Mutterschaftsleistungen – eine komplexe Angelegenheit: Das gilt es zu beachten

Die Schweiz hat 2005 als letztes europäisches Land eine staatliche Mutterschaftsversicherung eingeführt.

Während viele Arbeitgeber schon vorher Mutterschaftsleistungen über eine private Versicherungslösung angeboten haben, wurde mit der staatlichen Lösung ein allgemeiner Anspruch für alle Arbeitnehmerinnen eingeführt, und die Regelung leider auch deutlich bürokratisiert.

Auch nach über zehn Jahren staatlicher Mutterschaftsversicherung stellen wir bei den betroffenen Arbeitgebern immer wieder grosse Unsicherheit in der Umsetzung und Abwicklung von Leistungsfällen fest. Diese sind komplex, denn meist sind neben der staatlichen Mutterschaftsversicherung noch Lohnfortzahlungspflichten des Arbeitgebers und Leistungen weiterer Versicherungen zu berücksichtigen.

Im Folgenden geben wir Ihnen deshalb einen Überblick über die Regelung von Mutterschaft und Mutterschaftsleistungen:

Vor der Geburt

Das schweizerische Arbeitsrecht sieht vor, dass eine Frau bis zum Tag vor der Geburt voll arbeitsfähig ist – frühere Arbeitsausfälle gelten als Krankheit. Den Autoren ist tatsächlich ein einziger Fall bekannt, wo bis zum Tag vor der Geburt voll gearbeitet wurde – üblich ist das jedoch überhaupt nicht: Häufig ist eine Arbeitstätigkeit bis etwa 3-6 Wochen vor dem Geburtstermin möglich, danach geht es einfach nicht mehr.

Zunächst gilt nun die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers im Krankheitsfall. Viele Arbeitgeber haben zusätzlich eine Krankentaggeldversicherung (KTG) abgeschlossen, die üblicherweise nach 30 Tagen Karenzfrist an die Stelle der Lohnfortzahlung tritt und ein Taggeld in Höhe von 80% des Lohnes auszahlt. Der Arbeitgeber kann entweder nur dieses weitergeben, oder freiwillig den Lohn auch weiterhin auf 100% ergänzen. Hier wird also der Arbeitsausfall bereits von zwei weiteren Stellen (Arbeitgeber und private KTG) getragen.

Die Geburt – ein militärischer Akt?

Mit dem Tag der Geburt beginnt nun die Leistungspflicht der staatlichen Mutterschaftsversicherung, die exakt 98 Tage oder 14 Wochen lang 80% des letzten Lohnes mit gewissen betragsmässigen Obergrenzen zahlt. Diese Mutterschaftsentschädigung wird über die Erwerbsersatzordnung (EO) abgewickelt, die auch den Lohnersatz für geleistete Militär- und Zivilschutztage abdeckt, und funktioniert weitgehend nach denselben Regeln wie diese. Der Gesetzgeber hat also sozusagen die Geburt einem Militäreinsatz gleichgestellt – zumindest was deren Bezahlung angeht.

Der Antrag muss, genauso wie für die EO auch, bei der AHV-Ausgleichskasse des Arbeitgebers gestellt werden, und als Nachweis ist entweder eine Kopie der Geburtsurkunde oder des Familienbüchleins erforderlich. Gleichzeitig sollte geklärt werden, welcher der beiden Elternteile die Kinderzulage zugut hat, und eventuell auch dafür gleich ein Antrag gestellt werden.

Während bei den früheren privaten Versicherungslösungen eine gewisse Flexibilität bezüglich Beginn und Ende der Leistung bestand und teils kreative Modelle im Sinne der Arbeitnehmerin möglich waren, sind diese nun mit der staatlichen Versicherung starr geregelt. Die Leistung beginnt zwingend am Tag der Geburt, und falls die Arbeitnehmerin vor Ablauf der 14 Wochen ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt (und sei dies nur aushilfsmässig oder kurzzeitig), dann endet die Mutterschaftsleistung sofort auf diesen Zeitpunkt hin.

