Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern: Anklage im Fall "PostAuto" zurückgewiesen

Für die Einsetzung von alt Bundesrichter Hans Mathys und Kantonsrichter Pierre Cornu als externe Verfahrensleiter durch das fedpol im Fall „PostAuto“ bestand keine formell-gesetzliche Grundlage.

Dies ist als schwerwiegender Mangel zu qualifizieren, was die Nichtigkeit der vom externen Verfahrensleiter und dessen Stellvertreter vorgenommenen bzw. angeordneten Verfahrenshandlungen und damit die Rückweisung des Verfahrens ins Untersuchungsstadium zur Folge hat.

In den ergänzten Schlussprotokollen gemäss Art. 61 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) vom 29. Juni 2020 wird den Beschuldigten Leistungsbetrug im Sinne von Art. 14 VStrR in Verbindung mit Art. 37 ff. des Subventionsgesetzes (SuG) vorgeworfen. Die Schlussprotokolle und die Akten des Verfahrens wurden dem Kantonalen Wirtschaftsstrafgericht durch die Staatsanwaltschaft Wirtschaftsdelikte am 10. September 2020 zur Beurteilung zugestellt, wobei die ergänzten Schlussprotokolle als Anklageschrift gelten.

Bei der gestützt auf Art. 329 der Strafprozessordnung (StPO) erfolgten Prüfung der Anklage stellte das Gericht fest, dass die Führung des Verwaltungsstrafverfahrens durch das fedpol gestützt auf Art. 39 Abs. 1 SuG auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Gemäss Art. 178 Abs. 3 der Bundesverfassung können Verwaltungsaufgaben auch an Organisationen und Personen übertragen werden, die ausserhalb der Bundesverwaltung stehen. Dazu bedarf es jedoch ebenfalls einer formell-gesetzlichen Grundlage. Für die Beauftragung von alt Bundesrichter Hans Mathys und Kantonsrichter Pierre Cornu, zweier verwaltungsexterner Personen, durch das fedpol fehlt es an einer solchen formell-gesetzlichen Grundlage.

Dies stellt nach Ansicht des Gerichts einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Die Regeln über die Zuständigkeit sind zwingender Natur. Bei Verfahrenshandlungen nicht zuständiger Behörden stellt sich unmittelbar die Frage einer Nichtigkeit, welche durch das Gericht bejaht wurde. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften hat regelmässig zur Folge, dass der angefochtene Akt aufzuheben ist, ohne dass ein tatsächlicher Nachteil nachgewiesen werden muss. Durch die Annahme der Nichtigkeit der Handlungen der beiden Verfahrensleiter ist die Rechtssicherheit nicht gefährdet, da noch keine verfahrenserledigenden Entscheide gefällt wurden.

Die mangels gesetzlicher Grundlage unzulässige Delegation der Untersuchung an verwaltungsexterne Dritte führt zur Nichtigkeit der von ihnen vorgenommenen Untersuchungshandlungen und Verfügungen. Aus diesem Grund liegen keine gültig erstellten Anklagen vor, über die das Gericht urteilen könnte. Es hat das Verfahren daher gestützt auf Art. 329 Abs. 2 StPO an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.

 

Quelle: Kantonales Wirtschaftsstrafgericht Bern
Titelbild: Denis Linine – shutterstock.com

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