Industrieklettern: Ein Beruf im Höhenflug

Wissen Sie, was hinter dem wenig geläufigen Begriff „Industrieklettern“ steckt? Ein nicht ganz alltäglicher Job, der mit den stets höher werdenden Gebäuden in unseren Städten immer gefragter wird. Dieser Beruf ist eine schöne Herausforderung für all jene, die mit einem gewissen Gefahrenpotential und kalkuliertem Risiko gut umgehen können.

Bruno Riegler war schon immer ein Abenteurer. Nichts ist zu schnell, nichts zu hoch und nichts zu gefährlich. In seiner Freizeit ist der 28-Jährige in den Berner Kletterhallen und den Schweizer Alpen zu Hause. Niemals hätte er gedacht, dass er sein Hobby zum Beruf machen könnte. Nun ist sein Traum wahr geworden: Bei einem renommierten Höhenarbeitsbetrieb absolvierte er eine Ausbildung zum zertifizierten Industriekletterer.

Ob im Hochbau, im Tiefbau, bei Tunneln, Brücken und Kraftwerksanlagen, im Wasserbau, bei Althaussanierungen, im Bergbau oder bei Energieunternehmen – die Vielzahl an Branchen, die Industriekletterer einsetzen, macht deutlich, wie breit das Beschäftigungsspektrum ist.

Meistens haben Industriekletterer einen erlernten Beruf wie Maurer, Elektriker oder Schlosser. Allerdings führen sie diese Tätigkeiten in grosser Höhe aus – ohne Gerüst, dafür am Seil gesichert. Auch Instandhaltungsarbeiten an Fassaden, Strommasten oder Windrädern, Felsräumarbeiten und Reinigungsarbeiten in Silos werden von Industriekletterern erledigt.

Dabei muss die Höhe nicht zwangsläufig schwindelerregend sein – oft ist der Einsatzort vom Boden einfach nicht erreichbar oder für Kräne, Gerüste und Hebebühnen unzugänglich.



Internationale Standards für die Ausbildung

Die meisten Interessenten für diesen Beruf haben zwar gewisse Basiskenntnisse am Seil, sind aber längst nicht alle Hobbykletterer. Die Ausbildung wurde daher weltweit nach den Standards der IRATA reglementiert. Dieser Verband, die Industrial Rope Access Trade Association, wurde vor 25 Jahren in Grossbritannien gegründet und umfasste ursprünglich die Arbeiten am Seil auf Ölplattformen. Mittlerweile ist der IRATA-Standard in mehr als 50 Ländern anerkannt und verbindet über 70.000 ausgebildete Industriekletterer.

Grundsätzlich geht es also darum, Handwerks- oder Montagearbeiten nicht am Boden, sondern am Seil hängend in der Luft auszuführen. Industrieklettern hat eher wenig mit Sportklettern oder Bouldern zu tun. Die Kletterausrüstung dient nur zur Sicherung – im Mittelpunkt steht der Auftrag, der zu erledigen ist. In der Grundausbildung wird das Augenmerk auf horizontales und vertikales Arbeiten in der Höhe gelegt. Es werden Grundkenntnisse in den Seilzugangs- und Positionierungstechniken ebenso vermittelt, wie Materialkunde sowie Wartung, Prüfung und Pflege der einzelnen Ausrüstungskomponenten. Nicht zuletzt lernen die Anwärter auch die Anwendung der verschiedenen Rettungstechniken.


Hoffentlich schwindelfrei – Industriekletterer bei der Arbeit. (Bild: Photobac / Shutterstock.com)


Ein typischer Einsatz

Heute geht es für Bruno Riegler und seinem Team zum Sitterviadukt, einer über 60 Meter hohen Autobahnbrücke in der Nähe der malerischen Stadt St. Gallen. Der Spannbeton muss regelmässig überprüft werden, um mögliche Abnutzungserscheinungen festzustellen. Da die Gutachter mit den Inspektionsgeräten nicht überall hinkommen, werden Industriekletterer eingesetzt. Schnell und sicher seilt sich die Mannschaft an den Pfeilern ab und verrichtet gewissenhaft die notwendigen Arbeiten. Das Zeitfenster für diesen Auftrag umfasst – je nach Witterung – mehrere Tage. Dann muss Bruno Riegler zum Windkraftwerk Juvent, dem grössten Windpark in der Schweiz. Dort sind die Schäfte und Rotorblätter der riesigen Windräder auf Risse zu überprüfen. Ausgebessert und neu beschichtet werden die schadhaften Stellen gleich von den Industriekletterern selbst.


Industrieklettern ist eine Arbeit mit guten Zukunftsaussichten - vorausgesetzt, man hat keine Höhenangst. (Bild: Dmitry Kalinovsky / Shutterstock.com)
Industrieklettern ist eine Arbeit mit guten Zukunftsaussichten – vorausgesetzt, man hat keine Höhenangst. (Bild: Dmitry Kalinovsky / Shutterstock.com)


Kalkuliertes Risiko

Oberste Priorität bei dieser Arbeit hat die Sicherheit. Für jeden Einsatz wird ein Rettungskonzept bereitgelegt, in den meisten Fällen verlangt der Auftraggeber sogar einen sogenannten Evaluierungsplan. Dabei handelt es sich um eine detaillierte Einschätzung des Risikos. Bei Notfällen, wie zum Beispiel einem Höhentrauma eines Mitarbeiters, müssen die Industriekletterer genau wissen, was zu tun ist. Deshalb wird für jeden Auftrag das potentielle Risiko kalkuliert und ein Rettungskonzept erstellt. Wichtig ist auch der Check der persönlichen Schutzausrüstung.

Die Risikoprävention beginnt für die Profis schon bei der Arbeitsvorbereitung. Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Mitarbeiter, vor Ort die Gefahr richtig einzuschätzen. Erst wenn der zweite Mann wieder am Boden ist, endet der Einsatz – Industrieklettern ist nämlich immer Teamarbeit.


Industrieklettern – ein Beruf mit kalkuliertem Risiko. (Bild: Don Pablo / Shutterstock.com)


Beruf mit Zukunft

Den Job Industrieklettern kann man auf der ganzen Welt ausüben. Die gut ausgebildeten Schweizer Profis sind mit ihrem solidem Wissen, ihrem ausgezeichneten Können und ihrer zuverlässigen Risikoeinschätzung international gefragt. Natürlich ist auch eine gewisse Flexibilität erforderlich, denn überraschende Noteinsätze können bei Tag und bei Nacht immer wieder vorkommen. Frauen gelten in diesem Beruf als eine Seltenheit, liegt ihr Anteil gerade einmal bei rund sechs Prozent. Besonders die körperliche Belastung dürfte wohl zu herausfordernd sein.

Bruno Riegler hat seine Berufung gefunden. Durch seine angelernten Fertigkeiten ist er ein gefragter Mann, der an den Fassaden von Hochhäusern, an Schloten und Staumauern seinen gut bezahlten Dienst verrichtet. Manche Menschen lieben es einfach spannend. So riskant wie die Tätigkeit selbst, so sicher sind die Jobaussichten: Industrieklettern hat Zukunft, denn die Arbeit wird nicht weniger!

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Oberstes Bild: © Oleg Malyshev – Shutterstock.com

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