Innere Kündigung – wenn Führungskräfte ihren Job nicht (mehr) gut machen

Eine Kündigung wird gemeinhin als Beendigung eines Vertragsverhältnisses definiert, im Arbeitsrecht kann die Kündigung also vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgehen und ordentlich (unter Einhaltung einer vertraglich oder gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfrist) oder fristlos (sofortige Freistellung, entweder mit Lohnfortzahlung oder bei schweren Vergehen auch ohne weitere Bezüge) erfolgen.

Es gibt jedoch in zunehmendem Masse auch die innere Kündigung, bei der Arbeitnehmer ihre Leistungsbereitschaft und Motivation immer weiter reduzieren, ohne jedoch den Schritt zu machen und tatsächlich rechtswirksam zu kündigen. Für Unternehmen stellt die innere Kündigung eines Mitarbeiters eine grosse Gefahr für den Betriebsfrieden und die Motivation der anderen Mitarbeiter dar, zumal es dem Mitarbeiter auch weiterhin seinen Lohn auszahlt, ohne im gleichen Verhältnis dafür eine Leistung zu erhalten.

Arbeitsvertrag und psychologischer Vertrag

Arbeitnehmer unterschreiben bei ihrer Einstellung einen Arbeitsvertrag, in dem Rechte, Pflichten und Aufgaben mehr oder weniger präzise formuliert und durch Unterschrift akzeptiert werden. Neben dem formaljuristischen Arbeitsvertrag wird bei einer Einstellung jedoch auch ein psychologischer Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschlossen, der die gegenseitigen Erwartungen und Angebote umfasst – aus Sicht des Arbeitnehmers etwa die Möglichkeit, sich beruflich zu entwickeln, ein angenehmes, motivierendes Arbeitsklima vorzufinden, sich einbringen zu können und Wertschätzung zu erfahren.

Wenn dieser psychologische Vertrag von Seiten des Arbeitgebers gebrochen wird, reagieren viele Mitarbeiter mit Rückzug, entweder durch Wechsel des Arbeitgebers, der Abteilung oder durch eine innere Kündigung. Dieses ist besonders kritisch, da der Arbeitnehmer in diesem Fall seinen juristischen Arbeitsvertrag pro Forma erfüllt – er erscheint zur Arbeit, erledigt meist auch die ihm übertragenen Aufgaben, jedoch ohne ausgeprägte Motivation, Eigendynamik oder einem erkennbaren Interesse für seine Tätigkeit.


Wenn der psychologische Vertrag von Seiten des Arbeitgebers gebrochen wird, reagieren viele Mitarbeiter mit Rückzug. (Bild: © contrastwerkstatt – fotolia.com)

Führungskräfte sind in der Verantwortung

Die Ursachen für eine innere Kündigung sind vielfältig, oft kommen mehrere Faktoren zusammen, die nach und nach das Abgleiten in die innere Kündigung bewirken – die oft zunächst unbewusst beginnt und erst mit zunehmender Frustration bewusst und gezielt als passives Druckmittel eingesetzt wird. Mögliche Ursachen sind beispielsweise:

  • berufliche Erwartungen werden nicht erfüllt, Karriereversprechen werden seitens des Unternehmens nicht eingehalten,
  • die Tätigkeit selber erfüllt den Mitarbeiter nicht, was sich sowohl als Unter- wie auch als Überforderung äussern kann,
  • der Mitarbeiter hat Probleme mit seinem Vorgesetzten oder mit Kollegen,
  • Diskrepanz von erwartetem und vorgelebtem Verhalten seitens der Führungskraft oder Kollegen,
  • Veränderungen in der Organisation wie Umstrukturierungen oder Outsourcing,
  • aus Sicht des Mitarbeiters unberechtigte und unangemessene Einmischung des Vorgesetzten in die eigenen Arbeitsabläufe, Aufgaben und Verantwortlichkeiten,
  • generelle oder durch den Beruf verursachte Unzufriedenheit,
  • eine Verlagerung der eigenen Prioritäten von Beruf und Karriere in andere Lebensbereiche (Familie, ehrenamtliche Tätigkeiten)
  • anstehender (Vor-)Ruhestand des Mitarbeiters.

Auch wenn nicht alle genannten Gründe für eine innere Kündigung direkt mit dem Vorgesetzten oder der gesamten Organisation zu tun haben, sind dennoch die Führungskräfte in der Verantwortung, mögliche Ursachen frühzeitig zu erkennen und aktiv gegenzusteuern. In der Regel wird der Mitarbeiter eine beginnende innere Kündigung nicht gegenüber seinem Vorgesetzten thematisieren, und wenn, dann eher auf Arbeitsbedingungen, sein Verhältnis zu Kollegen oder der Führung oder auf seine Erwartungen in Bezug auf die Karriereentwicklung eingehen.

