Lösungen in Zeiten der Frankenstärke

Die Wirtschaftslage in der Schweiz hat sich in den letzten Monaten spürbar verschlechtert. Seit Aufhebung des Euro-Mindestkurses haben Unternehmen einen Abbau von rund 15’000 Stellen in der Schweiz angekündigt. Doch nur rund 15% sind direkt auf die Frankenstärke zurückzuführen.

Statt Rezepte entlang des Links-Rechts-Schemas zu wiederholen, fordert die SKO die Politik und Wirtschaft auf, das Vertrauen in die Schweizer Wirtschaft zu stärken und ihre wichtigsten Herausforderungen gezielt anzupacken – ohne ideologische Scheuklappen. Wie, das erfahren Sie hier!

Beurteilte die SKO Mitte 2015 die Wirtschaftslage trotz Frankenstärke als vorsichtig positiv, so hat sie sich seither deutlich eingetrübt. Die Arbeitslosenquote ist inzwischen von 3.1% auf 3.8% gestiegen. Seit Aufhebung des Euro-Mindestkurses haben Unternehmen einen Abbau von rund 15’000 Stellen in der Schweiz angekündigt. Aber nur rund 15% dieses Stellenverlusts werden mit der Frankenstärke und Exportschwäche begründet. Diese Stellen werden zu einem Grossteil ins Ausland verlagert.

Frankenstärke nicht Hauptgrund für Stellenabbau

Der umfangmässig grösste Stellenabbau betrifft Unternehmen, wie Zürich, General Electric sowie Banken, die aus Kosten- bzw. Restrukturierungsgründen Stellen streichen. Vor allem im Dienstleistungssektor nutzen Unternehmen die Möglichkeit der Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen und verlagern Funktionen im kaufmännischen und IT-Bereich ins Ausland.

Der konjunkturell bedingte Stellenabbau wird durch die Folgen der Digitalisierung zusätzlich verstärkt: Veränderte Kundenbedürfnisse und die neue online-Konkurrenz ändern die Spielregeln ganzer Branchen, so dass die Kostenstrukturen etablierter Unternehmen durch Ausdünnen des Filialnetzes und Reduktion des Personalbestands angepasst werden müssen. Eine Studie von McKinsey geht davon aus, dass jeder vierte Arbeitsplatz in der westeuropäischen Versicherungsbranche in den nächsten zehn Jahren wegen der Digitalisierung verloren gehen könnte.

Auch die Studie des World Economic Forums „The Future of Work“ ortet aufgrund der Digitalisierung und neuer Technologien einen markanten zukünftigen Beschäftigungsrückgang in administrativen Funktionen.

Einfache Rezepte gibt es nicht

Die anhaltende Frankenstärke wird weitere Arbeitsplätze kosten. Es zeigt sich aber auch, dass es einige Industrieunternehmen schafften, 2015 trotz anspruchsvollem Umfeld Spitzenergebnisse zu erzielen. Die Kombination von Flexibilität und Mehrarbeit der Belegschaft und tiefen Energie- und Einkaufspreisen dank starker Aussenkaufkraft kompensierten die negativen Auswirkungen des starken Frankens.

Letztendlich muss jedes Unternehmen eigene Lösungsansätze finden, um die Produktivität zu steigern, beim Einkauf durch faires Einbinden der Lieferanten zu sparen oder ihre Positionierung und das Qualitätsniveau an Kostenstruktur und Kundenbedürfnissen anzupassen. Es ist als Hochpreisland wohl nicht vermeidbar, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einfache manuelle und automatisierbare Tätigkeiten in Niedriglohnländer verlagert werden.

Entscheidend ist, dass Innovationsprojekte und die Produktion von Spitzenqualität in der Schweiz erhalten bleiben. Das ist möglich, solange gute Rahmenbedingungen, eine kompetente, gut vernetzte und flexible Zuliefererstruktur sowie qualifiziertes Fachpersonal vorhanden sind.

Einfache Rezepte gegen die Frankenstärke gibt es nicht: Weder führt die von Gewerkschaften geforderte Interventionen zur Stützung des Frankens zu einer Umkehr der Nationalbank-Politik, noch können die von Arbeitgeberseite geforderten besseren Rahmenbedingungen durch Abbau von Vorschriften und Gesetzen sowie neue Freihandelsabkommen rasch umgesetzt werden.

Gute Standortfaktoren und Vertrauen als gemeinsame Basis

Die Schweiz hat in den letzten Monaten ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt. So hat die Erhöhung der Arbeitszeiten dazu beigetragen, die starke Aufwertung des Schweizer Frankens zu mildern. Diese Anpassungsfähigkeit, die liberale und stabile Wirtschaftsordnung, das gute Bildungssystem und die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Forschung sind wichtige Standortfaktoren der Schweizer Wirtschaft.

