Aktienmärkte: Bullenmarkt oder Bullenfalle? Weder noch!
VON Caroline Hilb Paraskevopoulos Finanzen News
Die globale Konjunktur steckt in einer tiefgreifenden Rezession, aber die Aktienmärkte haben seit dem Tiefstand knapp 40% zugelegt.
Ein I-Szenario mit einem unaufhaltsamen Wirtschaftsrückgang wäre der absolut „Worst Case“. Und obwohl die Wirtschaftszahlen sehr schwach sind, haben sie sich doch auf tiefem Niveau stabilisiert. Damit ist das I-Szenario vom Tisch.
Gleichzeitig führen viele Länder anstelle von Lockdown-Massnahmen Lockerungsmassnahmen ein, und zwar schneller als erwartet. Das stützt die Anlegerstimmung. Ob diese Entscheide im Hinblick auf die Verbreitung des Corona-Virus in den einzelnen Ländern sinnvoll sind, spielt für die Aktienmärkte aktuell keine Rolle. Sie nehmen eine Erholung 2021 vorweg, was einer V- oder U-Form entspricht. Die W-Form, die zu einer zweiten Welle passen würde, haben sie aktuell nicht auf dem Radar. Ohne zweite Welle dürfte sich eine U-Form ergeben und 2021 würde sich die Wirtschaft positiv entwickeln.
Die Notenbanken haben den Finanzsektor und die Kreditvergabe erfolgreich und schnell stabilisiert. Grassierendes Misstrauen im Bankensektor und versiegende Liquidität hätten einer erneuten Finanzkrise und einem Bärenmarkt Tür und Tor geöffnet, darum haben sie richtig reagiert. Der tiefgreifende Eingriff der Notenbanken ins Marktgeschehen sollte aber nicht zum Dauerzustand werden. Punktuelle und gezielte Massnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems und eines Währungsraumes sind notwendig. Notenbanken im „Dauerrettungseinsatz“ setzen aber das in sie gesetzte Vertrauen aufs Spiel, ohne das sie ihre Durchschlagskraft verlieren. Was die Aktienmärkte kurzfristig unterstützt, kann so langfristig zum Bumerang werden und die Märkte belasten.
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Fiskalpakete: Überraschend schnelle Retter in der Not
Ebenfalls positiv auf die Aktienmärkte haben die umfassenden Fiskalpakete gewirkt. Diese haben die negativen Auswirkungen abgefedert und auch für Optimismus gesorgt. Sinnvolle Pakete sind die Kurzarbeit oder auch die Covid-19 Kredite in der Schweiz. In den USA zählt die Ausweitung der Arbeitslosenhilfe dazu, die bei der aktuell hohen Arbeitslosenrate und einem schmalen Sozialversicherungssystem notwendig ist. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland zählt zu den guten Beispielen. Eher kritisch dagegen ist die Abwrackprämie in Frankreich zu werten, welche einmalig wirkt und darum auch ökonomisch nicht nachhaltig ist. Gerade weil diese Pakete zu einer höheren Staatsverschuldung führen, ist der Nachhaltigkeitsaspekt wichtig – mittelfristig auch für die Aktienmärkte.
Grösstes Risiko: Zweite Welle und Geopolitik
Sind wir nun also bereits in einem neuen Bullenmarkt oder tappen Investoren in eine Bullenfalle? Weder noch. Die unterstützenden Massnahmen federn die ökonomischen Auswirkungen ab, die Risiken sind aber nicht vom Tisch. Das grösste Risiko wäre eine zweite Welle. Diese würde das zarte Pflänzchen der Konjunkturerholung zertrampeln. Ebenfalls hätten die Notenbanken und die Staaten Mühe, bereits neue Stimuli zu bieten.
Zusätzlich würde eine zweite Welle das Finanzsystem massiv belasten. Andere Risiken sind im Moment gar nicht auf dem Radar der Anleger, beispielsweise der schwelende Konflikt zwischen den USA und China. Dieser hat in den letzten Tagen wieder an Schärfe gewonnen und auch die politischen Unruhen in den USA in Zeiten einer tiefen Rezession sind an den Märkten vorbeigezogen. Wie weiter? Aktien sind ein Engagement mit Zukunft, aber Wachsamkeit und qualitativ starke Firmen bleiben für erfolgreiches Anlegen unerlässlich – ob defensiv oder zyklisch ist aber etwas weniger von Bedeutung als noch vor einigen Wochen. Hier zahlt sich eine gute Mischung aus.
Titelbild: bluebay – shutterstock.com