Der Brexit und die Finanzmärkte

Als sich am 23. Juni eine knappe Mehrheit der Briten überraschend für den Austritt aus der Europäischen Union aussprach, brach für manchen EU-Befürworter eine Welt zusammen. Die Zukunft der Union schien ebenso in Frage gestellt wie die des Vereinigten Königreichs.

Im ersten Zorn über die Entscheidung forderte mancher hochrangige EU-Vertreter den sofortigen Austritt Grossbritanniens und harte Bedingungen dafür. Der britische Premier Cameron erklärte seinen Rückzug für den Herbst und spielte erst einmal auf Zeit.

Inzwischen haben sich manche Dinge geklärt, andere nicht. Gerade Anleger stellen sich nach wie vor viele Fragen zum Brexit.

Im Folgenden geben wir dazu die aktuellen SGKB Investment Views von Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank, wieder:

Ein Monat Brexit und wenig ist passiert

Seit der Brexit-Abstimmung am 23. Juni ist ein Monat vergangen. Um den Brexit ist es ruhig geworden. Grossbritannien hat wieder eine handlungsfähige Regierung, die betont, dass der Brexit geschehen werde. Beeilen damit will sie sich aber nicht und bis zu Beginn des neuen Jahres wird das formelle Austrittsgesuch auf sich warten lassen. Auch an den Finanzmärkten ist der Brexit nicht mehr allgegenwärtig. Wirtschaftliche Konsequenzen des Brexits sind bisher rein anekdotischer Natur.

Firmen wollen die Investitionen in Grossbritannien kürzen oder stoppen. Ökonomische Organisationen wie der IWF und viele andere warnen vor den Folgen und veröffentlichen Schätzungen über die Einbussen beim Wirtschaftswachstum in Grossbritannien und anderen Teilen der Welt. Gemeinsam ist diesen Prognosen, dass sie auf einem wackligen Fundament stehen und sich nicht auf harte Fakten abstützen können. In den effektiven Wirtschaftsdaten sind bisher kaum Auswirkungen des Brexits zu sehen. Ausgenommen sind Indikatoren, die auf Umfragen bei Firmen oder Privatpersonen basieren.

Aktienmarktschwäche korrigiert

An den Aktienmärkten wurden die Kursverluste vom 24. Juni rasch aufgeholt. Die US-Aktien befinden sich mittlerweile gar auf einem Allzeit-Höchst. Einzig die Aktien in der EU liegen noch etwas zurück, vor allem diejenigen in Südeuropa, sprich Spanien und Italien. Dies zeigt, dass die Aktienmärkte nicht davon ausgehen, dass die Weltwirtschaft durch den Brexit arg in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Brexit ist in erster Linie eine politische Frage, die die EU unter Druck setzt. Davon sind besonders die schwächeren EU-Länder betroffen.

Zinsen weiter tief

Bei den Zinsen sieht es anders aus. Der Zinsschub nach unten nach der Brexit-Abstimmung wurde nur zum Teil korrigiert. Dies gilt auch für die Zinsen in der Schweiz. Die Rendite der 10-jährigen Eidgenossen-Anleihe war von -0.40% auf -0.60% gesunken und liegt mittlerweile bei -0.51%. Dies hat damit zu tun, dass der Markt annimmt, die Zentralbanken werden nach dem Brexit ihre Zinsen noch sehr lange nicht erhöhen können, auch nicht die Fed. Diese Annahme könnte sich aber als falsch erweisen.

Stabiler Franken – Pfund unter Druck

Bei den Währungen ist Ruhe eingekehrt. Dies gilt auch für den EUR/CHF-Kurs. Die SNB hat nach dem Brexit mit Interventionen geholfen, den Franken stabil zu halten. Mittlerweile ist dies nicht mehr nötig. Der Brexit wurde nie als Euro-Problem dargestellt. Der Euro kam deshalb nicht unter Druck, was dem Franken auch geholfen hat. Das Britische Pfund hat sich auf einem tieferen Niveau bei 1.30 zum Franken stabilisiert. Die Aussichten für das Pfund sehen aber nicht gut aus. Die Wirtschaft Grossbritanniens wird unter dem Brexit leiden, was dem Pfund für die nächsten Jahre die Phantasie raubt.

Und was jetzt?

Der Brexit wird die Finanzmärkte immer wieder beschäftigen, beispielsweise bei der effektiven Einreichung des Austrittsgesuches. Die Märkte werden aber immer weniger darauf reagieren. Eine gut laufende US-Wirtschaft oder die Stabilität in China sind für gute Finanzmärkte viel wichtiger. Beide sprechen für einen ruhigen Sommer an den Börsen, Brexit hin oder her.“

 

Artikel von: St. Galler Kantonalbank
Artikelbild: © Zoltan Gabor – shutterstock.com

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