Doch diese Faktoren kommen nur zum Tragen, wenn das Vertrauen in die Stärke der Schweiz von allen Anspruchsgruppen gefördert wird. Es nützt nichts, wenn das Misstrauen gegenüber der Wirtschaft in der Schweizer Bevölkerung beklagt wird. Vertrauen benötigt die Bereitschaft zu wohlwollendem Verhalten und setzt Zukunftsgerichtetheit und Bereitschaft zur Kooperation voraus.

Vertrauen in die Wirtschaft stärken erfordert von ihren Trägern, ein gemeinsames Verständnis über künftige Herausforderungen und Chancen zu haben, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und auf der Basis fairer, transparenter Prozesse in eine Vorleistung zu gehen. Denn es gibt Verbesserungspotenziale, die unabhängig von der politischen Position wohl unbestritten sind.

Innovationskraft stärken

Für das Gedeihen der Wirtschaft ist die Innovationsleistung bestehender Unternehmen und die Gründung innovativer Firmen wichtig. Zwar ist die Innovationskraft der Schweiz in Bezug auf Output in Form von Patenten und innovativen Produkten nach wie vor hoch, doch es gibt Anzeichen der Erlahmung: Der Anteil der Firmen mit Aktivitäten in Forschung und Entwicklung (F&E) war in den Jahren 2010 bis 2012 stark rückläufig.

Als mögliche Gründe für den sinkenden Innovationsanteil werden hohe Innovationskosten, Fachkräftemangel und Finanzierungsprobleme genannt. Um die Innovationstätigkeit in der Schweiz hoch zu halten, braucht es deshalb gute Rahmenbedingungen. Genannt werden steuerliche Abzüge der F&E-Ausgaben, wie sie in der Unternehmenssteuerreform III vorgesehen sind, sowie der erleichterte Zugang zu Finanzressourcen für F&E-Aktivitäten, beispielsweise durch eine Aufstockung der Mittel der Kommission für Technologie und Innovation (KTI).

Die Schweiz hat eine sehr lebendige und erfolgreiche Startup- und Gründungskultur mit jährlich über 40’000 Neueintragungen im Handelsregister. Zentral für den Erfolg eines Startups sind auch hier der Zugang zu Finanzierungsmitteln sowie die Förderung von Clustern, die mittels Vernetzung von Wissen, Infrastrukturangeboten und Teilen von Forschungsergebnissen den Aufbau neuer Unternehmen erleichtern. Vor allem Jungunternehmen in der Gründungs- und Seed- und Early Stage-Phase kämpfen mit Finanzierungsproblemen, weil der Hauptteil des Wagniskapitals in bereits expandierende Unternehmen fliesst.

Auch kommt der überwiegende Anteil des Wagniskapitals aus dem Ausland, obwohl die Sparquote der Schweiz über 30% des Nationaleinkommens ausmacht. In den USA gehören Pensionskassen zu den wichtigsten Investoren für Wagniskapital. Angesichts der fehlenden Anlagemöglichkeiten der 2. Säule ist es deshalb sinnvoll, im Rahmen der 2. Säule Massnahmen zur Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Risikokapitalanlagen in zukunftsträchtige Investitionen zu prüfen.


Für das Gedeihen der Wirtschaft ist die Innovationsleistung bestehender Unternehmen und die Gründung innovativer Firmen wichtig. (Bild: Lightspring – Shutterstock.com)

Bildung und Forschung an der digitalen Realität ausrichten

Die Schweiz hat trotz hoher Qualität als Bildungs- und Forschungsstandort im Hinblick auf die Digitalisierung noch Verbesserungspotenzial. Denn Produktivitätssteigerung und Optimierungsmöglichkeiten durch Digitalisierung entfalten ihr volles Potenzial nur, wenn neue Technologien mit neuen Formen der Arbeitsgestaltung und Kooperationsmodellen verschmolzen werden.

Die Berufsbildung hat deshalb den Auftrag, sich an den zukünftigen Realitäten der Wirtschaft zu orientieren, auf die Vernetzung von Arbeits- und Technologiewelt zu setzen und Menschen zu befähigen, komplexe Aufgaben zu meistern. Dazu benötigen sie System- und Prozessverständnis, Problemlöse- und Anpassungsfähigkeit sowie soziale Kompetenzen, um sich in ständig ändernden Teamkonstellationen zurecht zu finden. Deshalb ist es wichtig, dass Bildung, Forschung und Wissenstransfer in Aus- und Weiterbildungssettings zusammenarbeiten und sich als Vorbild für kooperative Innovation noch stärker vernetzen.

