Die vier Entwicklungspfade der IT von Gründern und Startups

Jeder Gründer, egal welcher Branche, braucht heutzutage IT. Anfangs sind die Anforderungen überschaubar und können in den meisten Fällen mit der privaten Hardware und kostenlosen Cloud-Diensten bedient werden.

Doch Gründer kommen schnell an einen Punkt, an dem sie ihre IT weiterentwickeln müssen. Entweder sind es zusätzliche Mitstreiter oder der Wunsch nach neuen oder integrierten Funktionen, die dazu führen, dass Entwicklungsbedarf entsteht. Überstürzte Entscheidungen zu diesem Zeitpunkt können mittel- und langfristig viel Frust und hohe Kosten produzieren.

Dieser Artikel ist ein Erfahrungsbericht und gibt einen Überblick über die typische funktionale und monetäre Entwicklung einer Gründer-IT. Der Artikel soll anderen Gründern und Jungunternehmern helfen, die richtigen Entscheidungen zur Weiterentwicklung der IT zu treffen.

Der Anfang ist schnell gemacht

Gründer haben zu Beginn Ihrer Geschäftstätigkeit unglaublich viel um die Ohren. Das Thema IT nimmt dabei häufig eine untergeordnete Rolle ein. Nicht ganz zu Unrecht, den die wichtigsten Voraussetzungen sind praktisch in jedem Haushalt vorhanden. Jeder Jugendliche hat heutzutage ein eigenes Notebook, ein Handy und Zugang zum Internet. Mit dieser Hardware-Ausstattung fehlt nicht mehr viel zur vorläufigen Gründer IT-Ausstattung. Eine eigene .ch-Domain gibt es für wenige Franken im Monat und mit WordPress oder einem Web-Framework wie Canvas lassen sich auch ohne Webdesigner schicke und funktionale Webseiten bauen.

Die meisten Cloud-Dienste wie Dropbox, Google Docs, Evernote, Trello oder die iCloud locken mit kostenlosen Einstiegsangeboten für Privatpersonen. Die Vermischung von Privatem und Geschäftlichem wird bewusst ignoriert oder billigend in Kauf genommen.

Die Anforderungen steigen, die ersten Weichenstellungen werden getroffen.

So einfach die anfänglichen Anforderungen an die Technik auch sein mögen, mit zunehmender Geschäftstätigkeit wandeln sich auch die Bedürfnisse und Wünsche. Dieser Wandel ist dabei in den seltensten Fällen durch den Gründer selbst initiiert, sondern wird durch externe Veränderungen hervorgerufen. Dies kann z. B. eine Vergrösserung des Teams sein, die den effizienten Datenaustausch, ortsunabhängiges Arbeiten oder die Terminkoordination erforderlich macht. Oder es ist eine Professionalisierung notwendig in Form eines neuen Webshops, einer effizienteren oder automatischen Rechnungsstellung, einer durchsuchbaren Kundeninteraktionshistorie oder der Möglichkeit, umfangreichere Projekte effektiv zu planen und umzusetzen.

Selbst wenn das gesamte Unternehmen von Anfang an auf schlanke und überschaubare Prozesse ausgerichtet ist, werden irgendwann unterstützende Prozesse hinzukommen wie z. B. die Abrechnung oder die Mitarbeiterverwaltung, welche wiederum den Wunsch nach einer Integration der eingesetzten IT-Systeme aufkommen lässt.

Natürlich werden zu diesem Zeitpunkt die Anforderungen zunehmend firmenspezifisch und lassen sich nicht mehr zwangsläufig mit kostenlosen Diensten und Software abbilden. Trotzdem wünscht sich jeder Unternehmer eine lückenlos funktionierende, gemeinsame Arbeitsplattform, die zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten für das gesamte Team ermöglicht. Nur wenn alle Daten und Informationen jedem Teammitglied jederzeit, auf jedem Gerät und von überall zur Verfügung stehen, kann ein Unternehmen wirklich sein volles Potenzial entfalten.


Gründer kommen schnell an einen Punkt, an dem sie ihre IT weiterentwickeln müssen. (Bild: Monkey Business Images – Shutterstock.com)

Realistische Bedarfsanalyse zum Schutz vor Fehlinvestitionen

Die Investitions- oder Lizenzkosten einer professionellen IT überraschen häufig die Gründer, welche die IT zu Beginn noch als gegeben und später als erheblichen Kostenfaktor ansehen. An diesem Scheidepunkt angelangt, ist es aus unserer Sicht zwingend erforderlich, dass das Startup eine realistische Bedarfsanalyse vornimmt und die zukünftigen Anforderungen abschätzt.

