b24-Wochenrückblick: Vier Abstimmungen und zwei Gesetzesänderungen

Am Sonntag haben die Schweizerinnen und Schweizer über vier Volksinitiativen abgestimmt. Die neue Gesetzesvorlage zur Präimplantationsdiagnostik (PID) war für eine klare Mehrheit überzeugend, für die Änderung des RTVG gab es dagegen nur ein äusserst knappes „Ja“.

Die Erbschaftssteuer- und Stipendieninitiative sind bei den Wählerinnen und Wählern dagegen durchgefallen.

Der starke Franken war naturgemäss auch weiterhin ein Thema. Arbeitgeber-Vertreter und Wirtschaftsforscher befürchten inzwischen, dass durch die Aufgabe des Mindestwechselkurses in grösserem Umfang Jobs verloren gehen. Eine Strategie dagegen ist allerdings nicht in Sicht. Im Schuldenstreit mit Griechenland läuft der Countdown – mit völlig ungewissem Ausgang. Nach aktuellem Stand der Dinge könnte der Internationale Währungsfonds (IWF) das Zünglein an der Waage sein, die sich für die Griechen immer stärker in Richtung Staatsbankrott und „Grexit“ neigt. Bei der FIFA stehen die Zeichen dagegen neuerdings auf „unentschieden“ – möglicherweise bleibt Sepp Blatter doch im Amt.

„Ja“ zur Präimplantationsdiagnostik

Der Verfassungsänderung zur PID haben die Wählerinnen und Wähler ein klares „Ja“ erteilt. Für eine künstliche Befruchtung dürfen künftig so viele Embryonen erzeugt werden, wie für die Fertilitätsbehandlung medizinisch nötig ist – bisher war ihre Zahl auf drei beschränkt. Auch die genetische Untersuchung dieser Embryonen vor der Implantation ist in Zukunft möglich. Theoretisch könnten diese Möglichkeit pro Jahr alle rund 6´000 Paare nutzen, die eine künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen. In der Praxis ist sie vor allem für etwa 700 Paare wichtig, bei denen das Risiko für eine genetische Schädigung ihres Kindes besonders hoch ist. 61,9 Prozent der Stimmberechtigten votierten für die Verfassungsänderung. Die Stimmbeteiligung betrug 43,5 Prozent.



Bis zur Umsetzung der Initiative ist es allerdings noch ein weiter Weg. Ob das revidierte Fortpflanzungsmedizin-Gesetz in Kraft tritt, ist bisher nicht ausgemacht – seine Gegner wollen dazu ein weiteres Referendum, das 2016 folgen dürfte. Falls es durch die  Stimmbürger bestätigt wird, würden die neuen Regelungen zur PID dann ab 2017 greifen.

Patt für RTVG

Über die Annahme der Volksinitiative zum Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) entschieden am Ende 3´700 Stimmen. 50,08 der Schweizerinnen und Schweizer stimmten den vorgeschlagenen neuen Regelungen zu. Die SRG und die privaten Sender können sich zwar oberflächlich freuen – der Gewerbeverband schliesst jedoch nicht aus, dass auf das Patt an den Wahlurnen eine Beschwerde folgt. Deutlich wurde jedenfalls, dass es mit der neuen Medienabgabe für alle Haushalte nicht getan ist – Bundesrat und Parlament werden baldmöglichst definieren müssen, was öffentlicher medialer Service im 21. Jahrhundert ist.

Klare Absage für eine nationale Erbschaftssteuer

Eine nationale Erbschaftssteuer wird es auch in Zukunft in der Schweiz nicht geben – gegen diesen Vorschlag sprachen sich rund 71 Prozent der Wählerinnen und Wähler aus, ihre Stimme dazu haben 43,7 Prozent der Eidgenossen abgegeben. Bereits im Vorfeld der Abstimmung hatte es von verschiedenen Seiten Kritik gehagelt – unter anderem wurden die Initiatoren des Referendums den Verdacht nicht los, dass es ihnen mit ihrem Vorschlag nicht um ein „liberales Projekt“, sondern vor allem darum ging, die Einnahmen des Fiskus sowie der AHV zu erhöhen. Bei vielen Schweizerinnen und Schweizern schürte diese Initiative Ängste, dass die Vorsorge für die eigene Familie über Vermögensbildung und Unternehmensgründungen künftig nichts mehr wert ist – dementsprechend haben sie auch abgestimmt.

