Native Advertising – Zaubertrick gegen die Bannerblindheit oder Schleichwerbung?

Inzwischen sehen viele Internetnutzer über standardisierte Werbebanner einfach hinweg. Marketingstrategen setzen vermehrt auf Native Advertising, um Werbung geschickt in den „natürlichen“ Content einzubinden und die Klickrate so wieder nach oben zu treiben.

Bei Native Advertising sind die Werbeinhalte nicht so stark als solche zu erkennen. Besonders kritische Nutzer bezeichnen diese Werbeform daher zuweilen als modernste Art der geschickten Schleichwerbung – oder vermuten dahinter unseriöse Strategien des Onlinejournalismus.

Werbung, die keiner anklickt

Im Internet gibt es vergleichsweise wenige Seiten, die mit ihrem Content, also den verschiedenen Seiteninhalten, nicht in irgendeiner Form Werbung betreiben wollen. Fast jeder Seitenbetreiber will von seinen Besuchern und Nutzern mehr als nur deren blosse Anwesenheit und Aufmerksamkeit. Wer auf die Seite kommt, soll dort nicht nur lesen, schauen und hören, sondern etwas Konkretes tun, das möglichst positive Konsequenzen hat und langfristig Geld in die Kasse spült – etwa einem Link folgen, die geschaltete Bannerwerbung anklicken, etwas bestellen, etwas abonnieren oder zumindest seine Daten hinterlassen.

Allerdings hat die Zugkraft konventioneller Bannerwerbung in den letzten Jahren stark nachgelassen. Das liegt auch daran, dass sich an der Standardwerbeform im Internet, dem klassischen Display-Advertising, schon seit längerem nichts mehr verändert hat: Der Seitenbetreiber stellt einem Netzwerk, zum Beispiel Google AdSense, auf seiner Website Werbefläche zur Verfügung, die dann von den AdServern mit der Bannerwerbung bestückt wird, die nach Meinung des Netzwerks dort die besten Erfolgschancen bietet.

Dieses Konzept der Bannerwerbung ist im Grunde nicht verkehrt. Doch was theoretisch klappen kann und früher auch ganz gut geklappt hat, funktioniert schon seit der Jahrtausendwende nicht mehr so, wie es eigentlich soll. Schuld daran ist der wachsende Unwillen der User, diese Banner anzuklicken. Ein Grossteil der Surfer und Seitenbesucher nimmt sie überhaupt nicht mehr wahr und kann sie darum sogar übersehen, ohne sich vorher noch gross darüber ärgern zu müssen. Andere installieren spezielle Programme, um die missliebigen Banner auszublenden und wegzuschalten – aus den Augen, aus dem Sinn, Problem gelöst.

Das Ignorieren und Umgehen der Werbeflächen hat System und ist für Millionen zu einem ganz selbstverständlichen Teil der Internetnutzung geworden. Es gibt sogar einen schönen Fachbegriff, der das Problem der Werbenden und das Verhalten der unwilligen Zielgruppe unter einen Hut bringt: Bannerblindheit. Da blinkt es zwar bunt, flackert, lockt und verspricht irgendwas, doch weil fast niemand hinsieht oder das Banner auf sich bezieht, sinkt die durchschnittliche Klickrate (CTR) immer weiter in den Keller.

Schön für die Nutzergemeinde, dass sie sich mit dem Problem der Bannerwerbung so wunderbar arrangiert hat. Doch für geplagte Content Marketing Manager und unter Erfolgsdruck stehende Online Publisher ist dieses Arrangement keine Lösung, sondern ein Missstand, den es zu beheben gilt. Native Advertising gilt als neue und viel versprechende Mögliche, die verstopften und vernachlässigten Erlösquellen wieder zum Sprudeln zu bringen oder gezielt neu zu erschliessen.


Viele Internetnutzer nehmen Werbebanner überhaupt nicht mehr wahr. (Bild: © Minerva Studio – fotolia.com)

Wie funktioniert Native Advertising?

