Fidleg-Entwurf: Schweizer Rechtssystem vor Belastungsprobe

Der Entwurf des Finanzdienstleistungsgesetzes (Fidleg) sorgt für Furore. Es geht dabei um die Umkehrung der Beweislast im Hinblick auf die Bankkundenberatung. Die Banken behaupten, dass mit diesem Gesetz das Schweizer Rechtssystem untergraben werde. Dabei laufen die Exponenten der Banken und der angeschlossenen Verbände regelrecht Sturm gegen die im Fidleg-Entwurf zur Diskussion gestellten Kundenschutzideen.

Zwar beteuern sowohl Banker als auch die Verbandsoberen, dass man grundsätzlich eine Verbesserung der Rechte der Anleger befürworte und auch jederzeit unterstützen werde. Allerdings machen sie auch deutlich, dass sie keine gravierenden Missstände auf dem Schweizer Finanzplatz entdecken könnten. Ganz im Gegenteil: Im internationalen Vergleich sei die Zufriedenheit der Kunden äusserst hoch; zudem müsse man allgemein von mündigen Kunden ausgehen.

Die Rechtsstellung der Bankkunden in der Schweiz soll massgeblich verbessert werden

Insbesondere das vorgeschlagene Schiedsgericht, das in Zukunft Streitfälle zwischen Kunden und Banken kostengünstig und innerhalb einer kurzen Frist beurteilen soll, ist den Banken und ihren Verbänden ein Dorn im Auge. Der Entwurf sieht vor, dass die Banken einen Prozesskostenfonds einrichten, der die durch die Klagen von Privatkunden entstehenden Kosten – zumindest in einwandfrei definierten Fällen – erstatten soll. Zudem ist angedacht, dass etwaige Geschädigte nun auch mittels eines Gruppenvergleichsverfahrens im Kollektiv vorgehen können. Zukünftig sollen die Finanzdienstleister des Weiteren die Beweislast dafür tragen, dass sie einen Kunden korrekt und umfassend über ein bestimmtes Finanzinstrument informiert haben.

Mit all diesen Vorschlägen soll die Rechtsstellung der Bankkunden in der Schweiz deutlich verbessert werden. Schliesslich haben in vielen Fällen, wie nicht zuletzt beim ominösen Konkurs der Espirito-Bank, die Kunden den finanziellen Schaden.

Angesichts dieser Vorhaben schlagen die Vertreter der eidgenössischen Finanzinstitute allerdings die Hände über dem Kopf zusammen. Diese Vorschläge würden implizieren, dass es gravierende Missstände auf dem Schweizer Finanzplatz gebe, wirft etwa der Direktor des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken Hanspeter Hess den Fidleg-Machern Unverhältnismässigkeit vor. Hier werde ohne Not ein bislang gut funktionierendes Rechtssystem gleichsam aus den Angeln gehoben, führt er weiter aus. Auch die Beweislastumkehr sieht er nicht im Ansatz als mit dem gültigen Rechtssystem vereinbar. „In jedem anderen Vertragsverhältnis, das im Alltag zwei Parteien eingehen, liegt die Beweislast bei angezeigten Verstössen gegen die Informationspflicht beim Kunden“, beschwert sich denn auch Beat Oberlin, der als Chef der Basellandschaftlichen Kantonalbank vorsteht.

Kritik der Banker: Die Beweislastumkehr stelle das schweizerische Rechtssystem auf den Kopf

Die Notwendigkeit einer Beweislastumkehr können daher weder Oberlin noch Hesse erkennen. Zumal Oberlin erbost darauf hinweist, dass die Basellandschaftliche Kantonalbank noch nie wegen falscher Beratung eine Klage zugestellt bekommen habe. Auch die unschönen Vorkommnisse um die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers und die folgenden Umwälzungen im Bankensektor würden die geplanten Gesetzesänderungen in keinster Weise rechtfertigen. Zur Erinnerung: Viele Anleger aus der Schweiz haben damals mit so bezeichneten kapitalgeschützten Lehman-Produkten teilweise massig Geld verloren. Die Banker bewerten nun die vorgeschlagene Beweislastumkehr als inakzeptables Instrument, das zudem dem schweizerischen Rechtssystem bisher völlig fremd sei.


Der Fidleg-Entwurf wird in Bezug auf das Schweizer Rechtssystem kontrovers diskutiert. (Bild: Vinnstock / Shutterstock.com)
Der Fidleg-Entwurf wird in Bezug auf das Schweizer Rechtssystem kontrovers diskutiert. (Bild: Vinnstock / Shutterstock.com)


Die Meinung der Banker teilen aber längst nicht alle Protagonisten. So widerspricht zum Beispiel Rolf Sethe vehement dieser Auffassung. Der an der Universität Zürich lehrende Professor für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht vermag nämlich ein Verdrehen des Rechtssystems überhaupt nicht zu erkennen. Letztendlich werde die Beweislastumkehr doch nur die Banken treffen, die nicht in vollem Umfang informieren und dokumentieren. Die anderen Finanzinstitute hätten doch eh keine Repressalien zu befürchten, verweist er auf den Artikel 74 Absatz 1 im Fidleg-Entwurf. Ausserdem würden fehlende Dokumentationen im Hinblick auf die Beweiswürdigung in der Schweizer Rechtsprechung schon seit längerer Zeit genutzt.

Völlig fremd sind solche Vorgänge und die entsprechenden Instrumente der hiesigen Rechtsprechung also nicht; es handelt sich bei diesem Entwurf damit faktisch lediglich um eine Klarstellung. Zudem bedarf das Schweizer Recht eh einer grundsätzlichen Überprüfung: Schon im Hinblick auf die Datenweitergabe von Google griff das Schweizer Recht nicht.

Schweizer Rechtssystem bietet viele Beispiele für die Beweislastumkehr

Wird ein wenig im Schweizer Recht recherchiert, lassen sich auch im Obligationsrecht entsprechende Aussagen und Fälle finden. So haftet gemäss Artikel 55 ein Geschäftsherr grundsätzlich genau für die Schäden, die seine Mitarbeiter bzw. Untergebenen anrichten, sofern er nicht nachweisen kann, dass er mit aller ihm zur Verfügung stehenden Sorgfalt den Schaden nicht verhüten konnte. Auch Artikel 754, der gerade für Finanzdienstleister verhältnismässig naheliegend ist, kann hier Anwendung finden. Demnach muss ein Verwaltungsrat für einen von seinen Untergebenen verursachten Schaden nur dann nicht geradestehen, wenn er beweisen kann, dass er eben diesen Untergebenen explizit ausgewählt, sorgfältig instruiert und überwacht hat.

Mit der Sachlage wird sich auch der Schweizer Konsumentenschutz befassen müssen. Dies wäre dabei auch eine gute Möglichkeit, an Reputation zu gewinnen und einen effektiven Konsumentenschutz zu implementieren. Die bislang getätigten Äusserungen der Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz, Prisca Birrer-Heimo, dass in der Schweiz die Beweislastumkehr aktuell nur in Einzelfällen gebräuchlich sei, dem eidgenössischen Moloch der Informationsasymmetrie aber entgegengewirkt werden müsse, klingt noch sehr verhalten; diplomatisch eben.

 

Oberstes Bild: © Lisa S. – Shutterstock.com

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