Betriebseinrichtung: Kampf zwischen Ergonomie und Produktivität?

Das Angebot von ergonomisch ausgerichteten Betriebsausstattungen nimmt gegenwärtig deutlich zu. Das zeigt der etwas genauere Blick auf die Sortimente solcher Anbieter. Diese Zunahme an qualitativ hochwertigen und meist ergonomisch ausgerichteten Büromöbeln, Werkbänken und anderer Betriebseinrichtungen geht aber auch mit höheren Preisen einher. Schon an dieser Stelle tut sich zumindest für die Betriebseinrichter ein erstes Dilemma auf: Ergonomisch durchdachte und entsprechend eingerichtete Arbeitsplätze kosten häufig ein Vielfaches von standardmässig eingerichteten Arbeitsplätzen.

Ein zweites Dilemma offenbart sich dann, wenn die Ergonomie auf die Produktivität abgeglichen werden soll. Nicht jeder ergonomisch eingerichtete Arbeitsplatz führt automatisch zu einer sofort erkennbaren Produktivitätssteigerung, was für viele Einrichter ein Hemmnis bei der Einrichtung ergonomischer Arbeitsplätze darstellt.

Was bedeutet Ergonomie?

Diese Frage wird häufig und nicht unberechtigt gestellt. Immerhin haben die Menschen in der Geschichte der Produktion ihre Arbeitsplätze immer so eingerichtet, dass sie damit erwartungsgemässe Ergebnisse erreichen konnten. Dabei waren die Arbeitsplätze nicht immer (und sind es auch bis heute nicht) vollkommen auf den Menschen abgestimmt. So verbietet sich eigentlich physiologisch betrachtet langes Sitzen genauso wie ständiges Stehen am Arbeitsplatz. Für beides ist der Mensch nicht geschaffen.

Und so wurden über die Jahrhunderte hinweg gewissermassen Krücken geschaffen, die den Widerpruch zwischen produktiven Erfordernissen und den physiologischen Gegebenheiten zunehmend überbrücken sollten.

Schaut man einmal in die Wikipedia, dann wird unter Ergonomie die Wissenschaft von menschlicher beziehungsweise automatisierter Arbeit verstanden. So gesehen hat Ergonomie also zunächst erst einmal gar nichts mit Physiologie und einem gewissen Mass an gesunder Bequemlichkeit zu tun. Viel mehr ausgerichtet scheint die Ergonomie an sich auf die Produktionsergebnisse zu sein. Es geht also gar nicht so sehr um an den Menschen angepasste Arbeitsplätze, sondern vielmehr um die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine oder Mensch und Werkzeug. Letztlich ist reine Ergonomie auf eine Verbesserung der Arbeitsergebnisse ausgerichtet, basierend auf Arbeitsplatzgestaltungen, die den Menschen möglichst wenig ermüden und auf Dauer auch nicht schädigen sollen. Im Mittelpunkt stehen also nicht das Wohlbefinden und die Bequemlichkeit der Menschen, sondern die Optimierung der Arbeit.

Produktivität steigerndes Element

So gesehen ist die Ergonomie eindeutig als Faktor für die Steigerung der Produktivität zu betrachten. Und aus derselben Sicht heraus wird klar, dass die Menschen schon immer ergonomische Arbeitsbedingungen angestrebt haben, diese aber nicht zwingend etwas mit der Beachtung körperlicher Gegebenheiten beim Menschen und noch weniger etwas mit Bequemlichkeit zu tun haben.

Ein Arbeitsplatz ist also nicht deshalb als besonders ergonomisch einzustufen, weil sich dort der Mensch in seiner physiologischen Beschaffenheit besonders wohl fühlt, sondern erst dann, wenn die Produktivität unter nachgeordneter Beachtung körperlicher Gegebenheiten verbessert werden kann.

Damit wird mit einer Auffassung aufgeräumt, die davon ausgeht, dass ein ergonomischer Arbeitsplatz zwingend gesund oder gar bequem sein müsse.


Ergonomie ist als Faktor für die Steigerung der Produktivität zu betrachten. (Bild: Dragon Images / Shutterstock.com)

Ergonomie ist teuer – warum?

Die Verbesserung der Produktivität in den unterschiedlichsten Bereichen der menschlichen Arbeit kann in der konsequenten Anwendung zu höheren Arbeitsergebnissen und damit auch zu einem erhöhten wirtschaftlichen Erfolg führen. Die Betonung liegt hier auf kann und nicht auf muss.

Diese Möglichkeit der Ergebnissteigerung lassen sich die Anbieter ergonomisch durchdachter Lösungen für die unterschiedlichsten Arbeitsplätze gut bezahlen. Daraus resultiert letztlich auch der Umstand, dass ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze in der Regel deutlich teurer sind, als die bislang bekannten und bewährten Standards.

Aus der Ergonomie hat sich von der Wissenschaft ausgehend mittlerweile ein eigenständiger Wirtschaftszweig entwickelt, der vor allem in den Bereichen der Betriebsausstattung bemüht ist, natürlich auch kräftig zu verdienen. Daraus resultieren dann höhere Anschaffungspreise für so ziemlich alles, was mit dem Stichwort „ergonomisch“ versehen wird. Ein angeblich ergonomisch ausgeformter Schreibstuhl ist für sich allein gesehen noch gar nicht ergonomisch, weil damit längst noch keine besseren Leistungen in der Schreib- oder Büroarbeit erzielt werden. Ein als ergonomisch bezeichneter Schreibstuhl ist in erster Linie ein wirbelsäulengerechter Stuhl, der in der Ausformung besondere Rücksicht auf den menschlichen Körperbau nimmt.

Ergonomisch wird genau dieser wirbelsäulengerechte Schreibstuhl erst dann, wenn er in ein System aus anderen Arbeitsmitteln und Arbeitsplatzausstattungen gebracht wird. Dazu gehört dann beispielsweise auch der höhen- und neigungsverstellbare Schreibtisch und eine nutzerfreundliche Computer-Hardware-Konfiguration oder die Arbeitsplatzbeleuchtung, die erst im gemeinsamen Zusammenspiel zu ermüdungsärmeren, gesünderen und damit letztlich auch produktiveren Arbeitsbedingungen beitragen können.

Ebenso wird eine Schaufel nicht dadurch ergonomischer, weil sie vielleicht einen besonders griffigen Schaufelstiel hat. Erst dann, wenn damit auch eine Steigerung der Produktivität einhergeht, ist eine Schaufel ergonomischer als ein vergleichbar schlechter geformtes Modell.



Fazit: Ergonomie richtet sich letztlich in erster Linie auf die Steigerung der Produktivität und erst in zweiter Linie auf die physiologischen Aspekte des menschlichen Körpers aus. Insofern ist die Ergonomie schon ein förderlicher Faktor zur Steigerung der Produktivität.

Aufgehoben wird dieser Effekt oftmals durch nicht konsequent in allen Bestandteilen ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze und durch die hohen Preise für ergonomische Betriebsausstattungen. Das Ergebnis wird durch die hohen Anschaffungskosten oftmals ins Gegenteil verkehrt und erst nach mehr oder minder langer Zeit amortisieren sich ergonomische Ausstattungen durch eine Zunahme der Produktivität.

Demnach ist die ergonomische Einrichtung von Arbeitsplätzen im Sinne der Produktivitätssteigerung durchaus sinnvoll, muss aber immer als komplexes System gesehen, verstanden und durchgesetzt werden. Mit allen Konsequenzen auch hinsichtlich der Kosten.

 

Oberstes Bild: © Sebastian Kaulitzki / Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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