Klein, aber oho: der Wirtschaftsstandort Schweiz

Die Schweiz gilt als Land, in dem ein überdurchschnittlich hoher materieller Wohlstand herrscht. Im weltweiten Vergleich rangiert sie mit dem Bruttoinlandsprodukt regelmässig unter den ersten 20; gemessen am pro-Kopf-Einkommen belegt sie derzeit sogar einen Spitzenplatz in der Bestenliste. Worauf aber gründet die vorbildhafte Wirtschaft dieses kleinen Staates?

Zunächst einmal auf einem erstaunlich wirkenden Missverhältnis: In der Schweiz stehen rund 27 % produzierendes Gewerbe einem ungleich grösseren Dienstleistungssektor gegenüber. Das bedeutet, dass mehr als zwei Drittel aller Schweizer Erwerbstätigen in diesem Bereich arbeiten. Damit scheint der Wirtschaft des Landes auf den ersten Blick jegliche Grundlage zu fehlen. Doch betrachtet man die Verteilung innerhalb der jeweiligen Sektoren etwas genauer, erschliesst sich das Geheimnis hinter der florierenden Wirtschaft der Schweiz schon eher.

Stark in Sachen Dienstleistung

Innerhalb dieses Bereiches kommt den mehr als 400 Banken und den zahlreichen Versicherungsgesellschaften des Landes die grösste Bedeutung zu. Ihren seit vielen Jahren behaupteten Spitzenplatz im Ranking der einflussreichsten Finanzmärkte der Welt verdankt die Schweiz neben dem starken inländischen Kapital natürlich vor allem dem berühmten Bankgeheimnis, welches eine Kontoverbindung bei den Eidgenossen vor allem für ausländische Anleger attraktiv macht. Die herausragende Rolle als international anerkannter Bankenstandort spiegelt auch die Bedeutung der Schweizer Börse in Zürich wider.

Der zweite wichtige Bereich der Dienstleistung umfasst den Fremdenverkehr. Durch ihre klimatische Lage, ihre geografische Struktur und ihre langjährige Geschichte verfügt die Schweiz über die verschiedensten touristischen Schwerpunkte, so dass sie Erholungsuchenden ganzjährig zahlreiche Anreize bietet. Mit einer Zahl von rund 7,5 Millionen Gästen pro Jahr liegt das Verhältnis zu den Einwohnern bei sagenhaften eins zu eins – ein Wert, von dem andere Länder vergleichbarer Grösse nur träumen können. Nach Auskunft aller im Tourismus tätigen Branchen weilen die meisten Besucher der Eidgenossen:

  • im Kanton Bern und der gleichnamigen Hauptstadt
  • in den Wintersportgebieten der Kantone Wallis und Graubünden
  • im Tessin
  • in den Ferienorten um den Genfer See, den Vierwaldstätter See und den Bodensee.

Produktion für den Export

Der verhältnismässig geringe Anteil Gewerbetreibender setzt sich aus überwiegend mittelständischen und einigen wenigen multinationalen Unternehmen zusammen, die vor allem

  • in der Elektro- und Elektronikindustrie
  • im Maschinen- und Fahrzeugbau
  • in der chemischen und pharmazeutischen Industrie und
  • in der Nahrungsmittelindustrie

tätig sind. Zu einigen der diesbezüglich bekanntesten Exportartikel gehören Maschinen von Sulzer, Medikamente und Kosmetik von Roche sowie Süsswaren und Babyartikel von Nestlé.

Den wohl bedeutendsten Industriezweig der Schweiz aber stellt die Feinmechanik dar. Neben der Produktion von optischen Geräten und Schmuck ist hierbei in erster Linie die Herstellung von Uhren zu nennen. In den darauf spezialisierten Zentren

  • Genf
  • La Chaux-de-Fonds und
  • Le Locle

werden 95 % der gleichermassen hochwertigen wie modisch orientierten Zeitmesser zum Export vorbereitet – unter ihnen natürlich auch die weltberühmten Modelle von Swatch.