Führungskräfte sollten daher auf die folgenden Kennzeichen einer (beginnenden) inneren Kündigung achten und diese frühzeitig in einem persönlichen Gespräch mit dem Mitarbeiter thematisieren:

  • die Arbeitsleistung bricht im Vergleich zu Früher deutlich und nachhaltig ein,
  • der Mitarbeiter fehlt häufiger aufgrund von Krankheiten,
  • die Bereitschaft des Mitarbeiters, zeitweise oder dauerhaft Mehrleistungen zu bringen (sowohl qualitativ wie quantitativ) sinkt oder ist nicht mehr vorhanden,
  • der Mitarbeiter äussert keine Wünsche oder Vorstellungen in Bezug auf Weiterbildungen,
  • die Arbeitszeit wird zunehmend für private Tätigkeiten genutzt oder einfach abgesessen,
  • der Mitarbeiter widerspricht dem Vorgesetzten nicht mehr, selbst dann, wenn aus sachlichen Überlegungen ein Widerspruch sinnvoll und angemessen wäre (etwa bei unsinnigen, widersprüchlichen oder unverständlichen Anweisungen),
  • der Mitarbeiter delegiert Aufgaben zurück,
  • keine Teilnahme an gemeinsamen ausserberuflichen Aktivitäten,
  • der Mitarbeiter bringt auch auf Nachfrage keine Verbesserungsvorschläge oder Ideen zur Gestaltung der Arbeitsabläufe mehr ein,
  • auf Kritik von Vorgesetzten oder Kollegen reagiert der Betroffene gleichgültig und desinteressiert.

Führungskräfte sind in der Verantwortung (Bild: © Sergey Nivens – fotolia.com)

Motivatoren und Hygienefaktoren

Für das Verständnis von Arbeitsmotivation ist die Zwei-Faktoren-Theorie von Frederick Herzberg hilfreich. Sie unterscheidet Motivatoren, das sind Faktoren, die sich direkt auf den Arbeitsinhalt beziehen und die Motivation zur Leistung beeinflussen. Motivatoren sind beispielsweise Leistung und Arbeitserfolg, Anerkennung durch den Vorgesetzten und die Organisation, die Inhalte der Arbeit, der Grad der übernommenen oder übertragenen Verantwortung sowie Karrieremöglichkeiten. Die Motivatoren beeinflussen, ob ein Mitarbeiter zufrieden oder nicht zufrieden ist – Ziel des Unternehmens sollte daher sein, diese so zu gestalten, dass eine möglichst hohe Zufriedenheit bei den Mitarbeitern vorherrscht.

Besonders bedeutsam im Zusammenhang mit dem Phänomen der inneren Kündigung sind jedoch die Hygienefaktoren, die darüber entscheiden, ob ein Mitarbeiter unzufrieden oder nicht unzufrieden ist. Hygienefaktoren sind beispielsweise die Höhe des Gehalts (auch in Relation zu anderen Mitarbeitern), Führungsstil, die Arbeitsbedingungen, zwischenmenschliche Beziehungen, die Sicherheit der Arbeit und die Einflussnahme der Arbeit auf das Privatleben.

Eine hohe Hygiene im Unternehmen und im Umgang der Führungskraft mit ihren Mitarbeitern kann also keine Zufriedenheit schaffen, sondern nur verhindern, dass sich Unzufriedenheit ausbreitet. Dennoch – oder gerade deswegen – ist es elementar, die Hygienefaktoren im Unternehmen kritisch zu betrachten und zu verbessern, denn eine zunehmende Unzufriedenheit bringt viele Mitarbeiter auf lange Sicht in die innere Kündigung.



Die Theorie zeigt auch auf, dass der vorgebliche Motivator „Lohn“ eben keine wirkungsvolle Motivation darstellt, sondern vielmehr als Hygienefaktor nur die Ausprägung von Unzufriedenheit beeinflusst. Zu wenig Geld für die eigene Arbeitsleistung macht unzufrieden, wer mehr verdient, ist deswegen aber nicht gleich motivierter, sondern eben nur nicht unzufrieden – während etwa Lob und Anerkennung durch den Vorgesetzten als Motivatoren direkt auf die Zufriedenheit wirken.

