Anreizsysteme: Motivation ist nicht käuflich
VON Christian Praetorius Selbstmanagement
Führungskräfte mit Personalverantwortung müssen ihre Mitarbeiter erfolgreich motivieren, um selber erfolgreich zu sein. Geld ist dabei nicht unbedingt ein guter Motivator, ebenso Statussymbole oder andere äussere Faktoren.
Immer mehr Menschen definieren ihre beruflichen Ziele nicht mehr über das monatliche Einkommen oder einen möglichst PS-starken Firmenwagen, sie wollen vielmehr sinnvolle Arbeit leisten und ausreichend Zeit für Familie und Freunde haben.
Dennoch tun sich die meisten Unternehmen schwer damit, diese Veränderungen umzusetzen. Noch immer gilt der finanzielle Anreiz als Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Mitarbeiter etwa für die Mitarbeit in einem anstrengenden Projekt zu gewinnen oder zu Überstunden zu bewegen. Prämien und variable Gehaltsanteile sollen Mitarbeiter motivieren, Höchstleistungen zu erbringen, die Praxis zeigt jedoch oft, dass diese Mechanismen langfristig eher das Gegenteil bewirken.
Geld alleine macht nicht (lange) glücklich
Studien haben nachgewiesen, dass Geld durchaus als Motivator funktioniert, jedoch nicht langfristig wirkt. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist finanzielles Glück limitiert, bei etwa CHF 5.000 pro Monat liegt die Grenze, über der mehr Geld nicht auch mehr Zufriedenheit vermittelt. Wer also bereits gut verdient, freut sich an einem höheren Gehalt oder einem Bonus kaum noch. Zum anderen gibt es speziell bei Prämien den so genannten „Plateau-Effekt“. Wer in einem Jahr eine Prämie von beispielsweise CHF 3.000 für gute Leistungen erhalten hat, erwartet eine mindestens ebenso hohe Belohnung auch in den Folgejahren. Bleibt die Prämie im Folgejahr aus oder ist geringer, so wird das eher als Kürzung des Gesamtgehaltes wahrgenommen und führt damit meist zu einer Demotivation, da ja insgesamt weniger verdient wurde.
Was genau wird belohnt?
Auch aus Sicht des Arbeitgebers sind finanzielle Prämien problematisch: Wenn die Prämie nicht direkt an besondere Erfolge, etwa die Gewinnung eines lukrativen Kunden, gekoppelt wird, sondern der Mitarbeiter nur für besondere Leistungen belohnt wird, etwa das Erbringen von Überstunden oder den pünktlichen Abschluss eines Projektes, kann das die Motivation negativ beeinflussen. Statt Überstunden freiwillig zu leisten, weil sie in Zeiten hoher Arbeitsbelastung anfallen und notwendig sind, kann die Prämie dazu führen, dass die Überstunden Mittel zum Zweck werden, um die Zulage zu erhalten. Wer diesen Gedanken konsequent zu Ende führt, kann schnell zu dem Ergebnis gelangen, dass ein langsameres, ineffizienteres Arbeiten während der regulären Arbeitszeit belohnt wird. Dieser Effekt ist bereits vor 60 Jahren vom britischen Soziologen C. Northcote Parkinson beschrieben worden: „Arbeit dehnt sich in genau dem Mass aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.“
Geld und materielle Belohnungen wirken also bestenfalls kurzfristig gesehen positiv, mittel- und langfristig verringern sie eher die Motivation und verselbständigen sich. Natürlich gibt es Ausnahmen, nämlich immer dann, wenn ein verantwortlich eingebundener Mitarbeiter durch sein eigenes Tun Erfolge für das Unternehmen erreicht und an diesen finanziell beteiligt wird. Ein variabler Gehaltsanteil für einen Vertreter ist eine probate Möglichkeit, ihn finanziell an einem Erfolg zu beteiligen. Hier stehen Leistung im Sinne von zusätzlicher Wertschöpfung und Belohnung in einem engen Verhältnis, eine klassische Win-win-Situation.
