E-Commerce: Herausforderung für den Detailhandel in der Schweiz

Das Internet hat unseren Alltag und auch unsere Shopping-Gewohnheiten in den letzten 20 Jahren stark verändert. Für viele Schweizer ist der Online-Einkauf von Produkten und Dienstleistungen normal geworden. Der stationäre Handel bekommt die Folgen des E-Commerce-Booms hautnah zu spüren – die Frage ist, welche Strategien Detailhändler brauchen, um gegenüber der digitalen Shopping-Welt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Kunden profitieren von den digitalen Angeboten unter verschiedenen Aspekten: In Onlineshops sind sie an keine Öffnungszeiten mehr gebunden, der virtuelle Einkauf ist rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche möglich. Die Omnipräsenz von Smartphones hat das E-Commerce nochmals revolutioniert. Eine Studie des Forschungszentrums für Handelsmanagement an der Universität St. Gallen zeigt, dass rund ein Viertel der Schweizer nahezu im Stundentakt mit ihren Smartphones online gehen. 75 % der Schweizer Wohnbevölkerung nutzen internetbasierte Dienstleistungen – beispielsweise Produkt- und Preisvergleiche, Kundenbewertungen oder Filialsuchen – auf ihrem Smartphone.

Digital Natives: Identische Erwartungen an On- und Offline-Handel

Durch diese Entwicklung haben sich vor allem bei der jüngeren Käufergeneration – den „Digital Natives“ – auch die Ansprüche an den Detailhandel grundlegend geändert. Sie fordern von den stationären Händlern die gleiche Schnelligkeit und den gleichen Service, die sie im Internet geniessen. Studien zeigen, dass kommerzielle Websites nur dann erfolgreich sind, wenn potenzielle Käufer nach fünf bis sieben Klicks finden, was sie auf der Seite suchen – falls das nicht klappt, hat das Angebot für sie seine Relevanz verloren. Dem stationären Handel fällt es naturgemäss deutlich schwerer, solche Erwartungen zu erfüllen.

Detailhändler müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken

Herkömmliche Detailhändler sehen sich zunehmend mit der Frage konfrontiert, ob sie mit ihren Angeboten nicht am besten selber online gehen – viele von ihnen haben sich längst dafür entschieden. Gleichzeitig stehen sie vor der Aufgabe, ihre Geschäftsmodelle insgesamt zu überdenken und die Stärken und Schwächen der einzelnen Vertriebskanäle abzuwägen. Vorteile des stationären Handels sind der direkte Kontakt zum Kunden, persönliche Beratungs- und Service-Optionen sowie die Möglichkeit, den Kunden ein komplexes Einkaufserlebnis zu bieten. Im Internet sind die Händler dagegen oft freier in der Sortimentsgestaltung, können das Einkaufsverhalten ihrer Kunden mit technischen Mitteln analysieren und ihren Geschäftserfolg mit stark personalisierter Werbung unterstützen.

Starkes Wachstum des Schweizer E-Commerce

In der Praxis sind entsprechende Entscheidungen fast schon überfällig. Laut den letzten verfügbaren Zahlen der GfK zur Schweizer Handelslandschaft hat der Detailhandel umsatzmässig im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,3 % zugelegt. Im selben Zeitraum sind die Umsätze im Bereich des E-Commerce um 14 % auf 5,35 Milliarden Franken angewachsen. Die Studienautoren prognostizieren für den Schweizer Online-Handel für die absehbare Zukunft jährliche Wachstumsraten von etwa 8 %. Auf Stagnationstendenzen im Schweizer Detailhandel verweisen im Übrigen auch kurzfristige Indikatoren.


Die Umsätze des Schweizer Detailhandels stagnieren – angesichts der Wettbewerber aus dem Internet sind neue Geschäftsmodelle nötig. (Bild: Maxx-Studio / Shutterstock.com)
Die Umsätze des Schweizer Detailhandels stagnieren – angesichts der Wettbewerber aus dem Internet sind neue Geschäftsmodelle nötig. (Bild: Maxx-Studio / Shutterstock.com)


Anbieter brauchen eine klare Positionierung

Der GfK-Handelsexperte Thomas Hochreutner rät den Detailhändlern angesichts dieser Trends zu einer klaren und konsequenten Positionierung. Vor allem Newcomer sind aufgrund der flexibleren und schlankeren Strukturen oft zumindest anfangs mit einem reinen E-Commerce-Auftritt gut beraten, müssen allerdings mit hohem Konkurrenzdruck durch nationale und internationale Anbieter rechnen. Den Wettbewerb im Internet illustriert beispielsweise der Schweizer Markteintritt des deutschen Mode-Onlineshops Zalando im Oktober 2011. Die Berliner erzielen in der Schweiz inzwischen einen Jahresumsatz von 250 Millionen Franken – unter anderem deshalb, weil sie ihren Kunden ermöglichen, mehrere Kleidergrössen auf einmal zu bestellen, und auf diese Weise die Vorteile von Online-Käufen mit den Anprobe-Möglichkeiten des stationären Handels kombinieren. Trotz hoher Rücklaufraten wurde das Schweizer Zalando-Geschäft hierdurch fast auf Anhieb profitabel.

Cross-Channel-Konzepte – attraktiv für Schweizer Kunden

Für stationäre Händler bieten sich dagegen Cross-Channel-Konzepte an. Die parallele Existenz von On- und Offline-Angeboten kommt auch dem aktuellen Einkaufsverhalten der meisten Schweizer weit entgegen. Die GfK hat in einer Umfrage ermittelt, dass 70 % der Befragten sich vor einer Kaufentscheidung im Internet informieren, dann aber doch im stationären Handel kaufen. Den umgekehrten Weg des sogenannten Showrooming im Detailhandel vor einem Online-Kauf gehen dagegen nur 30 % der Schweizer. Cross-Channel-Konzepte ermöglichen den Kunden beispielsweise, ihre Waren online zu bestellen, dann aber in einer Filiale abzuholen oder bei Nicht-Gefallen dort zurückzugeben. Gleichzeitig behält der Handel seine Beratungskompetenz und hat die Chance, den Kunden im Rahmen des persönlichen Kontakts zusätzliche Serviceangebote zu offerieren.

Hohe Online-Relevanz im Schweizer Lebensmittelhandel

Als spannend erweisen sich Cross-Channel-Angebote derzeit im Food-Bereich. 2013 bestellten die Schweizer Lebensmittel im Wert von 740 Millionen Franken direkt im Internet – laut den Erhebungen der GfK deutlich mehr als in anderen Ländern. Schweizer Lebensmittelhändler verknüpfen auch hier erfolgreich die Online- mit der Offlinewelt. Bei den Online-Töchtern der Handelsketten Coop und Migros können Kunden seit einiger Zeit entscheiden, ob ihre Online-Bestellung direkt nach Hause oder an spezielle Abholstationen an Bahnhöfen oder in der Nähe von Autobahnen geliefert wird. Wichtig ist allerdings – nicht nur im Lebensmittelhandel –, dass der Kunde die für ihn relevanten Informationen in jedem beliebigen Kanal komplett und ohne Abstriche erhält und hierdurch einen Anbieter als die beste Wahl für seinen Einkauf wahrnimmt.

 

Oberstes Bild: © Olesia Bilkei – Shutterstock.com

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