Die innere Kündigung hat Folgen für alle

Wer sich nicht mehr mit seinem Job und dem Unternehmen identifizieren kann und will, leidet nicht selten auch selber unter dieser Situation: Der tägliche Gang zur Arbeit wird schwerer und schwerer, der Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten wird immer weiter reduziert bis zur Isolation. Durch die fehlende berufliche Perspektive tritt ein ungewollter Stillstand ein, ein Verharren, das von den Betroffenen oft als anstrengend empfunden wird – schliesslich muss die tägliche Arbeitszeit unabhängig von der eigenen Zufriedenheit oder Unzufriedenheit absolviert werden.

Für den Vorgesetzten ist eine innere Kündigung selten sofort zu erkennen, da es sich in der Regel um einen schleichenden Prozess handelt, ein schrittweises Entziehen von Arbeitskraft, Motivation und Aufmerksamkeit. Doch spätestens, wenn die Fehlzeiten überproportional ansteigen und die Leistung des Mitarbeiters im gleichen Masse kontinuierlich sinkt, muss gehandelt werden. Denn neben dem wirtschaftlichen Schaden für das Unternehmen (geringere Arbeitsproduktivität und ggf. schlechtere Arbeitsqualität) sorgen Fehlzeiten für eine Mehrbelastung bei anderen. Auch stehen Kreativität, Engagement sowie Fachwissen des Mitarbeiters nicht oder nur noch in deutlich reduziertem Umfang für das Unternehmen zur Verfügung.


Der tägliche Gang zur Arbeit wird schwerer und schwerer. (Bild: © WavebreakmediaMicro – fotolia.com)

Auch aus Sicht des Kollegenkreises ist eine innere Kündigung kritisch, denn durch die Fehlzeiten und die geringere Quantität der erledigten Arbeit müssen zusätzliche Aufgaben übernommen werden, was auf Dauer zu einer Überlastung führen kann, die weitere (innere) Kündigungen zur Folge haben kann.

Was Vorgesetzte tun können (und sollten)

Wer als Führungskraft bei einem Mitarbeiter den Eindruck hat, dass sich dieser in eine innere Kündigung geflüchtet hat oder noch flüchtet, gilt es, zu reagieren und nicht abzuwarten. Erste Massnahme sollte das persönliche Gespräch mit dem Mitarbeiter sein, wobei das Gesprächsziel in der Regel lautet, den Mitarbeiter von seiner inneren Kündigung abzubringen. Um das zu erreichen, ist es für den Vorgesetzten wichtig, innerlich davon überzeugt zu sein, dass der Mitarbeiter bereit und fähig ist, die erwartete Leistung zu bringen – das wird umso schwieriger, je länger der Prozess der inneren Kündigung andauert.

Da oftmals der Vorgesetzte nicht unbeteiligt an der Entwicklung ist, sollte das Gespräch so geführt werden, dass der Mitarbeiter auch Gelegenheit erhält, Kritik an seinem Gegenüber zu üben. Hierzu kann es hilfreich sein, einen neutralen Dritten als Moderator hinzuzuziehen, der das Gespräch lenkt und steuert und beide dabei unterstützt, die Kritik (und die Reaktionen darauf) zu versachlichen.

Neben der oft notwendigen Rückschau ist es jedoch entscheidend, im Gesprächsverlauf den Blick auf die Zukunft zu richten und klare Vereinbarungen hierfür zu treffen. Je nachdem, welche Gründe für eine innere Kündigung vorliegen, wie schwerwiegend diese sind und welche Möglichkeiten bestehen, sie zu beseitigen, kann es eine gemeinsame zukünftige Perspektive sein – oder eben nicht.


Neben der oft notwendigen Rückschau ist es jedoch entscheidend, im Gesprächsverlauf den Blick auf die Zukunft zu richten. (Bild: © Photographee.eu – fotolia.com)

Wichtig ist, dass der Vorgesetzte nicht „um den heissen Brei“ herumredet, sondern das Problem direkt, aber ohne persönliche Vorwürfe oder Vorhaltungen anspricht. Auch sollte im Gesprächsverlauf nach der erforderlichen Klärung von Kritikpunkten der Fokus auf der Lösung von Problemen gelegt werden – clevere Führungskräfte wissen dabei um die Macht der W-Fragen: Was würden Sie empfehlen? Wie sollen wir das Ihrer Meinung nach umsetzen? Welche Schritte sehen Sie in welcher Reihenfolge? Warum werden wir Ihrer Meinung nach damit erfolgreich sein? Sie geben dem Mitarbeiter die Gelegenheit, seine Deckung zu verlassen und sich neu mit dem Unternehmen und seinen Zielen in Verbindung zu setzen und ermöglichen obendrein dem Zuhörer, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Wird früh genug reagiert, ist eine innere Kündigung oft abzuwenden und der Mitarbeiter kann wieder motiviert werden, sich voll und ganz im Unternehmen einzubringen. Die dazu notwendigen Veränderungen – sowohl auf Seiten des Mitarbeiters wie auch auf Seiten des Vorgesetzten – sollten im Gespräch klar herausgearbeitet und vereinbart werden. Hierbei gilt: Versprechen und Zusagen müssen für beide verbindlich sein – der Vorgesetzte darf nichts zusagen, was er nicht auch einhalten kann.