Ergänzungen durch grosszügige Arbeitgeber

Auch für die Zeit der staatlichen Mutterschaftsentschädigung hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, entweder nur die erhaltenen Taggelder weiterzugeben, oder freiwillig den Lohn auf 100% zu ergänzen. Diese Ergänzung kann er entweder auf eigene Kosten (analog der Lohnfortzahlung) erbringen, oder die Differenz über die Krankentaggeldversicherung als sogenanntes Geburtengeld versichern. In diesem Fall würde die Versicherung die Differenz zahlen.

Ganz grosszügige Arbeitgeber können auch die Bezugsdauer der Mutterschaftsleistungen verlängern, indem sie etwa zwei weitere Wochen Geburtengeld über ihre KTG-Versicherung abdecken. Dies sehen wir insbesondere dort, wo schon vor Einführung der staatlichen Mutterschaftsentschädigung ein privates Geburtengeld über 16 Wochen versichert war und man die Leistungen nicht nach unten anpassen wollte.

Individuelle Verlängerungen

Nach Ende der staatlichen Mutterschaftsleistungen und allfälliger privater Ergänzungen durch den Arbeitgeber besteht grundsätzlich wieder volle Arbeitsfähigkeit. Häufig besteht aber der Wunsch, die arbeitsfreie Zeit auf individueller Basis zu verlängern.

Hierfür eignet sich zunächst der Bezug von aufgelaufenen Ferientagen. Diese können nicht nur aus der Zeit vor der Babypause stammen, sondern auch während der Dauer der Mutterschaftsentschädigung entstehen zusätzliche Ferienansprüche: Während der Ferienanspruch bei längerer Krankheit nach dem ersten Monat pro rata gekürzt werden kann, ist das während des Bezugs der staatlichen Mutterschaftsleistung ausdrücklich nicht zulässig. Bei einem Ferienanspruch von vier Wochen und 100% Pensum entsteht so während der Dauer der staatlichen Entschädigung etwas mehr als eine zusätzliche Ferienwoche. Ebenso können auch allfällig noch vorhandene Überstunden kompensiert werden.

Eine darüber hinausgehende Verlängerung der Babypause wird, das Einverständnis des Arbeitgebers vorausgesetzt, in der Regel als unbezahlter Urlaub gewährt. Faktisch entspricht das einem Austritt mit späterem Wiedereintritt, und es ist unbedingt zu klären, wie während des Unterbruchs die Versicherungsdeckung der Arbeitnehmerin – in der Regel auf eigene Kosten – erhalten bleiben kann. Hierzu eignet sich etwa die Unfall-Abredeversicherung. Einzelne Pensionskassen bieten auch die Möglichkeit, entweder nur die Risikodeckung oder auch die gesamte Vorsorge fortzuführen. Da hier individuelle Lösungen erforderlich sind, sollten diese Fragen bei einem entsprechenden Unterbruchswunsch frühzeitig angegangen werden.

Arbeitnehmerinnen mit Wohnsitz im Ausland haben unter Umständen noch weitergehende staatliche Leistungen aus ihrem Heimatland zugut, in Deutschland beispielsweise Elterngeld oder Elternzeit genannt. Diese Leistungen müssen gegebenenfalls privat organisiert werden und laufen nicht über den schweizerischen Arbeitgeber. Dieser kann nur allfällig für den Antrag erforderliche Bestätigungen ausstellen. In der Schweiz werden solche Zeiträume als unbezahlter Urlaub behandelt, und es gilt das oben Beschriebene.

Komplikation Sozialversicherungsabzüge

Wir haben nun drei verschiedene Quellen, aus denen Zahlungen zur Abdeckung der Babypause stammen, und diese werden in Bezug auf die Sozialversicherungen jeweils unterschiedlich behandelt:

Lohnfortzahlungen des Arbeitgebers sind wie normaler Lohn allen Sozialversicherungen unterstellt, also sowohl AHV- als auch UVG/KTG-pflichtig. Krankentaggelder und allfällige KTG-Geburtengelder hingegen sind weder AHV- noch UVG/KTG-pflichtig, und es sind auf diesen keine entsprechenden Lohnabzüge vorzunehmen.