Sinn motiviert langfristig
Der französische Schriftsteller und Pilot Antoine de Saint-Exupéry prägte den Ausspruch: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Er stellt damit auf die intrinsische, also von innen kommende Motivation ab, die in jedem Menschen vorhanden ist. Wer Mitarbeiter nicht mit Strafe und Belohnung führt, sondern ihnen die Freiheiten lässt und einräumt, an ihren Aufgaben zu wachsen und sie mit motivierenden Herausforderungen immer wieder dazu bringt, über sich hinaus zu wachsen und dabei Sinnvolles zu schaffen, wird langfristig mehr Erfolg haben. Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt: eine Familie, Freunde, persönliche Ziele und Wünsche, die erreicht und erfüllt werden sollen. Es gilt, die persönlichen Motive jedes Mitarbeiters zu erkennen und zu nutzen, indem dem Mitarbeiter passende, herausfordernde Aufgaben übertragen werden.
Ein wichtiger Faktor dabei ist der bereits erwähnte Sinn, also die Bedeutung von Handeln und eigener Aktivität. Wenn eine Tätigkeit in der Wahrnehmung eines Mitarbeiters keinen Sinn ergibt, wird er sie – bewusst oder unbewusst – sabotieren, indem er sie langsamer, schlechter oder gar nicht ausführt. Wenn hingegen dem Mitarbeiter der Sinn seiner Tätigkeit bewusst ist, führt das zu einer höheren Motivation, da damit selbst vermeintlich kleine Arbeiten im Gesamtkontext wichtig und wertvoll werden und einen Beitrag zum Gesamterfolg beitragen.
Nicht erst von der vielbeschworenen „Generation Y“ wird die Sinnfrage der Arbeit thematisiert. Junge und gut ausgebildete Arbeitnehmer wollen sich nicht in einem Malstrom von Leistung und Belohnung vereinnahmen lassen, sondern verstärkt etwas leisten, das für sie sinn- und damit wertvoll ist. Sie empfinden ihre Zeit nicht als Gegenwert, den sie bei einem Arbeitgeber gegen Geld und finanzielle Sicherheit eintauschen, sondern als begrenzte Ressource, die möglichst effizient genutzt werden will.
Darauf müssen Führungskräfte mit Personalverantwortung sich einstellen und stärker als früher bemüht sein, mit ihren Mitarbeitern in einen Dialog zu treten, ihnen Sinnzusammenhänge zu erläutern, das „Big Picture“ vermitteln. Statt Anweisungen zu geben und deren Einhaltung zu überwachen, müssen sie mit ihren Mitarbeitern sprechen, Fragen stellen und herausfinden, was jeden einzelnen motiviert und antreibt. Und dann Aufgaben verteilen, die diesen Motivatoren entsprechen, die fordern, aber eben auch fördern und Raum für persönliche Entwicklung und Wachstum bieten.
Work-Life-Balance nimmt an Bedeutung zu
Das gilt nicht nur bei vermeintlich grossen Aufgaben wie unternehmenskritischen Projekten, sondern zieht sich durch alle Hierarchien. Selbst Mitarbeiter, die nur „ein kleines Rädchen“ im Uhrwerk des Unternehmens sind, wollen in ihrer Tätigkeit einen Sinn erfahren. Und im Umkehrschluss sind heute immer mehr Menschen bereit, für eine sinnvolle und ausfüllende Tätigkeit weniger Geld zu erhalten und Karriereoptionen nicht zu nutzen, um stattdessen etwa mehr Zeit für das Privatleben, für Hobbies, Familie oder ehrenamtliches Engagement zu haben.
Eine ausgewogene Work-Life-Balance ist besonders jungen Einsteigern in den Arbeitsmarkt wichtig, doch auch gestandene Arbeitnehmer erkennen, oft aufgrund von auftretenden gesundheitlichen Problemen, dass Arbeit nicht alles ist und Geld nicht glücklich macht. Unternehmen, die diesen Arbeitnehmern eine sinnvolle und motivierende Herausforderung bieten, werden in Zukunft weniger Probleme damit haben, Mitarbeiter zu finden, zu halten und von ihnen Höchstleistungen zu erhalten.
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