Generation Y – angepasst, bieder und wenig kreativ?

Der Generation Y werden viele Eigenschaften zugeschrieben. Ihre Vertreter gelten als anspruchsvoll und nonkonform, sollen mehr Leichtigkeit in die Unternehmen bringen und auf lange Sicht die Arbeitswelt grundlegend verändern. Ein aktuelles Buch räumt jetzt mit diesem Mythos auf – die Frage ist jedoch, ob diese Kritik berechtigt ist.

Die Bonner Politikwissenschaftlerin und Journalistin Christiane Florin bescheinigt den Millenials in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Warum unsere Studenten so angepasst sind“ Pragmatismus, Biederkeit und mangelnde Kreativität. Die Autorin formuliert darin eine Fundamentalkritik an den Studenten. Welche Rolle die Hochschulen, der Bologna-Prozess und die Erwartungen potenzieller Arbeitgeber dabei spielen, verliert sie völlig aus dem Blick.

Bologna – zum Teil auch Verschulung und inhaltliche Reduktion

Die Bologna-Reform hat auch die Hochschullandschaft der Schweiz in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Die früheren Diplom- und Lizenziats-Studiengänge wurden schrittweise durch das zweistufige Bachelor- und Master-System ersetzt. Schweizer Hochschulabschlüsse wurden damit ebenso wie die Abschlüsse anderer Länder international vergleichbar. Bologna erhebt ausserdem den Anspruch auf praxisrelevantes, effizientes Studieren – massgeblich durch den Bachelor und dessen Abgrenzung zu den stärker akademisch fokussierten Master-Studiengängen.

Honoriert wird dies seitens der Arbeitgeber bisher jedoch vor allem im Hinblick auf die Bachelor-Absolventen der Fachhochschulen. Das Bundesamt für Statistik (BfS) wertet die Implementierung des Bologna-Prozesses in der Schweiz überwiegend als Erfolg – inklusive sehr hoher Übertrittsquoten der frisch gebackenen Bachelors in das Master-Studium. Der Preis dafür ist allerdings vor allem im Bachelor-Bereich eine keineswegs nur positiv zu wertende inhaltliche Reduktion und Verschulung des Studienbetriebs.

Belohnung für Angepasstheit, kurze Studienzeiten und Pauken

An diesem Punkt setzt Florins Kritik an den Studenten an. Was sie moniert, trifft nicht nur auf den deutschen Hochschulbetrieb, sondern auch auf die Schweiz und andere Länder zu: In den Hörsälen und Seminaren sitze eine Generation, die nicht denke und diskutiere, sondern sich nur noch für Scheine und Credit Points zu interessieren scheine. Viele Personalmanager stellen den Berufsanfängern, die mit einem Bachelorabschluss in die Unternehmen kommen, kaum ein besseres Zeugnis aus. Demnach zeigen viele Bachelors kaum Eigeninitiative, sind zur Analyse komplexerer Probleme nicht imstande und alles in allem nicht wirklich fit für den Beruf.

Im Kern geht es dabei um die Folgen von Bologna – wirklich verwunderlich sind diese nicht: Belohnt werden an den Hochschulen und auch auf dem Arbeitsmarkt kurze Studienzeiten und gute Noten. Das Sammeln von Erfahrungen, differenzierte Lern- und Lebenswege und vor allem Zeit sind in diesem System nicht vorgesehen. Das für die Klausuren gepaukte Wissen ist danach oft schnell vergessen, zumal bereits die nächste Prüfung vor der Tür steht. Es scheint, als ob die Hochschulen seit Bologna aus ihren Studenten effiziente Arbeitsmaschinen formen wollten. Zudem hängt von einem möglichst guten Bachelor-Ergebnis ab, ob ein hochwertiger Master-Abschluss eine reale Perspektive ist.

