Fallender Dollar: Den Greenback nicht zu früh abschreiben!

Der US-Dollar ist in den letzten zehn Tagen fast ungebremst, wie auf einer Rutschbahn, zum Franken von 0.94 auf unter 0.91 gefallen.

Im letzten Dezember lag der Kurs noch bei einem Franken. Gegenüber dem Euro hat er ebenfalls deutlich an Wert verloren.

Der Kurs EUR/USD ist seit Mitte Mai von 1.08 auf 1.18 gestiegen und nähert sich fast unaufhaltsam der psychologischen Marke von 1.20. Viele Prognosen sehen den US-Dollar noch deutlich schwächer. Momentan gibt es einige Gründe, die für diese Ansicht sprechen. Abschreiben sollte man den Greenback aber noch nicht.

Die aktuelle Kursentwicklung hat fundamentale Gründe, ist aber auch die Folge von viel Spekulation. So hat sich die Stimmung bei den spekulativen Anlegern um 180 Grad gedreht. War diese Investorengruppe im EUR/USD-Future Mitte Februar deutlich Long-US-Dollar positioniert, so hat sie nun eine massive Shortposition im Dollar aufgebaut. Diese ist so hoch wie seit dem Wahlsieg Emmanuel Macrons 2017 nie mehr. Solche Extrempositionen werden irgendwann wieder gedreht, spätestens wenn der Markt in die falsche Richtung läuft.

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Fundamentale Faktoren sprechen heute gegen US-Dollar

Daneben gibt es wie erwähnt auch fundamentale Faktoren, die gegen den US- Dollar sprechen. Die Covid-19-Epidemie ist in den USA ausser Kontrolle geraten, während die Länder in der Eurozone das Virus trotz wieder steigenden Ansteckungen einigermassen kontrollieren. Entsprechend ist in Europa wirtschaftlich eine gewisse Normalität eingekehrt, wenn man von Branchen wie dem Tourismus oder den grossen Veranstaltungen absieht. Davon ist die USA weit entfernt.

Politisch hat die EU mit dem Schnüren des massiven Hilfspakets für die Coronage- beutelten Länder Solidarität und Handlungsfähigkeit beweisen, während die USA drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen im politischen Chaos zu versinken droht. Die Fed hat ein düsteres Bild der Wirtschaft gemalt und gleichzeitig klar gemacht, dass sie bei Bedarf noch expansiver wird, d.h. noch mehr Geld ins System pumpt. Die EZB macht zwar das gleiche, aber der Markt interessiert sich nicht dafür. In der Summe dieser Trends spricht nicht viel für den Dollar.

Szenario für 2021

Nun denken wir mal sechs bis neun Monate voraus. Der Winter neigt sich dem Ende zu und die USA haben das Coronavirus auch unter Kontrolle gebracht. Vorzugsweise mit einer Impfung, wahrscheinlich noch ohne. Die US-Wirtschaft setzt zum Rebound an. Die pragmatischen Eigenschaften der Amerikaner kommen in solchen Situationen zum Tragen und generieren eine zusätzliche Dynamik. Das Wachstum in den USA ist daher stärker als in der Eurozone. Das Geld der EU ist zwar gesprochen, aber Projekte sind noch keine gestartet worden.

Die Entscheidungs- und Bewilligungsprozesse dauern in Europa schrecklich lange. Die amerikanischen Firmen geniessen still die Vorteile des schwachen Dollars, während die Exporteure in der Eurozone über den starken Euro jammern. Im Weissen Haus hat vielleicht eine neue Administration Platz genommen, die neue Projekte zur Ankurbelung der Wirtschaft an die Hand nimmt und versucht, das Ansehen der USA in der Welt zu verbessern. In der Eurozone haben sich dagegen Populisten wie Matteo Salvini oder Marine Le Pen wieder in den Vordergrund geschoben und wettern gegen die EU und gegen Deutschland. Die Fed spricht zwar immer noch von lange anhaltenden Nullzinsen, tönt aber optimistischer, während man immer noch nicht genau weiss, was die EZB will.

Die gleichen Leute, die heute den US-Dollar abschreiben, werden dann wieder das Ende des Euro heraufbeschwören. Die spekulativen Investoren werden ihre Shortpositionen im US-Dollar dann wieder drehen. Der US-Dollar wird momentan unter seinem Wert gehandelt und er kann in den nächsten Wochen noch schwächer werden. Die Gegenbewegung nach oben wird aber kommen und sie wird einen rechten Teil des Zerfalls wieder kompensieren. Ob es gegenüber dem Franken wieder zur Parität reicht, ist dagegen ungewiss.

 

Titelbild: Svetlana Lukienko – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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