Potosí – Aufstieg und Niedergang einer Rohstoff-Metropole

Sagt Ihnen der Name Potosí etwas? Früher stand er in Europa für unermesslichen Reichtum. Noch heute verwendet man im Spanischen die Redewendung „vale un potosí“ für „ein Vermögen wert“. Nur wenigen, die sie benutzen, dürfte dabei bewusst sein, worauf sie sich bezieht – die alte Minenstadt Potosí im bolivianischen Hochland.

Die Stadt verdankt ihre Existenz dem Silberreichtum des Ortes. Nach wie vor spielt der Bergbau hier eine zentrale Rolle. Neben dem Edelmetall wird hier auch Kupfer und Zink gewonnen. In der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Stadt spiegeln sich Glanz und Elend des menschlichen Strebens nach Reichtum in besonderer Weise wieder.

Wie eine Grossstadt auf 4000 Meter Höhe kommt

Wäre da nicht das kostbare Erz, spräche nicht viel für eine Ansiedlung in dieser Gegend. Potosí liegt über 4.000 Meter hoch auf dem Altiplano, einer weitflächigen Hochebene zwischen den östlichen und westlichen Anden. Man befindet sich hier im südlichen Teil von Bolivien. Die Stadt stellt damit eine der höchstgelegenen Grossstädte der Erde dar. Das Land ist äusserst trocken, fast wüstenartig. Vorherrschendes Gewächs ist das allgegenwärtige Ichugras, ansonsten ist die Vegetation dürftig. Die Landschaft wird durch die Farbe Braun geprägt, das sich in zahlreichen Facetten von ockergelb bis schwarzbraun zeigt. Wer die Höhenlage nicht gewohnt ist, muss sich hier erst einmal akklimatisieren, um richtig atmen zu können.

Mit ihren heute rund 170.000 Einwohnern erreicht Potosí etwa die Grösse Basels und damit keine aussergewöhnliche Bevölkerungszahl. Dennoch war die Stadt einst so etwas wie eine Welt-Metropole. Denn bereits 1611 betrug die Bevölkerung schätzungsweise zwischen 120.000 und 150.000 Menschen und konnte sich damit damals durchaus mit den grossen europäischen Hauptstädten ihrer Zeit messen. Dies ist umso erstaunlicher, als die Stadt erst wenige Jahrzehnte zuvor – nämlich genau am 10. April 1545 – gegründet wurde. Die Gründung erfolgte durch die Spanier kurz nach der Eroberung des Inka-Reiches.


In der Silbermine von Potosí. (Bild: Free Wind 2014 / Shutterstock.com)

Quelle des Reichtums: der Cerro Rico

Die Ursache für diese dynamische Entwicklung verbirgt sich im „Cerro Rico“, dem „reichen Berg“, der sich am Rande der Stadt erhebt. Er überragt Potosí mit seinen 4.800 Metern nochmals um fast achthundert Meter. Der Berg ist eine Schatzgrube. Das vulkanische Gestein enthält ausgesprochen reiche Silbervorkommen, die hier seit mittlerweile fast 500 Jahren abgebaut werden, inzwischen allerdings weitgehend ausgeschöpft sind. Daneben finden sich Blei, Kupfer, Wolfram, Zink und Zinn – alle sind ebenfalls heute begehrte Rohstoffe. Rund hundert unterschiedliche Minerale kommen hinzu.

Es war aber vor allem das Silber, das die Spanier hierherzog und zum atemberaubenden Aufstieg Potosís führte. Die Silberminen des Cerro Rico wurden schnell zu den bedeutendsten des riesigen spanischen Kolonialreiches und zogen viele Menschen in die unwirtliche Gegend. Nur wenig von dem geförderten Reichtum blieb allerdings in der Stadt, das meiste wurde ins Mutterland und in alle Welt verschifft. Infolge der gewaltigen Fördermengen aus Potosí kam es sogar in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einem weltweiten Verfall der Silberpreise. Die damalige Silber-Inflation hat spätere Inflationstheorien massgeblich beeinflusst.



 Bergbau ohne Rücksicht

Von dem Reichtum Potosís profitierten nur wenige. Die Förderung des kostbaren Erzes ist vielmehr auch eine Geschichte von Tod und Elend. Wie viele Menschen im Rahmen des unter äusserst unwirtlichen Bedingungen stattfindenden Bergbaus umkamen, darüber gehen die Ansichten auseinander. Es dürften Zehntausende gewesen sein. Fest steht, dass die spanische Kolonialverwaltung Menschenleben bewusst opferte, um an das Edelmetall zu kommen. Am Anfang wurden vor allem indianische Zwangsarbeiter in den Minen eingesetzt. Der Versuch, auch afrikanische Sklaven zu verwenden, scheiterte an den klimatischen Verhältnissen und der Höhenluft. Dennoch wurden rund 30.000 Sklaven eingeführt, von denen die meisten in dem ungewohnten Klima starben. Auch Krankheitsepidemien sorgten immer wieder für hohe Sterberaten. Später wurde das System der Zwangsarbeit durch freie Lohnarbeit und Werkvertragsarbeit abgelöst. Trotz der heute besseren Rahmenbedingungen stellt Bergbau in Potosí nach wie vor eine äusserst harte und schlecht entlohnte Arbeit statt. Auch im sicher nicht reichen Bolivien gilt Potosí eher als ärmere Stadt. Eine Problem sind die häufig stark schwankenden Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt, die immer wieder zu Bergbau-Krisen führen.

Wer möchte, kann sich vor Ort auch selbst ein Bild vom Silberbergbau machen. Es gibt organisierte Führungen in die Minen des Cerro Rico. Sie vermitteln einen hautnahen Eindruck von der nach wie vor sehr anstrengenden und aufreibenden Arbeit der Bergleute. Potosí lebt immer noch von und mit dem Bergbau. Erst allmählich hat sich der Tourismus sich zu einem zweiten Standbein für die alte Silber-Metropole entwickelt. Ein Einnahmequelle, die die Stadt im Hochland von Bolivien gut gebrauchen kann.

 

Oberstes Bild: Die frühere Weltmetropole Potosí ist heute ein Studienobjekt für wirtschaftliche Monokultur.   (© Jess Kraft / Shutterstock.com)

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem großen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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