Brexit wird von Finanzmärkten unterschätzt

Am 29. März 2019, in weniger als sechs Monaten, wird Grossbritannien die EU verlassen. Der Brexit wird dann Tatsache. Wie das zukünftige vertragliche Verhältnis zwischen der Insel und dem Kontinent dann aussehen wird, steht in den Sternen.

Eine Lösung der offenen Streitpunkte wie die Grenze zwischen Irland und Nordirland ist nicht in Sicht. Dabei können es sich weder Grossbritannien noch die EU leisten, Ende März mit einem vertragslosen Zustand dazustehen.

Das Chaos und die Unsicherheit im täglichen Wirtschaftsleben wären immens. An den Finanzmärkten spiegelt sich diese Gefahr jedoch nicht Die Anleger scheinen davon auszugehen, dass man sich am Ende doch noch irgendwie einigt. Die Zeit dafür wird aber immer knapper.

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Der sensibelste Indikator für die Unsicherheit der Anleger bezüglich des Brexits ist das Britische Pfund. Im Vorfeld der Brexit-Abstimmung 2016 und unmittelbar nach dem Entscheid zum Verlassen der EU hat das Pfund deutlich an Wert verloren. Gegenüber dem Franken sank es um über 20% von 1.55 auf 1.20. Seither verlief die Kursentwicklung stabil und der Kurs bewegt sich im Bereich von 1.30. Dabei wäre das Pfund einer der grossen Verlierer, sollte es im nächsten Frühling zu einer unkontrollierten Trennung kommen. Das gleiche, wenn auch in einem gemilderten Ausmass, gilt für den Euro. Die Turbulenzen würden auch in der Wirtschaft der Eurozone ihre negativen Spuren hinterlassen und zu einer erhöhten Unsicherheit führen. Kursverluste des Euro gegenüber dem Dollar und dem Franken wären die Folge.

Bank of England in der Zwickmühle

Die britischen Zinsen widerspiegeln ebenfalls die Hoffnung oder Erwartung, dass es doch noch zu einer stabilen Einigung kommt. Die Rendite der zweijährigen Anleihe Grossbri- tanniens ist mit 0.92% auf den höchsten Stand seit 2014 gestiegen. Dies obwohl die Bank of England immer wieder vor den Folgen eines vertragslosen Brexits warnt und ihren Leitzins konstant halten muss.

Dabei würde eine für europäische Verhältnisse hohe Inflationsrate von 3.5% eine restriktivere Geldpolitik der britischen Zentralbank verlangen. Sollte es jedoch zu einem chaotischen Austritt kommen, müsste die Bank of England ihre Zinsen senken, um die Wirtschaft zu stützen, während das schwache Pfund gleichzeitig die Inflationsrate zusätzlich anheizen würde. Tiefere Zinsen bei den Staatsanleihen und explodierende Kreditrisikoprämien bei den Unternehmensanleihen wären die Folge.

Differenziertes Bild an den Aktienmärkten

Nach dem Brexit-Entscheid 2016 haben die Aktienkurse in London deutlich zugelegt. Die exportorientierten Firmen profitierten von der Schwäche des Pfundes während die inlandorientierten Unternehmen durch die wirtschaftliche Unsicherheit eines EU- Austritts belastet wurden. Die zweite Gruppe würde bei einem chaotischen Brexit erneut unter die Räder kommen, da eine deutliche Abschwächung der britischen Wirtschaft unvermeidlich wäre. Ob die Exportwerte mangels vertraglichen Rahmenbedingungen für ihr Geschäft mit ihrem Hauptabnehmer, der EU, von einer neuerlichen Pfundschwäche profitieren könnten, ist dagegen unsicher.

Ich habe ihnen heute viele „wäre“ und „würde“ präsentiert. Das zeigt, wie neu das Territorium eines unkontrollierten Austritts von Grossbritannien aus der EU wäre. Es ist daher zu hoffen, dass die Finanzmärkte mit ihrer Gelassenheit Recht haben und sich die beiden Parteien noch rechtzeitig über einen vernünftigen und für beide Seiten akzeptablen Austrittsvertrag einigen.

 

Titelbild: nito – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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