Alle haben Stress im Job – nur der Chef nicht ...

Ende des vergangenen Jahres machten Schlagzeilen von Managersuiziden die Runde. Sie rüttelten auf und haben eine Debatte über den prinzipiellen Stress am Arbeitsplatz entfacht. Jetzt hat eine Studie in diesem Zusammenhang erstaunliche Ergebnisse zutage gefördert. Demnach sind in der Schweiz von insgesamt 4,9 Millionen Arbeitnehmern deutlich mehr als eine Million durch ihren Job übermässig gestresst. Das ist aber wohl nur die Spitze des Eisberges.

Laut der Studie haben zusätzlich noch einmal rund zwei Millionen Schweizer Arbeitnehmer während der Arbeitszeit Probleme, da sie mehr oder weniger erschöpft sind. Dies hat auch Auswirkungen auf die eidgenössische Wertschöpfung respektive auf die Schweizer Wirtschaft. Rund 5,6 Milliarden Franken gehen dieser nämlich durch gestresste und erschöpfte Arbeitnehmer durch die Lappen. Jährlich, wohlgemerkt.

Job-Stress-Index 2014: Ein Viertel der Arbeitnehmer leidet unter Stress

Diese Grössenordnung wurde jüngst in der erstmalig erstellten Studie „Job-Stress-Index 2014“ veröffentlicht, die im Auftrag der Gesundheitsförderung Schweiz von der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sowie der Universität Bern ausgearbeitet wurde. Dabei standen knapp 3500 Schweizer Erwerbstätige mittels einer repräsentativen Onlineumfrage Rede und Antwort zu dieser Thematik. Als vermeintliche Stressfaktoren, in der Studie auch als Stressoren bezeichnet, wurden diesbezüglich vor allem Überforderung, Zeitdruck sowie Probleme mit Kollegen und Vorgesetzten genannt. Demgegenüber gelten ein eingeräumter Handlungsspielraum, Wertschätzung und die Unterstützung durch Vorgesetzte als Entlastungsfaktoren, die sich als Ressourcen in der Studie wiederfinden.

Die diesbezüglichen Ergebnisse zeigen dabei, dass der Grossteil der Arbeitnehmer respektive der Erwerbstätigen in der Alpenrepublik über vergleichsweise weniger Stressoren als Ressourcen, zumindest aber über gleich viel Stressoren und Ressourcen verfügt. Aber: Bei etwa 24,8 % überwiegen – teilweise eindeutig – die Stressfaktoren; das ist also fast ein Viertel der eidgenössischen Arbeitnehmer. Interessant ist, dass es laut den Umfrageergebnissen in der Deutschschweiz weniger gestresste Arbeitnehmer gibt als in der französischsprachigen Schweiz.

Zudem scheint es sich in der Tat zu bestätigen, dass man im Alter gelassener wird. Die Erwerbstätigen, die jenseits der 40 Jahre sind, sind laut den Studienergebnissen weniger gestresster als ihre jüngeren Kollegen und Kolleginnen. Dies liegt wohl auch daran, dass den jüngeren Schweizern die Arbeit – schon fast traditionell – wichtiger als die Ferien ist.

Ein Unterschied in Bezug auf das Verhältnis von Ressourcen zu Stressoren zwischen weiblichen und männlichen Erwerbstätigen ist nicht festgestellt worden. Lediglich Männer, die sich in einer Teilzeitanstellung befinden, zeigten einen höheren Stressfaktor als ihre weiblichen Pendants. Ein Zusammenhang zwischen Branche und Stress konnten die Forscher allerdings nicht ausmachen.


Führungskräfte. (Bild: Wavebreakmedia / Shutterstock.com)
Führungskräfte. (Bild: Wavebreakmedia / Shutterstock.com)


Weniger Stress: Führungskräfte weisen mehr Entlastungsfaktoren auf

Nachweisen konnten sie aber stattdessen, dass der Stress von der jeweiligen Hierarchiestufe abhängig ist. Dieses Ergebnis erstaunt dann doch schon sehr. Schliesslich wurden noch beim Aufkommen der Diskussionen um den Stress am Arbeitsplatz gerade die Führungskräfte bzw. Arbeitnehmer in leitenden Positionen als Hauptbetroffene ausgemacht. Die aktuellen Studienergebnisse berichten stattdessen über signifikant weniger Stress bei Führungspersonen. Aber: Dies liege nicht an den Stressfaktoren, betonen die Forscher.

Stattdessen hätten Führungskräfte einfach nur mehr Ressourcen zur Verfügung, die für regelmässige Entlastung sorgen. Dabei geniessen Führungspersonen gerade im Hinblick auf den Handlungsspielraum erhebliche Vorteile. Sie können in der Regel nämlich selbst bestimmen, wie und vor allem wann sie ihre Arbeitsaufgaben ausführen. Dieser Umstand ist als entscheidender Vorteil von Führungspersonen gegenüber Personen ohne Führungsfunktion auszumachen.

Das Absinken der Arbeitsproduktivität steigert den wirtschaftlichen Verlust

Fakt ist aber auch, dass rund 40 % der Befragten über Erschöpfungssymptome am Arbeitsplatz klagen. Ein Viertel dieser Gruppe leidet sogar an einem hohen Mass an Erschöpfung; gerade Vollzeiterwerbstätige sind überdurchschnittlich oft von einem expliziten Erschöpfungssyndrom betroffen. Diese Erschöpfung bewirkt dann auch ein Ansteigen des Stressfaktors. Macht sich dabei die Erschöpfung anfangs durch ein Gefühl des Energieverlustes, der Überbeanspruchung oder des Ausgelaugtseins bemerkbar, kann es sich hinterher in einen hohen Stressfaktor bzw. Job-Stress-Index-Wert umwandeln. Die Folgen sind Schlafprobleme, psychosomatische Beschwerden, eine allgemein schlechtere Gesundheit und sogar Depressionen.

Personen, die mehr Stress- als Entlastungsfaktoren aufweisen, fehlen in ihrem Job wegen Krankheit rund 4,3 % der Arbeitszeit. Zwar arbeiten viele Erwerbstätige trotz des erhöhten Stressfaktors weiter, allerdings ist ihre Arbeitsproduktivität dann um insgesamt 15,1 % verringert. Gerade diese geringe Produktivität schraubt die Verluste für die Schweizer Wirtschaft in die Höhe. Auf krankheitsbedingte Abwesenheit entfällt allerdings nur etwa ein Viertel des Verlustes von 5,6 Milliarden Franken, der durch Erschöpfung bzw. Stress am Arbeitsplatz jedes Jahr generiert wird. Die Limitierung der Arbeitsproduktivität ist hier also als das weitaus grössere Problem für die Wertschöpfung auszumachen.

Abhilfe, zumindest eine Verbesserung der vorliegenden Zahlen, könnten höhere Investitionen der Arbeitgeber in das betriebliche Gesundheitsmanagement bewirken. Gerade spassige Events und Massnahmen zur Teambildung stellen gute Puffer für den Stresspegel dar. So könnte das Verhältnis zwischen Stress- und Entlastungsfaktoren innerhalb der eigenen Belegschaft optimiert werden, was langfristig die Mehrausgaben der Unternehmen für das Gesundheitsmanagement nahezu amortisieren könnte.

 

Oberstes Bild: © Africa Studio – Shutterstock.com

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