Klasse statt Masse in der Landwirtschaft. (Bild: antb / Shutterstock.com)
Klasse statt Masse in der Landwirtschaft. (Bild: antb / Shutterstock.com)


Klasse statt Masse in der Landwirtschaft

Mit einem Anteil von weniger als 1,5 % bildet die stark subventionierte Landwirtschaft die unbedeutendste Einnahmequelle der Schweiz. In diesem Bereich herrscht der Betrieb von Familienunternehmen vor, von denen sich rund drei Viertel auf Viehhaltung spezialisiert haben. Diese findet vornehmlich in den Bergregionen statt, in deren Höhenlagen traditionelle Almwirtschaft üblich ist. Das restliche Drittel der Bauern betreibt in Abhängigkeit von ihren jeweiligen Siedlungsgebieten den Anbau von

  • Getreide
  • Obst
  • Gemüse und/oder
  • Wein

Die aus der Landwirtschaft resultierenden Produkte wie Emmentaler oder Greyerzer Käse gehören neben Uhren, Schokolade und Kunsthandwerk zu den am meisten gefragten Exportgütern des Landes. Hauptabnehmer dieser Schweizer Spezialitäten sind Deutschland, Italien und die USA.

Mythos Stabilität

Dass die Schweiz trotz des nur kleinen Binnenmarktes und der wenigen eigenen Rohstoffe eine so starke Wirtschaftsmacht ist, liegt an

  • einem hoch entwickelten Produktionsapparat
  • der Förderung des Exports
  • dem damit einhergehenden Wettbewerb
  • aufwendiger und kontinuierlicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie
  • einem überdurchschnittlich hohen Bildungsstand der Bevölkerung.

Diese Faktoren haben dem Land bis in die 1980er-Jahre hinein eine auffallende Stabilität verliehen, die sich vor allem auf politischem, sozialem und ökonomischem Gebiet bemerkbar machte. Anzeichen hierfür waren

  • eine niedrige Arbeitslosenquote
  • stetiges Wirtschaftswachstum
  • begrenzte Inflation und
  • eine positive Leistungsbilanz.

Anfang der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts begann dieses Gerüst jedoch zu schwanken. So herrschte im Jahr 1991 eine Inflation von knapp 6 %, die trotz konstanter Produktion eine Stagflation nach sich zog. Einer der wichtigsten Gründe für die plötzlich aufkommende Schwäche der Schweiz waren nach Expertenmeinung die strukturellen Probleme des wirtschaftlichen Standortes.

Dank liberaler Arbeitsmarktregelungen und eines nur bedingt ausgebauten Kündigungsschutzes konnten zahlreiche Schweizer Arbeitgeber flexibel auf diese Schwankung reagieren. Allerdings führte die Schwächung der Wirtschaft zu einem neuen Rekord: Nachdem die Arbeitslosenquote 2001 einen historischen Tiefststand erreicht hatte, stieg sie innerhalb der darauffolgenden Jahre sprunghaft an und belief sich Ende 2004 auf knapp 4 %.

Heute hat die Schweiz mit weniger als 1 % Inflationsrate wieder ein stabiles Niveau erreicht; verzeichnet aber dennoch eine erhöhte Zahl von Arbeitslosen. Die diesbezügliche Quote liegt jedoch deutlich unterhalb des europäischen Durchschnitts.

 

Oberstes Bild: Rawpixel – Shutterstock.com

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Mehr zu Christiane Dietering

Christiane Dietering hat eine handwerkliche, zwei kaufmännische und eine Autoren-Ausbildung absolviert. Sie arbeitet als freie Texterin, Rezensentin und Journalistin in den Themenbereichen Kunst und Kultur. Ihre Hauptauftraggeber sind Veranstalter von Musikaufführungen, Lesebühnen und Erotik-Events.

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