Hier hängt es natürlich sehr stark von der Branche oder dem Geschäftsmodell ab, welche Ergebnisse diese Analyse bringen wird. Trotzdem gibt es gemäss unserer Erfahrung eine gewisse Schnittmenge, die allen Unternehmen gemeinsam ist: Eine zentrale Datenspeicherung wird immer benötigt. Die interne und externe Kommunikation erfordert eigentlich immer eine Telefonanlage, E-Mail-Konten, eine Webseite und ein Customer-Relationship-Management (CRM) System.

Auch Home-Office oder Arbeiten von unterwegs wird zwangsläufig irgendwann benötigt und bei projektbezogenem Arbeiten kommt man irgendwann um ein Projektmanagement-Tool nicht herum. Zum Schutz der Daten sollte man nicht an der Datensicherung sparen.

Die richtigen Konsequenzen aus der Bedarfsanalyse ziehen

Basierend auf der Bedarfsanalyse gilt es nun, die verschiedenen Möglichen zu bewerten. Grundsätzlich kann man vier Ziele ausmachen, die ein junges Unternehmen mit seiner IT verfolgen kann. Alle vier Zielrichtungen sollen im folgenden Text erklärt und veranschaulicht werden:

  1. Minimierung der Kosten
  2. Minimierung der Komplexität
  3. Reduzierung auf einen Anbieter
  4. Für jede Anforderung die beste Lösung (Maximierung der Funktionalität)

Minimierung der Kosten

Bei der Minimierung der Kosten versucht ein Unternehmer, mit den Limitationen der anfänglichen IT zu leben. Es mag sein, dass irgendwann der Speicherplatz der Dropbox knapp wird oder der Passwortschutz für freigegebene Dokumente fehlt. Doch anstatt etwas an der IT bzw. Software zu ändern, werden Workarounds geschaffen oder die Anforderungen ignoriert.

Der Ansatz, die IT Ausgaben auf Kosten der Effizienz minimal zu halten, mag für kleine Unternehmen und Einzelkämpfer möglich sein, ist jedoch langfristig unsinnig. Wenn man anhand erster Erfolge die eigene Geschäftsidee bestätigen konnte, sollte man kontinuierlich daran arbeiten, eine IT aufzubauen, die den Geschäftserfolg unterstützt und sich nicht unnötig mit irgendwelchen Workarounds aufhalten.

Minimierung der Komplexität

Unternehmer, die diese Zielsetzung verfolgen, haben typischerweise ein zwiegespaltenes Verhältnis zur Technik. Auf der einen Seite wissen Sie um die Notwendigkeit und den Wert der Informationstechnologie für Ihre Arbeit, auf der anderen Seite möchten Sie jeden Berührungspunkt mit dieser vermeiden. Diese Unternehmer verwenden gerne Cloud-Dienste und Anwendungen, um die Sie sich nicht kümmern müssen. Dabei legen Sie wenig Wert auf bekannte Namen oder Hersteller. Ihnen geht es darum, den Aufwand mit jeder einzelnen IT-Komponente zu minimieren.

Wenn die Suche in PDF-Dateien dringend gebraucht wird und die nur mit einem Pro Account möglich ist, dann wird der Business-Account gebucht. Für die Telefonie verwenden diese Unternehmer gerne eine Cloud-basierte Telefonanlage. Häufig ist zu beobachten, dass diese Unternehmer eng mit dem Apple-Universum verbunden sind, weil dann aus Ihrer Sicht vieles einfach und automatisch funktioniert. Die tendenziell höheren Lizenz- und Anschaffungskosten werden zwar nicht vollständig ausgeblendet, stehen als Entscheidungskriterium jedoch deutlich hinter dem Wunsch nach Einfachheit zurück.

Diese Herangehensweise hat durchaus Ihren Charme, weil Sie den Arbeitsaufwand minimiert und gerade in den ersten Jahren dem Unternehmer viel Arbeit erspart. Kritischer sehen wir die Tatsache, dass diese Unternehmer häufig ihre eigenen Prozesse den Vorgaben der verwendeten Cloud-Dienste unterordnen und langfristig das Potenzial verschenken, eine individuelle und effiziente IT zu entwickeln.

