Zuversicht an der Wall Street – trotz politischer Turbulenzen

328 km ist New York von Washington entfernt. Für amerikanische Verhältnisse ist das ein Klacks. Dennoch scheinen die politischen Turbulenzen und die immer schriller werdenden Drohungen und Gegendrohungen im Handelsstreit zwischen der Regierung Trump und dem Rest der Welt für die Wall Street weit entfernt zu sein.

Die amerikanischen Aktienindizes haben seit Anfang Mai 5% zugelegt. Einen grösseren Einbruch gab es in dieser Zeit nie.

Das Nachrichtenkarussell in Washington dreht sich immer schneller. Auf welche Güter gegen wen ab wann nun Strafzölle in welcher Höhe erhoben werden, ist kaum noch überschaubar. Ökonomen und der IWF warnen, dass durch den Handelsstreit die Weltwirtschaft und der freie Handel bedroht sind. Diese Stimmen gehen jedoch im politischen Getöse unter. In der Zwischenzeit sind die ersten Strafzölle effektiv in Kraft, diejenigen auf Stahl und Aluminium.

Innenpolitisch geht es drunter und drüber

Wer jetzt von wem wegen was verklagt wird, ist nicht mehr zu überblicken. Zudem spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen Trump und dem Sonderermittler Mueller zu. Es ist jederzeit möglich, dass aus diesem Duell eine Verfassungskrise entsteht. Entweder wenn Trump die Ermittlung stoppt oder Mueller effektiv belastendes Material findet. Diese Auseinandersetzung hält das politische System in Atem und verhärtet die Fronten zwischen den Republikanern und den Demokraten so stark, dass der gesetzgeberische Prozess stillsteht. Das gross angekündigte Infrastrukturprojekt wird so nie Realität werden.

Die Brücken und Autobahnen verrotten weiter und die Impulse für die Wirtschaft, die von den Anlegern bejubelt wurden, bleiben Wunschdenken.

Der Herbst kommt schon bedrohlich näher und damit die nächste Diskussion um das Budget und die Schliessung der Verwaltung. Trump hat schon angekündigt, dass er kein Budget unterschreiben wird, dass seine Wahlversprechen wie die Mauer zu Mexiko nicht beinhaltet. Die Demokraten werden im nächsten Budgetstreit hart bleiben wollen, denn im November sind Wahlen. Diese werden schon jetzt als „sein oder nicht sein“ für die USA hochstilisiert. Trump hat Angst, dass eine Demokratische Mehrheit im Kongress ihn aus dem Amt jagt. Er tut darum alles, um seine Anhänger zu mobilisieren; Kollateralschäden sind ihm dabei egal.

Zuversichtliche Anleger – bis auf Weiteres

Dennoch steigen Aktienkurse nach dem Einbruch im Februar wieder. Zu den historischen Höchstständen fehlen nur noch drei Prozent. Die Anleger erfreuen sich an höheren Unternehmensgewinnen und einer gut laufenden Wirtschaft. Das US-BIP ist im ersten Quartal um 2.2% gestiegen. Das ist weniger als in den Vorquartalen, aber für die wetterbedingt schwächeren Wintermonate ein guter Wert. Die Stimmung bei den Konsumenten ist bestens. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem tiefsten Wert seit 48 Jahren. Die Fed rühmt die Konjunktur ebenfalls. Sie erhöht zwar die Zinsen und entzieht der Wirtschaft seit dem letzten Herbst regelmässig Liquidität. Sie macht das aber so ruhig und überlegt, dass die Anleger das nicht negativ sehen. Die Frage stellt sich aber doch, wie lange diese Kokon-Haltung der Wall Street anhalten kann.

Entscheidend wird die Wirtschaft sein. Früher oder später werden die höheren Zinsen die US-Wirtschaft schwächen. Das wird aber noch nicht in diesem Jahr und wahrscheinlich auch nicht im ersten Halbjahr 2019 der Fall sein. Für ein solches Szenario sind noch keine Anzeichen zu erkennen. Kurzfristig gefährlicher sind der Handelsstreit und die Strafzölle. Diese werden auf einzelne Firmen und Regionen negative Auswirkungen haben. Zudem werden die importierten Güter, und das sind in den USA viele, teurer. Wenn sich die Meldungen über die „Verlierer“ im Handelsstreit häufen, kann die Stimmung unter den Konsumenten und den Firmen drehen. Ein schwächerer Konsum und weniger Investitionen werden zu schwächeren Wirtschaftsdaten führen und den Anlegern die Stimmung verderben. Noch sind wir nicht soweit, aber es lohnt sich, aufmerksam auf die Stimmungsbarometer zu achten

 

Titelbild: mezzotint – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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