Energiewende als Innovationstreiber statt als Gefahr sehen

Eine auf Effizienz ausgerichtete Wirtschafts-, Ressourcen- und Umweltpolitik ist angesichts des Klimawandels und der Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Energieträgern einer der wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die WEF-Studie des WEF „The Future of Jobs“ beurteilt die Klimaveränderung, die Knappheit natürlicher Ressourcen und den Übergang zu einer ökologischeren Wirtschaft als Haupttreiber für Innovation. Gewisse Wirtschaftskreise wollen jedoch die Energiewende verschieben und argumentieren mit dem starken Frankenkurs.

Die SKO ist aus folgenden Gründen überzeugt, dass die Energiewende eine Chance für die Schweiz bedeutet: Die Cleantech-Branche ist einer der 5 wichtigsten Startup-Bereiche in der Schweiz mit entsprechendem Innovationspotenzial. Tausende von Arbeitsplätzen in den Branchen Gebäudetechnik, Baunebengewerbe und Effizienztechnologien würden von Investitionen in die Energieeffizienz profitieren. Die Schweiz hat mit ihren Forschungsinstitutionen und gut positionierten Unternehmen gute Voraussetzungen, um die Energiewende mit Innovationen und saubere Technologien aktiv zu gestalten und davon auch volkswirtschaftlich zu profitieren.

Langfristperspektive im Angehen des Fach- und Führungskräftemangels

Ein hoher Anteil gut qualifizierter Arbeitnehmer sorgt für eine hohe Arbeitsproduktivität und ist eine wichtige Grundlage für die Innovationskraft. Demzufolge stellt der drohende Fachkräftemangel ein Haupthindernis für Innovationen dar. Die Ansätze zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sind in der Fachkräfteinitiative des Bundes identifiziert. Die Bevölkerung muss die Auswirkung des Fachkräftemangels besser verstehen, damit sie eine differenziertere Haltung zur Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte einnehmen kann.

Für viele ist es ein Widerspruch, dass die Wirtschaft den Fachkräftemangel einerseits beklagt und andererseits im grossen Umfang Stellen abbaut. Gewissen Branchen droht deshalb die Gefahr, dass sie für junge Berufseinsteiger an Attraktivität verlieren. Politik, Arbeitgeber und Arbeitnehmerorganisationen sind aufgefordert, sich mit unkonventionellen Ideen auseinanderzusetzen und neue Geschäftsmodelle anzudenken. Branchenbezogene Kooperationen können Arbeitsplätze sichern und positive Signale an Fachkräfte aussenden, indem zum Beispiel entlassene Fachkräfte nachfrageorientiert im Verbund eingesetzt und zugleich zielgerichtete Nach-Qualifizierungen durchgeführt werden.



Regelungsdichte abbauen

Die Ursachen der Regelungsdichte sind vielfältig. Der Abbau von Bürokratie muss sowohl beim Bund als auch in den Kantonen ein kontinuierlicher Prozess sein. Eine umfassende Reduktion administrativer Lasten erfordert strategische Ansätze und ganzheitliche Konzepte und eine Abkehr von Partikularinteressen. In vielen Fällen ist es so, dass neue Regelungen Handelshemmnisse im Import- und Exportverkehr zwischen der Schweiz und der EU beseitigen und für Rechtssicherheit sorgen. Statt die Bürokratie pauschal zu kritisieren, ist konkret aufzuzeigen, was an Regelungen innovationshemmend ist und wie sich Kosten-Nutzenaspekte bei Abschaffung der Regelung vor allem auch aus Sicht der KMU verhalten.

Die Schweiz hat seit Jahrzehnten immer wieder gezeigt, dass sie ihren Wettbewerbsnachteil durch einen starken Franken kompensieren konnte. So war der Dollar vor über fünfzehn Jahren knapp CHF 1.50 und das Pfund über CHF 2.50 wert. Der starke Franken ist jedoch nur ein Grund für den derzeitigen Stellenabbau. Der Umgang mit der Digitalisierung und der zunehmenden globalen Konkurrenz sind für den nachhaltigen Erhalt von Arbeitsplätzen in der Schweiz mindestens so wichtig und erfordern gemeinsame Anstrengungen. Dazu gehören eine gemeinsame Prioritätenliste, welche die Potenziale der Schweiz stärkt und die wichtigsten zukünftigen Herausforderungen der Schweizer Volkswirtschaft gezielt anpackt, und eine neue Dialogbereitschaft ohne ideologische Scheuklappen.

 

Artikel von: Schweizer Kader Organisation SKO
Artikelbild: © My Life Graphic – Shutterstock.com

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