NAB Regionalstudie 2018: Mehr Flexibilität und neue Berufsprofile im Kanton Aargau

Der Kanton Aargau bietet im Schweizer Vergleich nach wie vor sehr attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmen. Dieses attraktive Wirtschaftsumfeld beinhaltet auch die Offenheit in der Begegnung mit neuen Arbeitsformen und Technologien.

Die NAB Regionalstudie zeigt, dass sich der Aargau beim Wandel der Arbeitswelt im Mittelfeld befindet, die regionalen Unterschiede jedoch nicht sehr ausgeprägt sind. Sowohl Teilzeitarbeit als auch andere flexible Arbeitsformen wie Job-Sharing oder Telearbeit sind im Aargau so verbreitet wie in der restlichen Schweiz.

Dank der hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Werk¬platzes muss sich der Aargau auch nicht davor fürchten, dass ihm aufgrund der Digitalisierung die Arbeit ausgeht. Die Chancen stehen gut, dass neue Wirtschaftszweige und neue Berufe entstehen werden. Im Hinblick auf die Reform der Unternehmenssteuern besteht jedoch weiterhin das hohe Risiko, dass der Aargau gegenüber anderen Kantonen an Attraktivität verliert.

Standortqualität: Aargau erneut auf dem dritten Platz Im Wettbewerb um die höchste Standortattraktivität der Schweiz konnte der Kanton Aargau 2018 erneut den dritten Rang hinter den Spitzenreitern Zug und Zürich einnehmen. Im Jahr 2015 hatte der Kanton Aargau noch den fünften Rang im Standortqualitäts-Ranking belegt.

Der Sprung nach vorne auf den dritten Platz war hauptsächlich auf eine tiefere Steuerbelastung der Unternehmen zurückzuführen. Sollten aber andere Kantone die im Rahmen der Unternehmenssteuerreform auf nationaler Ebene angekündigten Steuerreduktionen umsetzen, besteht das hohe Risiko, dass der Kanton Aargau trotz geplanter grosszügiger Ausschöpfung des Handlungsspielraums bezüglich Patentbox und Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Steuerwettbewerb um Unternehmen zurückfallen wird.

Arbeitsformen im Wandel

Die Bedeutung der herkömmlichen Arbeitsverhältnisse hat in den vergangenen Jahrzehnten stetig abgenommen. Internet und neue Informations- und Kommunikationskanäle erlauben eine weniger orts- und zeitgebundene Erbringung von Arbeitsleistungen. Teilzeitarbeit und flexible Arbeitsformen wie befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeit auf Abruf, Temporärarbeit, Telearbeit, Praktika, Freelance-Tätigkeiten oder Crowdwork sind entsprechend auf dem Vormarsch. Die Veränderung der Arbeitsverhältnisse ist jedoch unabhängig von der Digitalisierung bereits seit Längerem im Gange. Sie widerspiegelt den Einfluss verschiedener Faktoren, die ihren Ursprung, neben dem technischen Fortschritt, in der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung haben.

Flexible Arbeitsformen im Kanton Aargau

Die wohl am weitesten verbreitete flexible Arbeitsform ist die Teilzeitarbeit. Im Kanton Aargau arbeiten heute mit rund 37 % in etwa gleich viel Erwerbstätige Teilzeit wie auf nationaler Ebene. Über die letzten Jahre konnte in der Tendenz sowohl bei Frauen als auch bei Männern eine Angleichung an das Schweizer Mittel festgestellt werden und damit eine leichte Bewegung weg von einer stärker traditionell geprägten Rollenverteilung, bei der Frauen eher Teilzeit und Männer eher Vollzeit arbeiten. Mit 52 % aller Paare bleibt diese Arbeitsteilung im Kanton Aargau jedoch noch leicht übervertreten im Vergleich mit dem nationalen Mittel von 50%. Um auch im Teilzeitpensum die bisherige Tätigkeit weiterhin ausüben zu dürfen, greifen gut und hoch qualifizierte gerne auf Job-Sharing zurück.

Im Jahr 2016 arbeiteten 3.7 % aller Arbeitnehmenden in der Schweiz im Job-Sharing, im Kanton Aargau mit 4.2 % gar etwas mehr. Befristete Arbeit ist im Kanton hingegen etwas weniger stark verbreitet als im nationalen Durchschnitt. Eine aktuelle Auswertung der Stellenangebotsplattform Indeed für Ende August zeigt jedoch, dass Aargauer Firmen durchaus Interesse für diese Arbeitsform bekunden. Mit 20.3 % aller ausgeschriebenen Stellen waren sogar leicht mehr Temporärstellen im Angebot als im Schweizer Mittel (18.6 %).

Der traditionelle Arbeitsplatz verliert an Bedeutung Mobile Geräte wie Laptops oder Smartphones ermöglichen ortsunabhängiges Arbeiten. Bereits jeder fünfte Erwerbstätige in der Schweiz arbeitet heute entweder von zu Hause aus, von unterwegs oder von einem wechselnden Arbeitsort aus. Neben dem klassischen Home Office gewinnen sogenannte dritte Orte als mobiler Arbeitsplatz zunehmend an Bedeutung.

