Muss die Geldpolitik reformiert werden?

Die aktuelle Geldpolitik mit extrem tiefen oder sogar Negativzinsen wird immer mehr in Frage gestellt. Einige Ökonomen kommen zum Schluss, dass sich die ultraexpansive Geldpolitik der Notenbanken totgelaufen hat.

Angesichts der bereits extrem tiefen Zinsen ist der Stimulus durch eine weitere Zinssenkung in der Realwirtschaft bereits sehr klein und auch an den Finanzmärkten schwächer als noch in den Blütezeiten von QE 2011 und 2013. Aber ist die Geldpolitik wirklich machtlos geworden, wie kritische Stimmen monieren, oder sind die Erwartungen einfach zu hoch?

Es ist nicht ganz unbegründet, dass die Erwartungen an die Wirksamkeit der Notenbankpolitik sehr hoch sind. Immerhin hat die expansive und auch koordinierte Geldpolitik im September 2008 die Weltwirtschaft vor einer starken Rezession wie 1929 bewahrt. Aber dieses „Medikament“ hatte eben auch seine Nebenwirkungen. Diese zeigen sich beispielsweise am Reformstau in einigen Ländern, welcher von der Geldpolitik indirekt sogar mitgetragen wurde. Die Wirtschafts- und Fiskalpolitik hat sich in vielen Ländern in den letzten zehn Jahren kaum verändert. Nur in Griechenland, Spanien oder Island, wo die  Finanz- oder Eurokrise mit voller Wucht zuschlugen und der Druck von aussen gross war, gab es Reformen. In Italien oder Frankreich ist jedoch nichts dergleichen geschehen. Diese Länder haben von den tiefen Zinsen profitiert.

Offenbar kann Geldpolitik Schwierigkeiten abfangen, aber keine strukturellen Reformen auslösen. Sie agiert mit Zinssenkungen oder Anleihenkaufprogrammen indirekt und ist gewollt – wegen ihrer Unabhängigkeit – nicht Teil des (fiskal-) politischen Prozesses. Die Erwartungen an die Notenbanken, wirtschaftliche Probleme im Alleingang lösen zu können, sind aufgrund dieser Konstellation zu hoch.

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Welche Reformen braucht die Geldpolitik?

Die Anleihenkaufprogramme können kurz- bis mittelfristig Entspannung bringen und sollten von den Notenbanken auch weiterhin genutzt werden, um akute Krisen oder negative Wechselwirkungen vom Finanzmarkt auf die Realwirtschaft abzufedern. Sie dürfen aber keine Dauerlösung werden, weil sie dann ihre Wir- kung verlieren. Die Negativzinsen belasten die Stimmung ebenfalls, haben aber auch einen realwirtschaftlichen Effekt, weil sie langfristig Spargelder besteuern. Hinzu kommt eine negative Signalwirkung. Falls etwa die SNB die Zinsen weitersenken würde, gäbe sie ein Krisensignal in einer Wirtschaftslage, die zwar schwächelt, aber sich nicht bedrohlich entwickelt. Zusätzliche würde die SNB durch eine weitere Zinssenkung den politischen Druck auf sich erhöhen.

Keine Reform, aber Neupositionierung

Die Geldpolitik braucht keinen neuen Goldstandard und auch kein System der fixen Wechselkurse. Eine tiefgreifende Reform oder Ausweitung der geldpolitischen Massnahmen ist nicht nötig. Dringend erforderlich wäre aber eine Neupositionierung der Notenbanken und ein Rückzug in die zweite Reihe. Aktuell dominieren die Hoffnungen und Erwartungen, dass die Notenbanken die „Sache schon regeln“ zu stark. Ihre Wirkungskraft wird dadurch über die Zeit ausgehöhlt und kann sie zu Opfern ihres eigenen Erfolgs machen.

Die EZB könnte am 12. September ihren Referenzzinssatz marginal senken und Quantitative Easing aktivieren. Am 18. September dürfte die Fed ihren Leitzins senken und möglicherweise ihr Anleihenkaufprogramm wiederaufnehmen. Am 19. September ist die SNB an der Reihe. Ich erwarte keine weitere Zinssenkung, aber der Franken wird ein grosses Thema sein.

 

Titelbild: Pixeljoy – shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Hilb Paraskevopoulos

Caroline Hilb Paraskevopoulos ist Leiterin Anlagestrategie und Analyse der St.Galler Kantonalbank. Sie ist verantwortlich für die globale Konjunkturanalyse sowie der Situation der Finanzmärkte. Ihre Analysen dienen als Grundlage für die Entscheide im Rahmen des Anlageprozesses. Sie ist hauptverantwortlich für die interne und externe Kommunikation der monatlichen Anlagepolitik. Sie hat an der Universität Bern Volkswirtschaft studiert.

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