„Trend zum Formalismus“ – an den Hochschulen und in den Unternehmen

Die zweite Hürde vor dem Master ist auch an den meisten Schweizer Business-Schools das Bestehen des sogenannten GMAT-Tests. Die in Englisch abzulegende, international standardisierte Prüfung zeugt einerseits von wenig Vertrauen in die Vorbereitung auf das Master-Studium durch den Bachelor, zum anderen geht es auch hier ausschliesslich um das Abfragen formalen Wissens. Dieser „Trend zum Formalismus“ setzt sich auch in den Personalabteilungen der meisten Unternehmen fort.

In den Bewerbungsverfahren geht es einmal mehr um Noten, den lückenlosen Lebenslauf, absolvierte Auslandsaufenthalte und Praktika bei Top-Adressen. Talentierte Quereinsteiger oder Bewerber, die schon etwas älter sind und ihre Zeit dazu genutzt haben, individuelle Erfahrungen – vielleicht auch ausserhalb des Zirkels von Hochschule, Praktika und Job – zu machen, haben, wenn überhaupt, nur limitierte Chancen. Ein High-Potential-Status wird ihnen von den Firmen jedenfalls nur selten zugestanden.


Die Unternehmen erwarten fertige und effiziente Mitarbeiter. (Bild: Corepics VOF / Shutterstock.com)
Die Unternehmen erwarten fertige und effiziente Mitarbeiter. (Bild: Corepics VOF / Shutterstock.com)


Die Unternehmen erwarten fertige und effiziente Mitarbeiter

Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Unternehmen über den Mangel an Fachkräften und kreativen Köpfen stöhnen. Zwar gibt es Studien, die belegen, dass der Schweiz in den nächsten Jahren mehrere Hunderttausend qualifizierte Arbeitskräfte fehlen werden – jedoch ist der Fachkräftemangel in vielen Firmen zumindest bisher auch hausgemacht. Solange unangepasste Bewerber sowie Ältere oder Quereinsteiger unabhängig von ihrem persönlichen und fachlichen Profil bei den Personalentscheidern nicht wirklich punkten können, verschenken die Unternehmen Potenziale, die auf dem Arbeitsmarkt durchaus vorhanden sind.

Die meisten Unternehmen erwarten ausserdem, dass die Hochschulen ihnen bereits fertige Mitarbeiter liefern. Beispielsweise hat die Anzahl der Trainee-Programme in den letzten Jahren spürbar abgenommen. Bewerber, die nicht von vornherein „perfekt“ zu einem Unternehmen passen oder in ihrer Lebens- und Karriereplanung nicht auf den ersten Blick mindestens formale Effizienz erkennen lassen, laufen Gefahr, dass sie trotz nachweisbarer fachlicher und persönlicher Fähigkeiten in Bewerbungsverfahren durch das Raster fallen.

Die überfällige Debatte: Welche Voraussetzungen erfordert Zukunftsfähigkeit?

Vor diesem Hintergrund erweisen sich sowohl die Glorifizierung als auch die Fundamentalkritik an der Generation Y als wenig angemessen. Ihre Vertreter erweisen sich in ihrem Verhalten und ihren Zielen an den Hochschulen – und nicht nur dort – als völlig rational. Sie versuchen, die Erwartungen der Hochschulen und potenzieller Arbeitgeber zu erfüllen, und orientieren sich in die Richtung, die unter den gegebenen Bedingungen den höchsten Grad an persönlichem Erfolg verspricht. Nur: Die Unternehmen und damit auch ganze Volkswirtschaften werden Zukunftsfähigkeit nicht durch formal oder monetär definierte Effizienz, sondern nur durch die Erschliessung ihres innovativen Potenzials erreichen können. Dafür sind unabhängige, kluge und kreative Köpfe – und deren Förderung durch Bildungseinrichtungen und Arbeitgeber – nötig. Statt eines Verrisses der Generation Y brauchen wir eine Debatte darüber, wie Zukunftsfähigkeit entstehen und erhalten werden kann.

 

Oberstes Bild: © Varina and Jay Patel – Shutterstock.com

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