CeBIT 2016: Journalismus in Zeiten von Big Data

Journalismus ist in Zeiten von Big Data in mancherlei Hinsicht einfacher geworden, aus anderer Perspektive jedoch erheblich komplexer. Die gewaltigen Informationsmengen wollen erst einmal gesichtet, ausgewertet und strukturiert werden.

Im Forschungsprojekt „News-Stream“ entwickeln das Fraunhofer IAIS und Neofonie zusammen mit Deutsche Welle und dpa neue Recherche- und Analysetools: Mit wenigen Klicks können Journalisten tausende Inhalte aus Videoplattformen, RSS-Feeds, Medienarchiven oder sozialen Medien auf dem Bildschirm thematisch bündeln und sich in Echtzeit über aktuelle Ereignisse informieren. Auf der CeBIT stellen die News-Stream-Experten erste Ergebnisse und Anwendungsbeispiele vor.

Am Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF auf der CeBIT (Halle 6, A34) erfahren Interessierte am Nachbau eines Redakteurs-Arbeitsplatzes, wie News-Stream funktioniert. Die neuen Werkzeuge zur Unterstützung von journalistischen Arbeitsabläufen basieren auf Big-Data-Technologien, die heterogene Nachrichtenströme in Echtzeit analysieren. Für Journalisten, Agenturen und Pressestellen soll durch News-Stream sowohl die Recherche, die Themen- und Medienbeobachtung als auch die Erstellung von Nachrichtenartikeln leichter werden.

Das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und der Berliner Datenspezialist Neofonie sind für die Entwicklung der technischen Infrastruktur verantwortlich. Die Deutsche Presse-Agentur dpa mit ihrer Tochter dpa-infocom und die Deutsche Welle bringen Anforderungen und Anwendungsfelder aus der journalistischen Praxis in das vom BMBF geförderte Projekt mit ein.

„Journalisten brauchen Orientierung und Hilfsmittel zur Bewältigung der Informationsflut, um ihre Kernaufgaben zu erfüllen und die Bevölkerung verlässlich und transparent zu informieren. Die News-Stream-Technologien helfen, nicht nur Texte, sondern auch audiovisuelle Inhalte zu strukturieren und durchsuchbar zu machen“, sagt Joachim Köhler, Abteilungsleiter NetMedia am projektleitenden Institut, dem Fraunhofer IAIS.

Konkrete Beispiele

Die News-Stream-Tools unterstützen Journalisten bei investigativen Recherchen, sparen ihnen wertvolle Zeit beim Screening von politischen Debatten und liefern neue Möglichkeiten, Text mit Audio und Film zu verknüpfen. Viele Nutzungsszenarien sind bereits in dem Forschungsprojekt entstanden und werden ständig weiter entwickelt.

Szenario 1: Eine Journalistin möchte prüfen, inwiefern deutschsprachige Medien die Pressemitteilungen von Konzernen eins zu eins übernehmen, ohne eigene Rechercheinhalte beizusteuern. Sobald der Algorithmus ein Muster der Textübernahme findet, kann sie sich die entsprechenden Stellen anzeigen lassen.

Szenario 2: Im Wahlkampf müssen Journalisten lange Parlamentsdebatten auf dem Bildschirm verfolgen. Der Redakteur kann sich immer dann benachrichtigen lassen, wenn in einer Live-Sendung ein wichtiger Protagonist das Wort ergreift oder ein bestimmtes Thema angesprochen wird – das Transkript des Redebeitrags wird automatisch per E-Mail an den Redakteur verschickt.

Szenario 3: Eine Agentur gibt eine Meldung heraus, in deren Text auf ein im Netz veröffentlichtes Radiointerview mit einem Politiker verwiesen wird. Der Text beinhaltet hierbei nicht nur das Originalzitat, sondern auch eine direkte Verknüpfung des Ausschnitts aus der Quelle. Dabei kann der Nutzer direkt auf die entsprechende Stelle in der Audio-Datei springen, statt sich das Interview von vorne anhören zu müssen.

Individueller Werkzeugkasten auch für technisch Unerfahrene

Das Ziel von News-Stream ist es, Journalisten ein Portfolio an Werkzeugen zur Verfügung zu stellen, das sie sich je nach Anforderung individuell zusammenstellen können und das sich ohne technischen Aufwand in den Arbeitsablauf der Redakteure integrieren lässt. Die bisher entstandenen Tools erlauben die Beobachtung von Twitter-Nachrichten, die Überwachung von Video-Strömen, die Analyse der Verbreitung von Agentur- und Pressemeldungen sowie die direkte Verknüpfung von Textzitaten zum Originalton. Grundlage der Anwendungen sind spezielle Technologien zur Verarbeitung von grossen Datenmengen genauso wie Algorithmen zur Analyse von Texten und audiovisuellen Inhalten.



„Der Journalismus steht unter einem enormen Druck. Alles wird immer schneller und es gibt viele, die heute in der Öffentlichkeit mitreden und ihren Blickwinkel darstellen. Journalisten müssen daher noch schneller relevante Ereignisse erkennen, Meldungen prüfen und Sachlagen recherchieren. Mit Tools aus dem Big-Data-Baukasten und unserer semantischen Textanalyse helfen wir Journalisten, die Datenströme in redaktionellen Medien und Social Media zu zähmen, damit sie mehr Zeit für die qualitative Recherche haben“, so Peter Adolphs, der die Forschungsabteilung der Neofonie leitet.

 

Artikel von: dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
Artikelbild: © Nomad_Soul – shutterstock.com

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