Die Vergabe von Stipendien bleibt bei den Kantonen

Auch bei der Vergabe von Stipendien wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern – die Entscheidung über die öffentliche Förderung von Studierenden bleibt bei den Kantonen. Der Initiative des Verbandes der Schweizer Studierendenschaften haben 72,5 Prozent der Stimmbürger eine Absage erteilt. Eine Mehrheit dafür gab es in keinem einzigen Kanton.


Die Vergabe von Stipendien bleibt bei den Kantonen (Bild: © Style-Photography – fotolia.com)

Gehen in der Schweiz bis zum Jahresende mindestens 30´000 Jobs verloren?

In den nächsten Tagen gibt es sowohl bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) als auch im Hinblick auf die aktuellsten Konjunkturprognosen wichtige Termine. Am kommenden Dienstag publiziert das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) seinen neuen konjunkturellen Ausblick. Am Donnerstag veröffentlichen die eidgenössischen Währungshüter ihre geldpolitische Lagebeurteilung und werden sich dann auch den Fragen der Medienvertreter stellen.

An diesem Wochenende meldete sich dazu auch Arbeitgeber-Präsident Valentin Voigt zu Wort, mit gravierenden Befürchtungen für die Entwicklung auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Wenn der Frankenkurs zum Euro auf dem derzeitigen Niveau von CHF 1,05 bleibt, rechnet Voigt in den nächsten sechs bis neun Monaten mit dem Verlust von etwa 30´000 Stellen und einer Arbeitslosenquote von 3,6 bis vier Prozent. Als Begründung dafür führte Voigt Rückmeldungen aus den Unternehmen an: In vielen Firmen sind seit der Aufgabe des Mindestwechselkurses zehn bis 15 Prozent der Aufträge weggebrochen. Besonders problematisch ist, dass darunter auch Unternehmen aus der Pharma-, Chemie- sowie der Lebensmittelbranche sind, die bisher als zuverlässige Wachstumstreiber galten.

Die Eidgenössische Zollverwaltung meldete einen Rekord-Rückgang der Exporte aus der Schweiz. Auch Jan-Egbert Sturm, der Leiter der Konjunkturforschungsstelle (KOF) an der ETH Zürich beurteilte die Lage der Schweizer Wirtschaft in einem aktuellen Interview als ernst. Sturm geht sogar von einem Verlust von 40´000 Arbeitsplätzen bis zum Jahresende aus. Mögliche Reaktionen der SNB hält er für schwierig und meint, dass sich wohl die Wirtschaft darauf einstellen müsse, mit dem freien Wechselkurs zu leben. Voigt sieht dagegen die Politiker in der Pflicht, pragmatische Lösungen dafür zu finden, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen zumindest auf dem aktuellen Niveau zu halten.

Schuldenstreit mit Griechenland: Letzte Runde vor dem „Grexit“

Im Schuldenstreit mit Griechenland zeichnet sich eine dramatische Entwicklung ab. Am vergangenen Donnerstag hatte der IWF sein Verhandlungsteam mangels substantieller Fortschritte aus Brüssel abgezogen. Seit dem späten Samstagnachmittag verhandeln die Parteien wieder, übrigens auch unter Beteiligung des IWF. Möglicherweise ist dies die allerletzte Runde vor dem Staatsbankrott Griechenlands und damit sehr wahrscheinlich auch vor dem „Grexit“. Welche Vorschläge die griechische Delegation diesmal im Gepäck hat, drang bisher nicht nach aussen. Die Kreditgeber hatten im Vorfeld jedoch ausdrücklich klar gemacht, dass Athen jetzt handeln muss.