Reduzierung auf einen Anbieter

Reduktion der Komplexität ist auch bei diesen Unternehmern das primäre Ziel. Ihnen kommt es jedoch weniger darauf an, dass die verwendete IT keinen Aufwand bedeutet, sondern diese Unternehmer möchten einen Ansprechpartner, der sich um die anfallenden Aufgaben kümmert. Dieses Ziel kann durch die Beauftragung eines Systemhauses erreicht werden oder durch den Kauf eines Produktes, dass die zentralen IT-Anforderungen erfüllt. In letzterem Fall bieten sich Lösungen wie der Univention Corporate Server oder der ionas-Server Small Business an.

Der Anwender wünscht sich ein vollständiges System von einem Anbieter, welcher sowohl die Installation, die Wartung und die Weiterentwicklung übernimmt. Diese Dienstleistung und Betreuung muss natürlich bezahlt werden, der Unternehmer erhält jedoch in der Regel ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes System, da die Lösungen passend zu den Anforderungen zugeschnitten werden können.

Dieser Ansatz funktioniert gut, wenn der Unternehmer seine Anforderungen genau spezifizieren kann. Wenn Anforderungen sich ständig ändern oder nur ungenau an den Dienstleister oder Anbieter kommuniziert werden, führt das zu höheren Kosten oder einem IT-System, welches unnötig komplex ist oder nicht den eigenen Bedürfnissen entspricht.

Für jede Anforderung die beste Lösung

Diese Unternehmer sind von sich aus sehr an IT interessiert und wollen selbst aktiv Ihre IT gestalten. Sie scheuen nicht die Komplexität und Herausforderungen von neuen oder wechselnden IT Systemen. Im Gegenteil, Sie versuchen immer das Optimum aus den eingesetzten Lösungen herausholen. Diese Unternehmer sind durchaus bereit, selbst die Administration Ihrer Lösungen zu übernehmen oder entsprechende IT Strukturen aufzubauen. Sie sind offen für neues und kombinieren bei Bedarf proprietäre mit open source und Cloud-Lösungen, um die Produktivität und Kosteneffizienz zu erhöhen.

Die Zahlungsbereitschaft dieser Unternehmer kann sehr unterschiedlich sein. Gemein ist ihnen jedoch, dass die Komplexität aus der Integration der verschiedenen Lösungen und der tendenziell hohe Aufwand die grösste Herausforderung bei diesem Ansatz ist. Wenn die Unternehmer diese Komplexität jedoch meistern, werden Sie mit einer effizienten Gesamtlösung belohnt.

Fazit

Keine der vorgestellten Handlungsoptionen per se richtig oder falsch. Wir haben jede Strategie bereits in der Realität erlebt und festgestellt, dass jede zu guten Ergebnissen führen kann. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Gründer die geeignete Strategie im konkreten Kontext seines Unternehmens wählt.

So sollte die Entscheidung insbesondere vor dem Hintergrund der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten getroffen werden. Ein Unternehmen ohne eigene IT Ressourcen sollte sich bewusst sein, dass der Aufbau einer eigenen IT ein steiniger Weg, durchsetzt mit vielen Fehlern und Rückschlägen, zu werden droht. Ein „lean-Startup“ sollte versuchen, einen Grossteil der IT extern zu sourcen.

Nach der Bedarfsanalyse sollte sich der oder die Gründer also auch selbstkritisch fragen, ob die gewählte IT-Strategie durch die eigenen Kompetenzen und Ziele gedeckt ist. Ein Mismatch ist ein Garant für Frust und Fehlinvestitionen. Gleichzeitig kann zum Zeitpunkt der Bedarfsanalyse noch jede notwendige Weichenstellung vorgenommen werden.

 

Artikelbild: © goodluz – Shutterstock.com

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Mehr zu Ralf Dyllick-Brenzinger

Nach seiner Promotion an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) hat Ralf Dyllick-Brenzinger wieder den stärkeren Bezug zur Praxis gesucht. Mit seinem Bruder Christoph gründete er daher Ende 2014 das online IT-Dienstleistungsunternehmen ionas – Ihr Online Assistent (www.ionas.ch). Das 6-köpfige Team von ionas bietet Privatleuten und kleinen Unternehmen IT-Beratung und Support. Da selbst ein Startup findet ionas die Zusammenarbeit mit anderen Startups besonders spannend.

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