Billag-Entscheid: 2‘300 Gemeinden im Zugzwang – MWST zurückfordern!

Das Bundesgericht hat in einem kürzlich höchstrichterlichen Entscheid die Mehrwertsteuer auf den Fernsehgebühren, erhoben durch die Billag, als verfassungswidrig beurteilt (Urteil 2C_882/2014 vom 13. 4. 15 – BGE-Publikation). Im Falle der Mediengebühr führten zur Verneinung der MWST-Pflicht der nicht vorhandene Leistungsaustausch zwischen der Billag und dem Gebührenzahler. Es fehlt der Austausch der Leistung.

Weiteres Merkmal war, dass die Gebühr hoheitlich erhoben wurde. Zusammenfassend sind hoheitliche Gebühren ohne Leistungsaustausch nicht mehrwertsteuerpflichtig. Das Bundesgericht hat auf die Kurtaxe verwiesen, welche ebenfalls nicht pflichtig ist.

Tipp: Mehrwertsteuer zurückfordern!

Verschiedene Organisationen bieten das an, namentlich die Stiftung für Konsumentenschutz SKS. Formular Vollmacht herunterladen und letzte Rechnung senden.

Die Mehrwertsteuer und die Zwangskonsumsteuer Billag sind Teil eines Abgabengefüges. Die Befreiung der Fernsehgebühr von der Mehrwertsteuer dürfte zu einer weitreichenden Änderung im Bereich der hoheitlichen Gemeindeabgaben führen.


Billag Logo (Bild: BILLAG (SWISSCOM), Wikimedia)

Insbesondere die sogenannten Aufwandsteuern, wie Autobahnvignette, kommen in den Fokus des Entscheides und eröffnen eine Diskussion über die Mehrwertsteuerpflicht von pauschalen Infrastrukturabgaben.

Nun gibt es in zahlreichen Gemeinden Leistungen und Lieferungen, die in diesen Bereich kommen. Beim Bezug des Leitungswassers aufgrund der Monopolstellung ist der Bezug der Lieferung klar ersichtlich und als Trinkwasser zu 2,5% MWST-pflichtig. Das gleiche Wasser wird zu Abwasser mit 8% MWST, wobei auch hier der Bezug der Leistung klar ersichtlich ist.

Schon schwieriger ist eine Gebühr auf dem Netz für Wasser. Mehrwertsteuerpflichtig? Die Leistung ist nicht ersichtlich und es geht mehr um eine Infrastrukturabgabe als um einen Austausch der Leistung. Damit könnten auch Abgaben auf Netzen der Mehrwertsteuerpflicht zum Opfer werden. Das gleiche gilt für Strom. Ist das Bereitstellen der Steckdose eine Mehrwertsteuerpflichtige Leistung, nachdem der potentielle Bezüger aufgrund des Netzmonopols keine Wahl hat?

Die Konsequenz des Billag-Urteils wird die Energierechnungen beeinflussen. Kommt dazu, dass das Netz bis zum Haus eine Leistung (?) für den Hauseigentümer ist, währendem die Feinverteilung im Haus stattfindet und damit dem Mieter nützt (Leistungsempfänger).

Bei der Abfallgebühr ist es schon problematischer. Bei den Gemeinden, die über eine Abfallsackgebühr die Leistung „Abfallentsorgung“ erfassen, liegt eine MWST-pflichtige Leistung vor. Der Umsatz der Abfallvignette ist MWST-pflichtig. Wird dann durch die Gemeinde bei den Liegenschaftseigentümern eine Abfallgrundgebühr erhoben, welche die Bereitstellung der Infrastruktur „Abfallentsorgung“ abdecken soll, liegt keine MWST-pflichtige Leistung vor.

Erhoben wird eine solche Abgabe aufgrund eines Gebührenreglements und ein Leistungsaustausch liegt nicht vor. Schwieriger zu beurteilen ist es dann, wenn die Abfallentsorgung generell bei den Liegenschaftseigentümern ohne Abfallvignette erhoben wird. Hier stellt sich die Frage, ob ein Leistungsaustausch vorliegt. Vermutlich nicht, da der Konsument der Bewohner ist und nicht der Hauseigentümer. Eine solche Abgabe unterliegt deshalb nicht der Mehrwertsteuer.

Nun gibt es Gemeinden, welche neben der konkreten Wasserbezugsmenge und der Abwassermenge Grundgebühren verlangen, gedacht als fixer Beitrag zur Infrastruktur. Hier liegt der Gedanke dieser Kopfabgabe einem fixen Infrastrukturbeitrag zugrunde. Der Gebührenbeitrag basiert auf einem hoheitlichen Gebührenordnung und ein konkreter Leistungsaustausch ist nicht ersichtlich, keine konkrete Lieferung und damit nicht mehrwertsteuerpflichtig.

Die Autobahnvignette als Aufwandsteuer ist auch nicht mehrwertsteuerpflichtig. Auch hier fehlt das konkrete Leistungselement, im Gegensatz zu Maut und Autobahngebühren für konkrete Strecken. In der Schweiz nicht anzutreffen und damit ohne Antwort.

Es empfiehlt sich also, besonders die Gemeindesteuerrechnungen zu analysieren. Hier dürfte der eine oder andere Betrag nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Bei der Billag musste der Konsument mit Kostenfolgen bis vor Bundesgericht. Es wäre zu begrüssen, wenn die Gemeinde ihrer Aufgabe der sachgerechten Rechnungsstellung folgen würde. Das gleiche gilt für Rechnungen der Monopolanbieter Strom, Wasser, Gas, etc. Der Reigen ist eröffnet. Gewinnen die Etatisten oder die Freischärler?

Spannend wird die Frage, ob die ab 01.04.2016 eingeführte Panoramasteuer auf Aussichtsplattformen über 1000 m ü. M., erhoben von den Bergbahnen, mehrwertsteuerpflichtig wird. Der Kanton Wallis hat sich schon erfolgreich gewehrt. Beim Kleinen Matterhorn ist nur die Hälfte der Steuer geschuldet, da die Aussicht nach Italien aufgrund des Territorialitätsprinzips steuerfrei sein muss.

 

Artikel von: artax Fide Consult AG / Mitglied von Morison International / www.artax.ch
Oberstes Bild: © Gam1983 / Shutterstock.com

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Mehr zu Dr. iur. Bernhard Madörin

Seit 2000 ist Dr. iur. Madörin Partner und langjähriges Mitglied des Verwaltungsrates der artax Fide Consult AG. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer hat er als Steuer- und Treuhandexperte die Gesamtverantwortung für die Bereiche Steuern, Recht und Unternehmungsberatung inne und kann heute auf rund 30 Jahre Berufserfahrung als Treuhänder und selbständiger Unternehmer zurückblicken.

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