Die staatliche Mutterschaftsentschädigung ist ebenfalls nicht UVG/KTG-pflichtig, hingegen ist sie voll AHV-pflichtig, und die entsprechenden AHV-Abzüge sind vorzunehmen und abzurechnen. Der Arbeitgeber erhält aber mit der Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung seine AHV-Arbeitgeberbeiträge zurückerstattet. Alle drei Leistungen gehören zum steuerpflichtigen Lohn und sind auf dem Lohnausweis entsprechend zu bescheinigen, und wo zutreffend ist darauf auch Quellensteuer abzuführen.

Da auf den Mutterschafts- und KTG-Leistungen gewisse Lohnabzüge nicht vorgenommen werden, führt das bei der freiwilligen Ergänzung auf 100% Lohn durch den Arbeitgeber dazu, dass der ausbezahlte Nettolohn höher ist als wenn die Arbeitnehmerin voll gearbeitet hätte. Dies kann falls gewünscht mittels Nettolohnausgleich korrigiert werden.

Ein umfangreiches Beispiel

Die Komplexität der Mutterschaftsleistungen lässt sich am besten mit einem Beispiel aufzeigen: Frau X. brachte am 7. Juni eine Tochter zur Welt. Sie konnte letztmals am 28. April arbeiten und war ab 29. April krankgeschrieben. Ihr Arbeitgeber hat eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, die nach 30 Tagen Karenzfrist 80% des Lohnes zahlt, zusätzlich ist über diese auch eine 15. und 16. Woche Geburtengeld zu 80% versichert. Ihr Arbeitgeber ist zudem äusserst grosszügig und ergänzt den ausbezahlten Lohn während der ganzen Dauer der Arbeitsunfähigkeit auf 100%.

Daraus ergeben sich nun folgende Leistungen:

Periode Tage Leistung
29.04. – 28.05. 30 100% Lohnfortzahlung
29.05. – 06.06. 9 80% Krankentaggeld  +  20% Lohnfortzahlung
07.06. – 12.09. 98 80% Mutterschaftsentschädigung  +  20% Lohnfortzahlung
13.09. – 26.09. 14 80% KTG-Geburtengeld  +  20% Lohnfortzahlung
27.09. – 03.10. 5 100% Lohn (Bezug der aufgelaufenen Ferientage)

In der Praxis der Lohnadministration hat es sich bewährt, gleich nach Bekanntwerden der Geburt einen Jahreskalender zur Hand zu nehmen, dort die Tage abzuzählen und einzuzeichnen, wer für welche Perioden welche Leistungen erbringen muss. Darauf basierend können dann alle nötigen Anträge gestellt und die entsprechenden Daten in die Lohnbuchhaltung eingepflegt werden.

Fazit

Die schweizerische Regelung der Mutterschaftsentschädigung erweist sich als wesentlich komplexer als auf den ersten Blick ersichtlich. Dies fällt spätestens dann auf, wenn eine Ihrer Mitarbeiterinnen ein Kind bekommt und Sie einen solchen Fall in Ihrer Lohnbuchhaltung umsetzen müssen. Gerade die vielen Beteiligten, die jeweils ihre eigenen Regeln zur Bemessung der Leistung haben, und die unterschiedlichen Regeln für die Lohnabzüge sind anspruchsvoll. artax verfügt über die nötige Erfahrung und kann Sie auch in diesem Bereich der Lohnadministration unterstützen.

 

Quelle: artax Fide Consult, Mitglied von Morison KSi, www.artax.ch
Titelbild: BlueSkyImage – shutterstock.com

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Lic.rer.pol. Urs Fischer (Foto) ist Treuhänder / MWST-Spezialist STS und zugelassener Revisor RAB. Elisabeth Stanojevic ist zertifizierte Sachbearbeiterin Rechnungswesen / Steuern und Payroll-Spezialistin NBW.

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