesellschaftlichen Treiben bis hin zu Lockdowns der verschiedensten Art werden fast täglich neu beschlossen und sind bald wieder überholt.

Im Frühwinter 2020 ging die Coronawelle an den Finanzmärkten vorbei. Die Aktienkurse stiegen um fast 10%, der Ölpreis um 20%. Der Franken war auf dem Wunschzettel der Investoren nicht zu finden und das Gold verlor rund 8% an Wert. Auslöser für diese Euphorie war die Zulassung der Corona-Impfstoffe von Pfizer BioNTech und Moderna in den USA und später auch in Europa. Mit der Aussicht auf die erlösende Impfung sprang die Nachfrage nach Gütern weltweit an und beflügelte die Fantasie der Investoren. Heute ist die Stimmung eine andere. Klagen über zu tiefe Impfquoten und eine starke Corona-Müdigkeit ohne Aussicht auf ein Ende dominieren die Schlagzeilen. Daher überrascht die Reaktion der Finanzmärkte vom Freitag nicht. So schwarz sieht die Situation aber nicht aus, insbesondere nicht im wirtschaftlichen Bereich.

Robuste Konjunktur

Das BIP in der Schweiz ist im dritten Quartal nach einem starken zweiten Quartal erneut um 1.7% gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr beläuft sich das Plus auf stolze 4.1%. Die neuen wirtschaftlichen Einschränkungen werden die Konjunktur natürlich belasten, insbesondere wenn es wieder zum Verbot von Veranstaltungen oder zu Schliessungen von Restaurants und anderen Einrichtungen kommen sollte. Die Erfahrungen vom letzten Winter zeigen, dass die wirtschaftlichen Folgen im Einzelfall zwar gravierend sind, auf der Eben der Volkswirtschaft sich aber in Grenzen halten. Die Leute und die Firmen haben gelernt, wie sie damit umgehen müssen und weichen auf andere Kanäle aus, beispielsweise den Online-Handel.

Wie weit die Einschränkungen in den nächsten Wochen gehen werden, wissen wir alle nicht. Die Wahrscheinlichkeit eines totalen Lockdowns wie zu Beginn der Corona-Pandemie ist aber gering. Insbesondere in den USA, dem für die Weltwirtschaft nach wie vor wichtigsten Markt, werden allfällige Massnahmen sehr lokal ausfallen. Trotz den neuen Reisebeschränkungen wird es keinen vollständigen Stillstand und keine Abriegelung der Grenzen mehr geben. Produkte werden weiterhin geliefert werden können, auch Montagen werden nicht mehr gestoppt. Das BIP in der Schweiz ist im vierten Quartal 2020 und im ersten Quartal 2021 jeweils lediglich um 0.1% gesunken, gefolgt vom starken Rebound im Sommer.

Chancen für Anlegerinnen und Anleger

Das wird auch in dieser Corona-Saison nicht anders sein. Die lokalen Dienstleistungen werden unter Druck geraten. Die global operierenden Firmen, insbesondere auch aus dem Industriesektor, werden dagegen weniger betroffen sein. Letztere sind aber diejenigen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden. Deshalb sollte der Einbruch der Kurse am Freitag nicht überbewertet werden. Geht die Korrektur weiter, würden sich gute Opportunitäten für Käufe auf einem tieferen Niveau ergeben.

 

Titelbild: OSORIOartist – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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