Flexible Arbeitszeiten: Wenn Ferien käuflich sind

Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist ein Thema, das vielen Arbeitnehmern wichtig ist. Angesichts des um sich greifenden Fachkräftemangels können entsprechende Angebote sogar darüber entscheiden, ob ein Unternehmen für Bewerber attraktiv ist.

Dabei geht es um die allgemeine Arbeitszufriedenheit, die Kultur von Unternehmen, vor allem aber um flexible Arbeitszeiten und ein ausreichendes Mass an Freizeit. Einige Schweizer Unternehmen bieten ihren Angestellten neue Freizeit-Modelle an: Die Mitarbeiter können zusätzliche Ferientage kaufen.

Swisscom: Ferienkauf als Flexibilisierungsangebot

Die IT-Spezialisten der Swisscom erhielten Anfang 2013 eine E-Mail aus der Personalabteilung, in der es darum ging, ob sie sich vorstellen könnten, zwei zusätzliche Wochen Ferien im Jahr zu haben und dafür auf einen Teil ihres Gehaltes zu verzichten. Mit dieser Nachricht begann bei der Swisscom ein Pilotversuch zur Flexibilisierung der hausinternen Arbeitszeiten. Ab sofort konnte zumindest ein Teil der Swisscom-Mitarbeiter bis zu zehn zusätzliche Ferientage kaufen. Inzwischen bietet die Swisscom die Möglichkeit des Ferienkaufes ihrer gesamten Belegschaft an.

Gekaufte Ferientage – kurzfristige Lösung für spontane Freizeitwünsche?

Die Swisscom steht mit dieser Praxis nicht allein. Auch Grossbanken – beispielsweise die UBS – gestalten ihre Arbeitszeitmodelle zunehmend flexibler. Die Frage ist, was den Kauf von Ferientagen von herkömmlichen unbezahlten Ferien unterscheidet – und wer am Ende davon profitiert: der Arbeitnehmer oder vielleicht doch der Arbeitgeber? Swisscom-Sprecher Carsten Roetz beschreibt den Unterschied zwischen unbezahlten und gekauften Ferien so, dass unbezahlte normalerweise länger seien und als zusammenhängender Block beantragt und genommen werde. Der Ferienkauf ziele demgegenüber eher auf einzelne freie Tage ab, so dass die Mitarbeiter auf spontane private Anforderungen flexibel reagieren könnten.

Der Preis: ein Tagessalär pro gekauftem Ferientag

Sehr gross sind die Unterschiede zwischen bezahlten und unbezahlten Ferien ansonsten nicht: Auch die gekauften Ferientage müssen beim Chef beantragt, im Team koordiniert und von den Teammitgliedern aufgefangen werden. Genommen werden können die zusätzlichen freien Tage, wenn die regulären Ferien bereits aufgebraucht sind. Für ihre Bezahlung wird bei der UBS eine einfache Formel angewendet: Für eine Woche Zusatzurlaub werden 5/261 des Brutto-Jahresgehaltes fällig. Versicherungsleistungen werden von den gekauften Ferientagen nicht berührt, bleiben also anders als bei unbezahlten Ferien in vollem Mass erhalten.

Bei den Mitarbeitern finden entsprechende Angebote nur wenig Resonanz

Einen Nerv der Mitarbeiter haben Swisscom und UBS mit diesem Angebot offensichtlich nicht getroffen – die Nachfrage nach den gekauften Ferientagen hält sich bisher in sehr engen Grenzen. Berechtigt zum Ferienkauf sind bei der Swisscom insgesamt 2300 Arbeitnehmer, in Anspruch genommen haben ihn bisher nur 130 – ganze 6 %. Insgesamt haben sie 900 zusätzliche Ferientage erworben, im Durchschnitt nahmen sie sich sieben Tage frei. Noch magerer ist das Ergebnis bei der UBS, wo im vergangenen Jahr nur 2,5 % der Angestellten Ferientage kauften. In der geringen Resonanz schlagen sich sehr wahrscheinlich auch die arbeitsorientierten Werte der Schweizer nieder.


Die Mitarbeiter verschiedener Schweizer Unternehmen können zusätzliche Ferientage kaufen. (Bild: Frank Gaertner / Shutterstock.com)
Die Mitarbeiter verschiedener Schweizer Unternehmen können zusätzliche Ferientage kaufen. (Bild: Frank Gaertner / Shutterstock.com)


Auch die Spareffekte für die Unternehmen halten sich in Grenzen

Zu einer besseren Work-Life-Balance der Mitarbeiter leistet die Möglichkeit des Ferienkaufs also nur einen geringen Beitrag. Interessant ist daher auch, was sich die Unternehmen davon versprechen. Der Gedanke, dass die Firmen durch das neue Modell Lohnkosten sparen wollen, liegt hier durchaus nahe. Carsten Roetz verneint für die Swisscom allerdings, dass solche Spareffekte dem Unternehmen etwas brächten – bisher sei dort durch den Ferienkauf lediglich ein „tiefer einstelliger Millionenbetrag“ eingespart worden.

UBS: Flexible Arbeit birgt Rationalisierungspotenziale

Die UBS setzte das Thema übrigens schon weitaus früher auf die Agenda. Im Jahr 2009 – auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise – nahm die Bank einen massiven Stellenabbau in Angriff. Seinerzeit ging es neben der Streichung von 2500 Arbeitsplätzen in der Schweiz auch um freiwillige Arbeitszeitreduktionen der Mitarbeiter. Aus dem zweiten Ansatz hat sich inzwischen ein sehr umfassender Katalog an Flexibilisierungsmassnahmen entwickelt. UBS-Mitarbeiter können beispielsweise zwischen Teilzeitarbeit, Jobsharing, einer flexiblen Jahresarbeitszeit oder Homeoffice-Vereinbarungen wählen. Für kurze Arbeitswege stehen ihnen ausserdem Pool-Arbeitsplätze in der Nähe ihres Wohnorts zur Verfügung. Als zusätzliche Freizeit-Optionen gibt es unbezahlte Ferien sowie den Ferienkauf. Ältere Mitarbeiter können ab dem 58. Lebensjahr die Teilalterspensionierung oder – ohne Änderungen der Versicherungsleistungen – eine Reduktion ihrer Regelarbeitszeit in Anspruch nehmen.

Gesetzliche Regelungen setzen den Flexibilisierungsinteressen der Arbeitgeber Grenzen

An der Frage, ob eine solche Flexibilisierung der Arbeitszeit respektive immer flexiblere Arbeitsmodelle auf Initiative der Arbeitgeber eher kritisch zu sehen sind, scheiden sich die Geister. Prof. Michael Beckmann, Personal- und Organisationsökonom an der Uni Basel, befürchtet, dass die Reise in eine Richtung geht, die in mehr als einem US-amerikanischen Unternehmen bereits gang und gäbe ist: Die Arbeitszeit wird von der Erledigung der Arbeitsaufgaben bestimmt. Auf den ersten Blick grosszügige Versprechen, dass die Mitarbeiter über die Dauer ihrer Ferien selbst bestimmen dürfen, können sich vor diesem Hintergrund schnell als „Pferdefuss“ erweisen. Im Extremfall nehmen die Mitarbeiter aus Sorge um ihren Arbeitsplatz vielleicht gar keine Ferien mehr – ein Szenario, dem in der Schweiz allerdings gesetzliche Regelungen zum Ferienanspruch von Arbeitnehmern entgegenstehen.

 

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