Native Advertising bedeutet frei übersetzt etwa so viel wie einheimisches, natürliches oder auch bodenständiges Werben. Das klingt ein bisschen nach Back to the Roots – als versuche man damit, sich bei der Werbung wieder auf seine Wurzeln zu besinnen. Tatsächlich ist diese Werbeform nicht ursprünglicher oder älter als andere – sie setzt lediglich auf das möglichst natürlich wirkende Einbinden von Werbeinhalten in den Content der Seite, z. B. der Internetplattform oder des Blogs.

In der Praxis bedeutet das, dass die Werbung (bzw. die Native Ad) von Inhalt und Form her den regulären Seiteninhalten ähnlich sein soll – anders als konventionelle Banner Ads, die externe Inhalte zeigen und dabei standardisierten Formatvorgaben unterworfen sind. Das Anzeigeformat beim Native Advertising entspricht dem der organischen Suchergebnisse, wobei die Werbeanzeige trotzdem als solche gekennzeichnet sein muss.

Mit dieser Tatsache – der Seitenbesucher kann auch Native Advertising als Werbung erkennen – können die Anhänger dieses Konzepts auch argumentieren, wenn der Verdacht auf Schleichwerbung geäussert wird. Doch grundsätzlich gilt: Je besser Native Advertising umgesetzt wird, desto schwerer ist die Abgrenzung der Werbeinhalte zum sogenannten natürlichen Content. Mit dem Vorwurf, Schleichwerbung zu betreiben, werden also naturgemäss diejenigen am ehesten konfrontiert, die das Konzept des Native Advertising verstanden und optimal umgesetzt haben.

Beispiele

Zu den Klassikern unter den Native Ads gehören die gesponserten Ergebnisse der Googlesuche. Sie sind als Werbeanzeigen gekennzeichnet, doch ihr Grundformat, ihr Aussehen und im Idealfall auch die Relevanz ihrer Inhalte entsprechen denen der organischen Suchergebnisse.

Die Sponsored Posts im Newsfeed von Facebook sind ein weiteres Beispiel für Native Ads, ebenso die Promoted Tweets auf Twitter. Wer darüber werben will, muss eigene Posts erstellen, die zu der jeweiligen Plattform passen und sich stimmig ins Gesamtbild einfügen. So muss ein Native Ad in der Twitter Timeline mit 140 Zeichen Unicode auskommen wie jeder andere Tweet. Werbetreibende haben dabei nicht die Möglichkeit, einfach die immer gleiche Bannergrafik in den verschiedenen Kanälen zu platzieren.

Zu den Erfolgsvoraussetzungen für erfolgreiches Native Advertising gehört es, sich vorher mit dem Umfeld der Werbeanzeige auseinanderzusetzen: Welcher Content wird auf dieser Plattform erwartet? Wie wird die Anzeige von der Zielgruppe wahrgenommen?

Die Plattformen profitieren von dieser Werbeform, da sie keinem externen Netzwerk Werbeflächen zur Verfügung stellen müssen, sondern den Zugang zu plattformspezifischen Formaten und Zielgruppen exklusiv vermarkten können. Der Vorteil für die Werbetreibenden ergibt sich aus der riesigen Daten- und Informationsmenge, die sie über die Plattform beziehen. Daraus lässt sich genau ablesen, wer welche Inhalte auf welche Weise abruft, konsumiert, teilt und weitergibt. Das schärft den Blick und das Bewusstsein für die Zielgruppe und hilft, diese künftig noch besser zu erreichen und zu binden.



Fazit: Viele Internetnutzer nehmen Werbebanner überhaupt nicht mehr wahr. Daher setzt die Werbebranche verstärkt auf Content Marketing und Strategien zur möglichst natürlichen Einbindung von Werbeinhalten. Wer das Konzept und die eigenen Qualitätsansprüche von Native Advertising gut umsetzt, kann die Bannerblindheit der Zielgruppe umgehen und neue Klickerfolge feiern.

 

Oberstes Bild: © bakhtiarzein – fotolia.com

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Mehr zu Christine Praetorius

Christine Praetorius, Jahrgang 1971, spricht und schreibt über Neues, Altes, Schönes und Kurioses. Ich liebe Sprache und Musik als die grössten von Menschen für Menschen gemachten Freuden – und bleibe gerne länger wach, um ihnen noch etwas hinzuzufügen. Seit 2012 arbeite ich mit meinem Mann Christian als freie Texterin, Autorin und Lektorin.

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