Mindestlohn - eine Rechnung, die aufgeht

Im Mai wird es wieder einmal spannend. Dann nämlich entscheidet das Schweizer Wahlvolk darüber, ob ein Mindestlohn von 22 Franken die Stunde obligat wird. Während die einen noch feilschen und andere schon frohlocken, schauen wir hinter die Kulissen einer Mindestlohnregelung, die auch nach der Verabschiedung immer noch drei Jahre Zeit zur Umsetzung bekommt.

Was ist die Produktivkraft Mensch wert?

Diese Frage treibt nicht nur Wirtschaftsphilosophen und Gewerkschafter um. Es ist vor allem die Frage nach dem Wert des Menschseins überhaupt. Der Mensch als produktives Wesen hat es verdient, in Verhältnissen zu leben, die seiner Leistung für die Gesellschaft entsprechen. Das klingt zunächst nach Phrase, wird aber dann interessant, wenn wir danach schauen, was im Niedriglohnsektor verdient wird. Das ist beispielsweise die voll ausgebildete Coiffeuse, die jetzt mit um die 3600 Franken nach Hause geht. Nach acht Stunden Haareschneiden und Gefälligkeiten der Kundschaft gegenüber lebt die Coiffeuse heute noch teilweise unter dem Sozialhilfe-Niveau. Um 2018 dürfte sie dann endlich mit 4000 Franken so ausgelohnt sein, dass sie zumindest der Sozialhilfe nicht mehr auf der Tasche liegt. Dann erst wird Arbeit nämlich wirklich lohnend und wertschöpfend anerkannt. Während die Wirtschaft als Gesamtheit etwa 1,6 Milliarden Franken zum Erreichen des Mindestlohns für alle drauflegen muss, sparen die Sozialkassen schon einmal mindestens 100 Millionen Franken an Zusatzleistungen für geringbezahlte Beschäftigte ein. Auch das ist ein Argument für die Wertschätzung der Produktivkraft Mensch.

Mindestlohn bietet keinen Reichtum

Wer jetzt noch unter dem angestrebten Mindestlohn von 22 Franken arbeitet wird auch mit dem Erreichen des Mindestlohns nicht reich werden. Zumal die Anpassungsfrist für die Wirtschaft von immerhin drei Jahren auch nicht gerade knapp bemessen ist. In dieser Zeit werden sich auch Inflationsrate und Preise weiter entwickeln. Also nicht wirklich ein Grund zum Frohlocken, aber immerhin ein Grund für vorsichtigen Optimismus zugunsten der am schwächsten bezahlten Arbeitnehmer. Interessant sind da schon die Verlautbarungen aus der Wirtschaft. Obwohl angesichts deutlich angepasster Gesamtarbeitsverträge der eigentliche Ausgleichsbedarf für die Einführung des Mindestlohns von 22 Franken relativ klein ausfällt, prognostizieren erste Zweifler schon ein Firmensterben. Hier wird deutlich gegen den Mindestlohn argumentiert, der allerdings nur wenig Unternehmen wirklich schmerzhaft treffen dürfte. Wer in der Schweiz wertvolle Arbeit leisten will, muss dafür seine Beschäftigten auch anständig entlohnen. Das ist keine Frage der Kleinrechnerei sondern eine Frage des Anstandes und der Menschenwürde. Das sollte auch Unternehmern klar sein, die wissen, dass 22 Franken keinen Reichtum, ja noch nicht einmal gutbürgerliche Lebensverhältnisse untermauern können.


Mindestlohn bietet keinen Reichtum. (Bild: uschi dreiucker / pixelio.de)


Konsumverhalten rechtfertigt Mindestlohn

Wer mehr verdient, gibt auch mehr aus. Eine Logik, die sich nicht immer durchsetzt. Letztlich wird aber eine Anpassung der Mindestlöhne auch den Binnenmarkt ankurbeln. Immerhin sind es die Schweizer selbst, die mit ihrem Konsumverhalten dafür sorgen, dass auch die Binnenkonjunktur stabil bleiben kann. Das Beharren auf Löhnen unterhalb der 22 Franken ist also auch eine Frage danach, was sich die Binnenwirtschaft leisten will.

Darüber hinaus hat die Unia als Gewerkschaft kein Problem mit der Anhebung der niedrigsten Löhne. Letztlich geht es um insgesamt etwa 300.000 Beschäftigte, bei denen der Lohn noch angehoben werden müsste. Also auch nicht die Masse. Davon müsste dann etwa bei der Hälfte der Lohn um gerade einmal 2 Franken angehoben werden. Zahlen, mit denen jedes vernünftig wirtschaftende Unternehmen umgehen können sollte. Viele Unternehmen malen dann aber lieber doch den schwarzen Mann an die Wand: tausende Jobs müssten abwandern oder durch Maschinen ersetzt werden. Wenn dem wirklich so ist, stellt sich doch auch die Frage, warum das dann nicht längst schon geschehen ist. Unternehmen, die jetzt um 2 Franken feilschen hätten doch auch Arbeiten für 20 Franken längst schon auslagern oder maschinell ersetzen können.

Die Rechnung geht auf

Die Rechnung mit dem neuen Mindestlohn von 22 Franken geht dann auf, wenn sie gesamtwirtschaftlich betrachtet wird. Ein Mindestlohn von 22 Franken ist nicht einfach nur eine Belastung für die Unternehmen. Sie ist vor allem ein Signal an eine soziale Wirtschaft. Darüber hinaus wird mit dem Mindestlohn von 22 Franken ein neues Kaufkraftpotential freigesetzt, das sich zumindest im Binnenhandel wieder rechnet. Dazu kommt die bereits erwähnte Entlastung der Sozialkassen, die wiederum gut für die Schweiz als Ganzes ist. Wer jetzt um 22 Franken Mindestlohn feilscht, zeigt weder wirtschaftlich gerechneten Verstand, noch ein Gefühl dafür, was Arbeit wert ist.

Die Rechnung mit dem Mindestlohn geht vor allem dann auf, wenn dieser als Option auf die Zukunft gesehen wird. Ein Mindestlohn von 22 Franken ist ein Signal auch an die jüngere Generation und an junge Menschen aus schwächeren sozialen Gefügen, die jetzt wieder erleben können, dass sich Arbeit lohnt. Darauf bis ins Jahr 2018 zu warten ist verschenkte Zeit, vor allem auch für Unternehmen, die nach motivierten Arbeitskräften suchen. Motivation ist letztlich nicht nur eine Frage von guten Worten, sondern vor allem auch eine Frage des Geldes. Und da bedeuten 22 Franken mehr, als nur die Sicherung eines halbwegs anständigen Lebens. So wird die Wahlentscheidung im Mai keine Frage von Mindestlohn ja oder nein, sondern eher eine Frage danach sein, ob sich in der Schweiz Arbeit auch weiterhin lohnen soll.

 

Oberstes Bild: © VRD – Fotolia.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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