An den Aktienmärkten macht sich das Gezerre um Griechenland derzeit sehr stark bemerkbar, nahezu alle wichtigen Indizes bewegen sich bereits Tagen in einem Zick-Zack-Kurs, der immer dann abfällt, wenn wieder Negativ-Meldungen zur Schuldenkrise kommen. Der Swiss Market Index (SMI) ist davon nicht ausgenommen. Unmittelbar nach dem Verhandlungsabbruch durch den IWF fiel er um 1,2 Prozent auf 9´026 Zähler.



Spannungen zwischen EU und IWF

Den Griechen läuft die Zeit davon. Das aktuelle Hilfspaket läuft Ende Juni aus – auf die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro ist Griechenland für seinen Schuldendienst mehr als dringend angewiesen. Gleichzeitig würde im Erfolgsfall – also einem glaubwürdigen Reformvorschlag der Griechen – wohl auch eine Verlängerung des Hilfsprogramms zur Debatte stehen. Im Hintergrund scheint der IWF allerdings auch einen Kompromiss zwischen der EU und Griechenland zu torpedieren, der darauf hinauslief, die Kürzungen kleiner Renten zunächst aufzuschieben und dafür die griechischen Militärausgaben um 400 Millionen Euro zu vermindern. Der Vorschlag kam von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und wurde offenbar auch von Deutschland und Frankreich als den beiden politischen Schwergewichten in der Euro-Zone unterstützt. Ein EU-Unterhändler berichtete inzwischen, dass der IWF „Tauschgeschäfte dieser Art“ nicht akzeptiere und die EU-Delegation daher in der Lage sei, verhandeln zu müssen, ohne ein Mandat zu haben. Einer seiner Kollegen betrachtet die Situation als „völlig paradox“: Über das Schicksal Europas entscheide am Ende vielleicht eine Institution, hinter der „kein Volk steht“.

In der Nacht zum Montag hat IWF-Chefökonom Olivier Blanchard ein politisch brisantes Papier an die Öffentlichkeit gegeben, in dem er den europäischen Partnern die Pistole auf die Brust setzt. Demnach akzeptiert der IWF, den anvisierten Primärüberschuss des griechischen Staatshaushalts von ursprünglich 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf ein Prozent im laufenden Jahr sowie zwei und drei Prozent in 2016 und 2017 abzusenken. Voraussetzungen dafür seien eine glaubhafte Reformliste aus Athen und die Bereitschaft der Euro-Staaten zu einer „Schuldenerleichterung“ sowie einer „signifikanten zusätzlichen Finanzierung“.

Bleibt FIFA-Präsident Joseph Blatter doch im Amt?

Unmittelbar nach dem Rücktritt des FIFA-Präsidenten Joseph „Sepp“ Blatter bewerteten so gut wie alle massgeblichen Medien und Kommentatoren diesen Schritt als überfällig. Die vorherrschende Meinung war, dass eine ebenfalls überfällige Reform der FIFA mit Blatter nicht zu schaffen sei. Inzwischen erhält der vorerst noch bis zum Herbst amtierende FIFA-Chef jedoch Rückendeckung von verschiedenen Regionalverbänden. Verschiedene Fussballverbände aus Asien und Afrika wünschen sich, dass Blatter bleibt, da sie befürchten, dass – wie vor der Ära Blatter – in der FIFA künftig wieder die Europäer tonangebend sind. Blatter selbst liess wissen, dass ihn diese Unterstützung ehre und er auch selbst nicht ausschliesse, weiterhin im Amt zu bleiben. In der Wochenzeitung „Schweiz am Sonntag“ hiess es, dass aus Sicht von Insidern – darunter auch Blatters bisheriger PR-Berater Klaus J. Stöhlker – keiner der anvisierten Gegenkandidaten fähig sei, Mehrheiten hinter sich zu bringen.



Falls die Ermittlungen im FIFA-Korruptionsskandal gegen den 79-jährigen kein belastendes Material zutage fördern, dürfte Blatter also durchaus Beharrungsvermögen zeigen – und die FIFA gute Chancen haben, um grundlegende Veränderungen vorerst herumzukommen.

 

Oberstes Bild: © Niyazz – fotolia.com

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