Sind Sie der geborene Mentor?

Nur Erfahrungen zu sammeln und für die eigene Karriere zu nutzen, kann auf Dauer unbefriedigend sein. Warum nicht das eigene Wissen weitergeben und so jungen Unternehmern oder Job-Einsteigern weiterhelfen? Auch für Pensionäre, die zwar nicht mehr aktiv am Berufsleben teilhaben, aber dennoch gerne das über eine Lebensspanne gesammelte Know-how sinnvoll investieren möchten, ist eine Mentorentätigkeit ein exzellenter Weg.

Tausende von erfolgreichen Entrepreneuren wären nicht, wo sie sind, hätte ihnen nicht ein Mentor mit Wissen und Rat zur Seite gestanden. Vielleicht ist ja auch genau so Ihre eigene Motivation entstanden, Mentor zu werden. Wirtschaftsstammtische oder Branchentreffen sind effektive Orte, um entsprechende Kontakte zu knüpfen. Vorab allerdings sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was ein guter Mentor anbieten sollte – und was eben auch nicht.

1. Seien Sie selbstlos.

Altruismus ist, mit Ausnahme von sozialen Unternehmen (Stichwort: Social Entrepreneurship), kein besonders häufig gebrauchter Begriff im Alltag des freien Marktes. Jeder erfolgreiche Unternehmer klopft eine gegebene Situation auf die für seine Ziele opportunen Ressourcen ab. Dazu ist er verpflichtet – und das spricht auch nicht gegen ihn. Als Mentor aber müssen Sie sich diesen internalisierten Automatismus des „Was springt dabei für mich/uns heraus“ abgewöhnen.

Hier geht es wirklich nur um das wirtschaftliche Wohl Ihres Mentees. Diese Selbstlosigkeit fällt am Anfang schwer, nicht aus Egozentrismus, sondern schlicht, weil es der gewohnten Praxis widerspricht. Nehmen Sie deshalb Ihre Position als Gebender ganz bewusst ein. Sie werden für diese Bereitschaft auf völlig anderen Ebenen „zurückbezahlt“ werden, als es am Anfang der Mentorentätigkeit denkbar ist.

2. Hören Sie erst einmal zu.

Natürlich besteht ein grosser Teil der Mentorentätigkeit darin, Ratschläge zu erteilen und Strategien zu entwerfen. Aber all diese pro-aktiven Tätigkeiten kommen an zweiter Stelle. Zunächst einmal müssen Sie herausfinden, worum es Ihrem Gegenüber eigentlich geht, wo er mit seiner Geschäftstätigkeit steht, wo unentdeckte Defizite und Ressourcen zu finden sind, welche Kompetenzen zur Verfügung stehen.

Das geht nur über intensives Zuhören, bei dem Sie Ihrem Mentee Ihre ungeteilte und vor allem ungefilterte Aufmerksamkeit schenken. Betrachten Sie sich als Membrane, die lediglich das Gehörte aufnimmt und abspeichert. Diese Form der zunächst wertfreien, urteilslosen Aufnahme des Status-Quo ist vielleicht eine der schwierigsten Übungen für Menschen überhaupt, aber sie ist immens lohnenswert.

3. Stellen Sie offene Fragen.

Überwältigen Sie Ihren Mentee nicht mit sofort in Ihrem Kopf entstehenden Ideen, selbst wenn diese noch so inspirierend sind. Bedenken Sie: Selbst gefundene Antworten sind die wirkungsvollsten. Lassen Sie durch behutsames, präzises und vor allem offenes Nachfragen zu, dass Ihr Gegenüber selbst auf Lösungswege kommt. Diese Hilfe zur Selbsthilfe ist die wirkungsvollste und bei weitem nachhaltigste Form der Unterstützung. Nehmen Sie Ihrem Mentee vor allem keine Entscheidungen ab, für deren Ausgang er oder sie Sie hinterher verantwortlich machen könnte. Unterstützen Sie Ihr Gegenüber dabei, die richtigen analytischen Mittel zu finden und einzusetzen. Damit geben Sie ihm ein Instrumentarium an die Hand, das auch noch über Ihre Hilfe hinaus dauerhaft wirken kann.

4. Geben Sie Ihre eigenen Fehler zu.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken, sind es meist die Fehler, aus denen Sie am meisten gelernt haben – über die Sie aber gleichzeitig vielleicht am wenigsten gerne sprechen. Überwinden Sie diese Zögerlichkeit. Eigene Engpässe und Fehlentscheidungen zuzugeben, macht Sie menschlicher und bringt Sie mit Ihrem Mentee auf eine konstruktive Augenhöhe, statt Sie auf ein Podest zu stellen. Es erhöht auch die Chance, dass dieser dieselben Fehler nicht durch eigene Erfahrung machen muss. Wenn Sie in der Geschäftsentwicklungsstrategie Schwachpunkte sehen, denen Sie selbst einmal zum Opfer gefallen sind, weisen Sie unter Bezugnahme auf Ihre eigene Erfahrung darauf hin. Das erleichtert es Ihrem Gegenüber, Ihren Ratschlag zu akzeptieren und auf einem vielleicht bereits zementierten Weg umzukehren.


Vertreten Sie Ihre Kompetenz. (Bild: docstockmedia / Shutterstock.com)
Vertreten Sie Ihre Kompetenz. (Bild: docstockmedia / Shutterstock.com)


5. Vertreten Sie Ihre Kompetenz.

Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie über Dinge sprechen, von denen Sie nur theoretisch Ahnung haben. Beim Mentoring geht es vor allem immer um eines: Erfahrung. Machen Sie sich keine Sorgen, falls Ihre Erfahrungswerte hoch spezialisiert sind – umso besser. Hier geht es um die Tiefe, nicht um die Breite. Geben Sie also genau das weiter, was Sie wirklich wissen. Wenn etwa der Aufbau einer Solarenergie-Firma Ihr Fokus war, müssen Sie nicht den kompletten Energiemarkt kennen. Niemand erwartet mehr von Ihnen, als genau Ihre persönliche, individuelle Kompetenz zur Verfügung zu stellen.

6. Geben Sie Rückhalt.

Natürlich sollte Ihre Beziehung zu Ihrem Mentee zur Hauptsache durch Professionalität und eine gewisse notwendige, überhaupt erst Objektivität ermöglichende Distanz geprägt sein. Gleichzeitig aber sollte Ihr Gegenüber das Gefühl haben, dass Sie an ihn oder sie und das Unternehmen oder Projekt glauben. Diese emotionale Unterstützung ist ebenfalls wichtig, weil sie die Basis für ein vertieftes Vertrauen darstellt. Bauen Sie Ihren Mentee ruhig auf, wenn es zu Rückschlägen kommt und stützen Sie auch sein Ego, wenn Selbstzweifel oder Frustration ins Spiel kommen. Feiern Sie Erreichtes und Erfolge gemeinsam jenseits des gewohnten Beratungskontextes! Nur so kann die Mentorentätigkeit zu einem ganzheitlichen Erlebnis für beide Seiten werden.

 

Oberstes Bild: © Happy Together – Shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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