Dies können Bahnhöfe, Flughäfen, Cafés, Bibliotheken oder Shoppingumgebungen sein. Es gibt aber auch zunehmend gezielte Angebote für mobil arbeitende Erwerbstätige, wie zum Beispiel Bürogemeinschaften oder Coworking-Räume, die nicht zuletzt bei langen Pendelwegen eine interessante Alternative darstellen können. Im Kanton Aargau ist mobiles Arbeiten mit einem Anteil von 18.6 % der Erwerbstätigen im nationalen Vergleich zwar leicht unterdurchschnittlich verbreitet, Telearbeit wird jedoch von gut jedem fünften Aargauer Erwerbstätigen genutzt, praktisch gleich oft wie im Landesdurchschnitt.

Der hohe Industrialisierungsgrad der kantonalen Wirtschaft setzt gewisse Grenzen für die Verbreitung orts- und zeitunabhängiger Erwerbsformen, ist doch bei Industriebranchen ein grosser Teil der Tätigkeiten an die lokale Produktionsinfrastruktur gebunden. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass sich die Industrie zunehmend tertiarisiert und somit mehr Möglichkeiten für mobile Arbeitsformen bietet.

Nutzen und Grenzen flexibler Arbeitsformen Für Unternehmen bieten flexible Arbeitsformen Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz, zum Beispiel durch eine optimierte und letztendlich günstigere Nutzung von Büroräumlichkeiten, die Erschliessung eines breiteren Arbeitskräftepotenzials oder eine höhere Produktivität. Für Arbeitnehmende stehen neben der Einsparung von Wegkosten und -zeiten die individuelle Work-Life-Balance oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Vordergrund. Flexible Arbeitsformen sind jedoch auch mit potenziellen Risiken verbunden. Bei den Unternehmen können sie zu einem erhöhten Kontroll- und Koordinationsaufwand führen.

Für Arbeitnehmende können sich Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Arbeits- und Freizeit, bei sozialen Kontakten oder bei der beruflichen Weiterentwicklung ergeben. Im Rahmen der aufkommenden Plattformökonomie, zum Beispiel bei Crowdwork, sind zudem die rechtlichen Unsicherheiten nicht ausser Acht zu lassen.

Arbeit geht uns nicht aus

Die Digitalisierung verändert also die Art und Weise, wie wir arbeiten. Noch fundamentaler ist aber die Frage, ob wir überhaupt noch Arbeit haben werden. Wie hoch das Digitalisierungs- bzw. Automatisierungspotenzial einzelner Berufe ist, hängt von den spezifischen Tätigkeiten ab, die zur Berufsausübung nötig sind, wobei ein Beruf meist mehrere Tätigkeiten beinhaltet. Routinetätigkeiten sind dabei grundsätzlich digitalisierbar, unabhängig davon, ob sie kognitiver oder manueller Art sind. Nicht-Routinetätigkeiten und interaktive Tätigkeiten sind hingegen annahmegemäss nicht automatisierbar.

Basierend auf diesem Ansatz, wäre es in der Schweiz aus technischer Sicht möglich, ein Drittel aller Tätigkeiten (37 %) zu digitalisieren. Der Kanton Aargau liegt mit knapp 39 % leicht über dem Schweizer Schnitt. Grund dafür ist in erster Linie der hohe Anteil an Industrie-Arbeitsplätzen, die ein überdurchschnittlich hohes Substituierungspotenzial aufweisen.

Dieses theoretische Substituierbarkeitspotenzial heisst nun aber nicht, dass in den nächsten Jahren ein beträchtlicher Teil der Aargauer Arbeitsplätze auch tatsächlich durch Algorithmen und Roboter ersetzt wird. Technische Möglichkeit ist nämlich nicht mit tatsächlicher Realisierbarkeit gleichzusetzen. Oft ist trotz theoretischer Digitalisierbarkeit menschliche Arbeit qualitativ immer noch besser oder günstiger.

Entsprechend nahm von 2011 bis 2015 die gesamte Stellenzahl im Kanton Aargau um 3 % zu. Es werden also mehr Stellen geschaffen als digital ersetzt. Dabei entstehen dank der Digitalisierung auch neue Berufe. Man denke an Data Scientists, Interface-Designer, Social Media Manager, Influencer oder gar Coaches für Influencer. Diese optimistische Sicht bedingt jedoch, dass sich Erwerbstätige an diese Veränderungen anpassen können und wollen. Lebenslanges Lernen wird immer wichtiger, und seitens der Bildungsinstitutionen und der Unternehmen ist vor dem Hintergrund dieser Umwälzungen vorausschauendes und flexibles Handeln gefragt.

Titelbild: Sara Carnazzi Weber, Verfasserin der NAB Regionalstudie, und Roland Herrmann, CEO NAB

 

Quelle: Neue Aargauer Bank
Bildquelle: Neue Aargauer Bank

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