Um gegen eine innere Kündigung anzusteuern, stehen dem Vorgesetzten verschiedene Optionen zur Verfügung. Neben rein finanziellen Reaktionen (ein höheres, angemessenes Gehalt) sind das Ehrlichkeit und Offenheit im Umgang mit seinen Mitarbeitern, die Anerkennung und Würdigung von Leistungen und Einsatz, die Stärkung eines Wir-Gefühls durch die Vermittlung von gemeinsamen Zielen. Auch die Übertragung von Aufgaben und Verantwortung an den Mitarbeiter kann dabei unterstützen, dass diese seine Arbeit wieder als sinnvoll und wichtig ansieht.

Vermeidung statt Bekämpfung

Unternehmen, die vermeiden wollen, dass Mitarbeiter in die innere Kündigung flüchten, müssen vor allem ihre Führungskultur entwickeln. Nach einer Forsa-Umfrage schätzen 95 Prozent aller Chefs ihr Führungsverhalten als gut und angemessen ein – diese positive Selbsteinschätzung steht im krassen Gegensatz zu der seit 2001 jährlich veröffentlichten Gallup-Studie, die anhand von 12 Fragen zu Arbeitsplatz und Arbeitsumfeld einen Engagement-Index ermittelt. Für 2014 zeigt dieser ernüchternde Ergebnisse: in der Schweiz haben nur 11 Prozent aller Arbeitnehmer eine hohe Bindung zu ihrem Arbeitgeber, 79 Prozent haben eine geringe Bindung und 10 Prozent haben keine Bindung (mehr). Damit liegt die Schweiz im europäischen Vergleich auf dem vordersten Platz vor den USA, Kanada und Deutschland, dennoch bedeuten diese Zahlen, dass mindestens jeder 10. Angestellte in der Schweiz innerlich gekündigt hat.

Ein wichtiges Instrument für die Entwicklung und Verbesserung der Führungskultur stellt Feedback dar – allerdings nicht nur das klassische Feedback, das sich streng an den Unternehmenshierarchien ausrichtet und in der Regel nur in eine Richtung (Vorgesetzter an Mitarbeiter) verläuft, sondern auch in Form eines 360 Grad-Feedbacks. Hierbei erhält eine Führungskraft nicht nur Rückmeldungen von seinem direkten Vorgesetzten, sondern auch von Mitarbeitern, Kollegen, internen Kunden sowie ggf. auch externen Kunden. Diese Art von Feedback bietet Führungskräften die Gelegenheit, unterschiedliche, teilweise sogar konträre Wahrnehmungen seiner Person und Funktion kennenzulernen und darauf zu reagieren.



Auch ein Coaching kann Führungskräfte, die mit zunehmendem Fortschreiten auf der Karriereleiter eher weniger als mehr Feedback erhalten, dabei unterstützen, notwendige Veränderungen am eigenen Führungsstil, an Delegation und Motivation zu erkennen und einzuleiten.

Fazit

Eine innere Kündigung ist für Mitarbeiter und Vorgesetzten gleichermassen unbefriedigend und schädigt zudem das Unternehmen. Es liegt an der Führungskraft, eine innere Kündigung bei einem Mitarbeiter frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern, um Schaden von der Abteilung und dem Unternehmen abzuwenden – ebenso ist jedoch auch jeder Arbeitnehmer selber verantwortlich dafür, seine Arbeitskraft sinnvoll und nutzbringend einzusetzen. Wer daher mit den Um- und Zuständen im eigenen Unternehmen unzufrieden ist, hat drei Möglichkeiten: Love it, leave it or change it.

 

Oberstes Bild: © Jeanette Dietl – shutterstock.com

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Mehr zu Christian Praetorius

Christian Praetorius, Jahrgang 1969, gelernter Controller und Logistiker mit jahrelanger Berufserfahrung. Seit 2012 gemeinsam mit seiner Frau Christine als freier Texter und Autor selbständig, erfolgreich und glücklich. Seine Kunden schätzen ihn für klare Worte, originelle Slogans und kreative Wortspiele ebenso wie für seine absolute Zuverlässigkeit und Kundenorientierung. Schreibt aus Berufung und mit Leidenschaft für die Sprache, die Botschaft und den Leser.

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