Anspruchsmentalität und Arbeitswirklichkeit

Die Reihe der Wünsche, gesetzlich geregelten Ansprüche und Forderungen von Beschäftigten ist lang. Und sie scheint immer länger zu werden. Aufgelistet werden Urlaubsansprüche und Wünsche nach freien Tagen in besonderen Fällen, Prämien, Lohnerhöhungen, verkürzten Arbeitszeiten, Sozialprogrammen allenthalben und natürlich möglichst rundum weichen Kuschelzonen, die den Arbeitsplatz ein bisschen zum Zuhause werden lassen. Dem gegenüber stehen die Realitäten der Arbeitswelt, die vor allem in Hinsicht auf das Ergebnis kaum weitere Zugeständnisse erlauben.

Wie die Waage zwischen Erhaltung und Steigerung der Produktivität und den Ansprüchen der Arbeitnehmer zu halten ist, macht vielen Verantwortlichen in den Unternehmen zunehmend Kopfzerbrechen. Während Grossunternehmen mit der steigenden Anspruchsmentalität noch irgendwie umgehen können, haben es kleine Betriebe zunehmend schwerer, hier eine gesunde Balance halten zu können.

Auf dem Boden der Tatsachen bleiben

Wer als Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag unterzeichnet, geht damit vereinbarte Pflichten ein. Und im Gegenzug finden sich da auch ein paar Rechte, die neben einer angemessenen Bezahlung auch Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Pausen und viele andere der kleinen Annehmlichkeiten regeln. Damit sollte eigentlich alles klar sein. Meist dauert es aber nicht lange, bis der eine oder andere Arbeitnehmer mehr oder weniger deutlich die Hand aufhält und nach mehr verlangt. Oftmals beginnt das mit scheinbaren Kleinigkeiten, und irgendwann entsteht eine Schieflage im Verhältnis von Leistung und Erwartung.

Die Anspruchsmentalität grassiert und passt in keiner Weise zu den Realitäten der Arbeitswelt. Arbeit ist kein Privatvergnügen und gleicht in erster Linie einem Geschäft. Hier wird eine Leistung gegen ein Entgelt und zusätzliche Vereinbarungen verkauft. Punkt. Erst dann, wenn die Anforderungen und erbrachten Leistungen nachweislich die Marken des im Arbeitsvertrag geregelten Anspruches übersteigen, ist es gerechtfertigt, über weitere Ansprüche zu verhandeln.

Wer als Arbeitnehmer ständig nur die Hand aufhält und das Unternehmen als Sozialversorger versteht, hat den Boden der Tatsachen längst verlassen und begibt sich auf ein gefährliches Terrain. Stehen nämlich die Forderungen in keinem Verhältnis zur Leistung, ist der Arbeitsplatz ganz schnell futsch und das Nachsehen hat letztlich der verwöhnte Arbeitnehmer selbst. Für das Unternehmen kommt dann die Zeit, sich nach einem neuen Mitarbeiter umzusehen. Für den sind die Folgen der Anspruchsmentalität seines Vorgängers oft verhängnisvoll.

Aus der Erfahrung wird der Arbeitgeber jetzt bemüht sein, den Neuen möglichst kurz zu halten, um ähnliche Entwicklungen wie beim gekündigten Vorgänger von vornherein auszuschliessen. Damit schadet eine übersteigerte Anspruchsmentalität nicht nur dem Unternehmen und seinen aktuellen Mitarbeitern, sondern letztlich auch den künftigen Beschäftigten.


Für Unternehmen bedeutet die wachsende Anspruchsmentalität der Beschäftigten eine klare Positionierung. (Bild: Gwoeii / Shutterstock.com)
Für Unternehmen bedeutet die wachsende Anspruchsmentalität der Beschäftigten eine klare Positionierung. (Bild: Gwoeii / Shutterstock.com)


Ansprüche klar regeln und Entwicklungen offenlegen

Für Unternehmen bedeutet die wachsende Anspruchsmentalität der Beschäftigten eine klare Positionierung. Während gesetzlich geregelte Ansprüche ohnehin keiner Diskussion bedürfen, müssen freiwillige Leistungen des Unternehmens auf den Prüfstand gestellt werden. Hier kommt es vor allem darauf an, Ansprüche von Arbeitnehmern in eine Relation zu den erwartungsgemässen Leistungen zu bringen und ganz klare Regeln zu schaffen. Diese Regeln müssen letztlich auch allen Beteiligten klargemacht werden. Regeln, die keiner kennt, führen immer wieder zu Diskussionen und damit zu Unruhe im Unternehmen.

Werden Ansprüche geregelt, dann sollten diese allerdings weder zu starr noch zu flexibel gehandhabt werden. Für jeden Beschäftigten sollten Entwicklungsmöglichkeiten offengelegt werden, die eine Relation zwischen Leistung und Anspruch deutlich machen können. Damit werden den Beschäftigten klare Massgaben an die Hand gegeben, die berechenbar sind und zusätzliche Ansprüche auch mit klar definierten Leistungen verknüpfen.

Vorteil solcher klaren Absprachen ist es, dass Ansprüche erst dann gestellt werden, wenn sie auch durch entsprechende Leistungen gerechtfertigt sind. Immerhin ist ein Unternehmen kein Platz für beständiges Wunscherfüllen, sondern für die Leistungserbringung gegen vereinbarte Leistungen.

Problematik der Anspruchsmentalität trifft viele Unternehmen

Von der wachsenden Anspruchsmentalität sind mehr Unternehmen betroffen als zunächst vermutet. Oftmals wissen einzelne Arbeitnehmer besser darüber Bescheid, welche Ansprüche sie einfordern könnten, als darüber, was an konkreten Leistungen erwartet wird. Der Fehler liegt hier oftmals im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern und Unternehmen. Hier ist eine klare Ansage erforderlich: Wer mit der Erfüllung von Ansprüchen im Unternehmen dauerhaft nicht zufrieden ist, sollte letztlich das Unternehmen verlassen und sich dort bewerben, wo er seine Wünsche besser berücksichtigt sieht. Das klingt zunächst hart, spiegelt aber die unternehmerische Realität besser wider als kuschelweiche Entspannungszonen in Bereichen, in denen eigentlich hart gearbeitet werden sollte, um unternehmerische Ziele zu erreichen.

In kleineren Unternehmen sind es vor allem Ansprüche auf Urlaub und unbezahlte Freistellung, die immer wieder zu Problemen führen. Letztlich müssen Arbeitsplätze entsprechend ihrer Bedeutung so besetzt sein, dass Ausfälle möglichst vermieden werden. Nicht selten müssen dann Teilzeitkräfte oder Springer eingestellt werden, die Lücken in der Besetzung schliessen, letztlich aber auch Geld kosten und weitere Einbussen bedeuten. Die gehen dann zulasten des gesamten Unternehmens und weiten die Kluft zwischen Ansprüchen der Beschäftigten und der Wirklichkeit der Arbeit noch weiter aus.

 

Oberstes Bild: © Pressmaster – Shutterstock.com

author-profile-picture-150x150

Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

website-24x24
jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});